Dirigentenwahl der Berliner Philharmoniker

"Ende der Hoffnungen von Christian Thielemann"

Chefdirigent Christian Thielemann
Chefdirigent Christian Thielemann am 12.03.2015 in Dresden während der Jahrespressekonferenz der Sächsischen Staatskapelle Dresden. © picture alliance / dpa / Foto: Matthias Hiekel
Uwe Friedrich im Gespräch mit Vincent Neumann |
Der Krimi ist noch nicht zu Ende, er ist nur unterbrochen: Die Berliner Philharmoniker konnten sich auf keinen neuen Dirigenten einigen. Der Musikkritiker Uwe Friedrich berichtet von einem spannenden Abend - und wir stellen nochmal die Kandidaten vor.
Uwe Friedrich hat den Wahlabend an der Jesus-Christus-Kirche in Berlin Dahlem unmittelbar erlebt. Sieben Stunden habe er mit den anderen Journalisten auf ein Statement zur Wahl des Nachfolgers von Simon Rattle gewartet. Durch ihre Geheimniskrämerei und die Ankündigung, sich auf jeden Fall auf einen Dirigenten einigen zu wollen, hätten die Musiker die Verwunderung über den ergebnislosen Ausgang des Treffens selbst verstärkt.
Die Atmosphäre vor dem Gebäude sei wie in einem Ferienlager gewesen - stundenlanges Zusammenhocken, ein Picknickkorb, der vorbeigebracht wurde - und schließlich spendierten auch die Philharmoniker den Journalisten Getränke. Friedrich spricht von einem spannungsreichen Abend, an dem "zumindest die Journalisten ihren Spaß hatten".
Chefdirigent Sir Simon Rattle wechselt 2018 von den Berliner Philharmonikern nach London.
Chefdirigent Sir Simon Rattle wechselt 2018 von den Berliner Philharmonikern nach London.© picture alliance / dpa / Jakub Kaminski
Warum aber konnten sich die Berliner Philharmoniker nicht einigen? "Es geht um grundsätzliche Ausrichtungen, die sich an Kandidatennamen festmachen lässt", sagt Friedrich und skizziert zwei Gruppen. Die Traditionalisten konzentrierten sich demnach auf musikalische Fragen. Sie wollen künftig den Schwerpunkt weniger auf digitale Projekte und Vermarktungsprojekte des Orchesters als auf den Klang setzen. Sie setzten sich für Christian Thielemann ein. "Das scheint eine Mehrheit zu sein."
Dagegen, so Musikjournalist Uwe Friedrich, habe sich aber auch eine Gruppe von Modernisten gebildet, die mit allen Mitteln die Einberufung des Chefdirigenten der Sächsischen Staatskapelle Dresden verhindern wollen. Eines sei klargeworden, sagt Friedrich: "Das war das Ende der Hoffnungen von Christian Thielemann als Chefdirigent."
Andris Nelsons, Musikalischer Direktor des Birmingham Symphony Orchestras, dirigiert bei einem Auftritt in Prag am 20. August 2010.
Andris Nelsons, Musikalischer Direktor des Birmingham Symphony Orchestras, gilt als ein Kontrahent von Christian Thielemann bei der Wahl zum neuen Chefdirigenten.© dpa / picture alliance / Stanislav Zbynek
Nun steht das Orchester unter Druck, die Musiker haben sich den Zwang auferlegt, bis Jahresende eine Lösung zu finden. "Dieser Zwang kann auch etwas Heilsames haben", sagt Friedrich, da die Philharmoniker Brücken zueinander herstellen müssen. Es gehe um einen Kompromiss, der verhindere, hinter den erarbeiten Stand der Moderniesierung und Digitalisierung zurückzufallen und zugleich sich musikalisch gegenüber anderen Spitzenorchestern wie dem des Concertgebouw in Amsterdam zu verbessern.
Das sind die Favoriten für die Nachfolge von Simon Rattle:
Christan Thielemann - ein Bewahrer deutscher Orchester-Traditionen und noch als Chefdirigent der Sächsischen Staatskapelle Dresden tätig.
Mariss Jansons - der Lette machte das Amsterdamer Concertgebouw-Orchester zum besten der Welt und dirigiert zurzeit das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks.
Gustavo Dudamel - wo der venezolanische Dirigent auch auftritt, versteht er es, sein Publikum mitzureißen.
Andris Nelsons - Sympathieträger mit großem musikalischen Gespür und der jüngste der Kandidaten
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