Schnurrbart-Protest für die Gleichberechtigung
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Luise Böttger spielt seit vielen Jahren Tischtennis im Verein. Bei Wettkämpfen darf sie ihren Sport aber nicht so betreiben, wie sie will. Der sächsische Landesverband erlaubt keine gemischten Teams. Die 29-Jährige will das nun ändern.
Im Verein Wettkämpfe austragen, als Mannschaft zusammen gewinnen, das Adrenalin in den Adern spüren – für viele Menschen macht das den Sport aus. Luise Böttger spielt seit ihrer Kindheit Tischtennis. "Ich bin jetzt 29, und habe quasi mit elf angefangen zu spielen."
Der Sport sei Teil der Familientradition, sagt sie. "Mein Opa hat damals sogar den den ostsächsischen Tischtennis-Verband mitgegründet und war auch Junioren-DDR-Meister. Ich war mit ihm immer in der Halle, habe mit ihm trainiert. Das ist quasi so ein Teil meiner Identität oder auch von meiner Familie. Viele erkennen mich auch und sagen: 'Das ist die Enkelin vom Heinz.'"
Kein Frauenteam im Verein
Umso frustrierender ist es für Luise Böttger, dass sie bereits als Mädchen erfahren musste, dass sie sich sportlich nicht so messen kann, wie die männlichen Vereinsmitglieder- denn eine Frauen-Mannschaft gab es damals wie heute bei ihrem Verein im ostsächsischen Weißenberg nicht: "Es gab ja keine Frauen in dem Verein außer mir und noch einer älteren Dame."
Luise Böttger trainierte also bei den Männern mit. Aber auf ihrem Niveau durfte sie nicht an den Punktspielen teilnehmen. Da schob ihr der sächsische Tischtennisverband einen Riegel vor.
"Aber es gibt halt die Regel, dass man auf sehr niedrigem Niveau spielen darf, was bedeutet nur so auf Kreisebene und Stadtebene. Und da war ich damals schon viel besser, und trotzdem muss ich da unten spielen. Warum? - Das habe ich nie verstanden."
Kompromiss bei der Vereinswahl
Da halfen auch keine Unterschriftensammlungen ihres Vereins in Weißenberg für eine Ausnahmegenehmigung. "Daraufhin war ich sehr froh, als ich dann nach Leipzig zum Studium gegangen bin. Da gab es dann nämlich zwei Frauen-Mannschaften, die meinem Niveau entsprochen haben."
Doch so richtig passt es nicht mit den Frauen im Verein und so wechselt Luise Böttger zum SSV Stötteritz, einem Klub im Südosten von Leipzig. "Das war sozusagen wieder ein Kompromiss, den ich eingehen musste, weil ich sehr gerne zu diesem Verein wollte. Ich habe mich mit denen sehr, sehr gut verstanden und der Verein ist sehr nah an meiner Wohnung", sagt Luise Böttger. "Aber ich muss dafür in Kauf nehmen, dass ich eben nicht so hoch spielen kann, wie ich eigentlich von meinem Niveau her könnte."
Im Sächsischen Tischtennisvereinssport liegt der Frauenanteil bei 15 Prozent. Das spiegelt sich auch in den Ligen wider. Während sich auf Bezirksebene in ganz Sachsen über 200 Herren-Mannschaften messen, sind es bei den Frauen nur rund 20 Mannschaften.
Protest mit Papier und gemischtem Team
Auch wenn sich Luise Böttger freiwillig gegen die Damen-Mannschaft und für einen Wettkampf unter ihrem Niveau entschieden hat – sie fühlt sich als Frau diskriminiert und will, dass sich etwas ändert.
Die passionierte Tischtennisspielerin schreibt ein Positionspapier an den Sächsischen Tischtennisverband und erfährt Zuspruch durch ihre Mitspieler beim SSV Stötteritz. Gemeinsam setzen sie beim Kreispokal im letzten Jahr ein Zeichen und treten gegen die Regeln als gemischtes Team an.
"Ich habe mir dann einen großen schwarzen Schnurrbart besorgt für den Abend und habe mir den angeklebt und habe quasi als Louis Böttger gespielt. Wir haben tatsächlich gewonnen. Wir wurden dann zwei, drei Tage später disqualifiziert. Mit der Begründung ein "nicht spielberechtigter Spieler" hat mitgespielt. Wo wir einfach alle nur sehr laut lachen mussten, weil die es nicht 'mal da geschafft haben zu gendern."
Gefahr für den Damenspielbetrieb?
Für den Sächsischen Tischtennisverband, der sich nur schriftlich äußern will, stellt sich die Thematik anders dar. Für den Verband wäre das Zulassen der Frauen in gemischten Mannschaften ab der Bezirksebene eine Gefahr für die Anzahl der Damen-Mannschaften.
In anderen Verbänden, die den gemischten Betrieb erlauben, habe man daraufhin einen Rückgang der Damen-Mannschaften beobachtet, so der Präsident Thomas Neubert. Das könne man als kleiner Verband nicht verkraften, man wolle den Damenspielbetrieb stabil halten.
Deutschlandweit betrachtet ist der Sächsische Tischtennisverband mit seiner Regelung in der Minderheit. Einen gemischten Spielbetrieb in den unteren Spielklassen, also von Kreis- über Bezirks- bis zur Verbandsliga, lassen 70 Prozent der Tischtennisverbände zu.
Dazu zählen große Verbände wie der Westdeutsche oder der Bayrische, aber auch kleinere Verbände wie der Thüringische oder der Verband in Sachsen-Anhalt.
Pokalausschluss von Frauen könnte kippen
Für Luise Böttger zählt nicht die Anzahl der Damen-Mannschaften, für sie ist die Anzahl der aktiven Frauen entscheidend. "Es ist vor allen Dingen wichtig, dass man nicht auf Krampf versucht, Frauen in Frauen-Mannschaften zu drängen, sondern dass man schaut, dass man so viele Frauen wie möglich aktiv beim Tischtennis behalten kann. Denn umso mehr Frauen da spielen, umso mehr Mitglieder und vielleicht auch umso mehr Nachwuchs."
Die 29-jährige Leipzigerin will weiterkämpfen. Ihr Engagement trägt erste Früchte: Wegen der Schnurrbart-Aktion überlege der Stadtverband Leipzig offenbar, den Pokalausschluss für Frauen zu kippen, hat Luise Böttger gehört.
Ob sich sachsenweit etwas ändern wird, könnte sich beim Verbandstag im kommenden Jahr zeigen. Vielleicht steht das das Thema dann auf der Tagesordnung.