Oft reicht ein fremd klingender Name
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Seit 2006 gibt es die Antidiskriminierungsstelle des Bundes, die das Gleichbehandlungsgesetz überwacht. Heute stellt sie ihren Wohnungsmarkt-Report vor. Remzi Uyguner ahnt, was drin steht: Er berät Betroffene bei Diskriminierung auf der Wohnungssuche.
Stephan Karkowsky: Das Wort Diskriminierung bedeutete in früheren Jahrhunderten ganz wertneutral Unterscheidung, im Sinne von eins vom anderen trennen. Seine negative Bedeutung im Sinne von Benachteiligung bekam Diskriminierung erst spät, nachdem die Gleichheit aller Menschen ein eigener Wert wurde, zum Beispiel in Artikel 3 Grundgesetz.
Aber erst seit 2006 betreibt die Bundesregierung eine eigene Antidiskriminierungsstelle. Heute stellt diese Bundesbehörde ihren Wohnungsmarkt-Report vor. Remzi Uyguner berät Betroffene bei Diskriminierung auf der Wohnungssuche in Berlin. Jetzt sagen Sie nicht, die Gleichung ist ganz einfach: ausländischer Name gleich schlechtere Chancen.
Ein Betroffener erzählt
Uyguner: Das würde ich schon sagen, das besagen unsere Erfahrungen und auch die Untersuchungen, die zu diesem Thema gemacht worden sind. Ich kann das leider so bestätigen.
Karkowsky: Aber es gilt doch vermutlich für alle Namen, oder? Ich meine, mit meinem polnischen Namen Karkowsky habe ich noch nie ein Problem gehabt.
Uyguner: Ja, das kann man auch so sehen. Wir haben das auch in dem Sinne so nicht getestet, aber auf jeden Fall mit einem türkisch klingenden oder vietnamesisch klingenden oder arabisch klingenden Namen haben Sie erheblich größere Schwierigkeiten, an eine Wohnung zu kommen, sogar an eine Besichtigung.
Karkowsky: Wir lassen mal einen Betroffenen erzählen, der anonym bleiben möchte. Wir nennen ihn Mehmed.
Mehmed: Als ich mehr als ein Jahr nach einer Wohnung gesucht habe, auch bei einer relativ großen Immobiliengesellschaft, und da auf ein Inserat getroffen bin und mich darauf beworben habe und am nächsten Tag die Absage bekommen habe – es kann nicht sein, dass man am nächsten Tag eine Absage bekommt, nur weil man in dem Moment den Namen eingetragen hat, die E-Mail-Adresse und die Rufnummer.
Das heißt, ich habe mir dann nach der Absage vorgenommen, mich für dieselbe Wohnung mit einem deutschen Namen noch mal zu bewerben. Habe dann am selben Tag noch die Zusage bekommen. Und das wollte ich nicht auf mir sitzen lassen. Ich will diese Opferrolle nicht mehr.
Deswegen habe ich nicht losgelassen, sprich, ich bin am nächsten Tag – das funktioniert auch bei einer Immobiliengesellschaft so, dass wenn man eine Zusage bekommt und zu einem Servicepoint geht und da die Schlüssel abholt und dann die Wohnung besichtigen kann. Bin da hingegangen am nächsten Tag, diesmal aber mit meinem richtigen Namen und auch mit einer Gehaltsabrechnung.
Und die Dame am Servicepoint hat sich nur die Adresse angeguckt und meinte, die Wohnung wäre schon weg. Bin dann zur Arbeit, habe mich mit einem Arbeitskollegen darüber ausgetauscht und ihn gebeten, da noch mal anzurufen. Er hat sich dann mit dem deutschen Namen noch mal dort vorgestellt, und die Dame am Telefon meinte, ja, die Wohnung sei noch da und er kann die besichtigen.
Das hat auch bei ihm einen Eindruck hinterlassen, dass es eben nicht dieser Zufall ist. Aber ich will das nicht hinnehmen. Ich bin in Berlin geboren, ich lebe seit 35 Jahren in Berlin, und ich will weitere 35 Jahre in Berlin leben. Und das war halt jetzt die Situation, wo ich das auch ausprobieren wollte: Ist es denn auch möglich, sich zu wehren.
Viele Fälle bleiben verborgen
Karkowsky: Bittere Erfahrung, Herr Uyguner, Sie haben auch diesen Mann tatsächlich vertreten. Ist das ein typischer Fall?
Uyguner: Das ist ein typischer Fall, aber viele Fälle bleiben auch verborgen, weil viele, viele Menschen resigniert sind und solche Fälle dann nicht mehr melden. Und auch bei einigen, die die Diskriminierung sichtbar machen wollen und dagegen vorgehen wollen, sind die Hürden hoch, um zu klagen, um Beschwerdebriefe zu schreiben, aber unsere Erfahrungen sagen, das ist schon typisch. Und ich kann dazu auch sagen, dass wir konkret in ähnlichen acht Fällen tätig geworden sind, zwei Meldungen nach dem Bekanntwerden dieses Urteils bei uns eingetroffen sind und derzeit auch zwei weitere Parallelprozesse laufen. Das heißt also, das ist nicht ein Einzelfall.
Karkowsky: Dieser Mann hat tatsächlich eine Entschädigung bekommen, wir hören ihm mal weiter zu.
Mehmed: Das Gefühl dann, man bekommt nicht nur bei einer proaktiven Anfrage eine Absage, sondern steht grundsätzlich nicht mehr für den Markt, den sie anbieten, zur Verfügung, wird ausgeschlossen, das muss man erleben, das kann man nicht beschreiben.
Ich sage nur, die Würde des Menschen ist unantastbar, aber die wird alltäglich zertreten. Und wenn wir uns da nicht selber wehren, dann wird sich das die nächsten 50 Jahre auch nicht ändern.
Deswegen ist meine Bitte an jeden Betroffenen, dass die nicht in diese Ohnmacht fallen sollen, diese Opferrolle annehmen oder sich auch in eine Parallelgesellschaft begeben. Solange man vorhat, hier zu leben, und solange wir Betroffenen nicht als Individuum gesehen werden in der Mehrheitsgesellschaft, sind wir alle, glaube ich, für alle anderen mitverantwortlich.
Das ist auch ein Versuch für mich, weil es muss weitergehen. Wenn ich hier leben möchte und hier bleiben möchte, muss es weitergehen.
3.000 Euro Entschädigung
Karkowsky: 3.000 Euro Entschädigung hat dieser Mann für sich einklagen können. Ist das ein Mittel, das hilft gegen Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt, was meinen Sie?
Uyguner: Ich denke schon. 3.000 Euro ist natürlich nicht sehr hoch, und wenn man diese Summe mit der Größe des Unternehmens in Beziehung setzt, ist 3.000 Euro wirklich ganz wenig. Aber es kommt nicht darauf an, welche Summe der Betroffene bekommen hat, sondern dass es dieses Urteil gibt. Das ist ein richtungsweisendes Urteil, und das kann schon abschreckend wirken, und deswegen ist es ganz wichtig.
Karkowsky: Das Schwierige ist ja vermutlich, den potenziellen Vermietern die Diskriminierung nachzuweisen. Wie macht man das?
Uyguner: Das ist tatsächlich schwierig, weil niemand gibt es zu oder niemand sagt offen, ja, wir haben Sie deswegen nicht genommen, weil Sie türkischer Herkunft sind. Aber dieses Testing ist mittlerweile gerichtlich anerkannt worden, damit kann man Diskriminierung nachweisen oder zumindest glaubhaft erscheinen lassen. Das ist eine Möglichkeit, oder möglicherweise nimmt man auch zu Besichtigungen Zeugen mit, aber die Methode Testing ist, denke ich, im Moment die effektivste.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandfunk Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.