Diskriminierung in Polen

Polnische Clubszene kämpft für LGBTQI-Rechte

07:04 Minuten
Demonstration für LGBTQI-Rechte in Polen
Die Lage für Polens LGBTQI-Community spitzt sich zu: Auch bei friedlichen Protesten gibt es Festnahmen. © imago images / Eastnews
Von Florian Kellermann |
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Der Druck auf sexuelle Minderheiten im rechtskonservativen und katholischen Polen ist groß. Das führt dazu, dass sich inzwischen sogar die Clubszene, die sich lange apolitisch gezeigt hat, für LGBTQI-Rechte einsetzt.
Aggressive Klänge und im Hintergrund eine aggressive Stimme – für seinen Song "Ignoranz Ha" hat Kajetan Lukomski alias Avtomat eine Rede von Krystyna Pawlowicz, ehemals Abgeordnete der polnischen Regierungspartei PiS, heute Verfassungsrichterin gesampelt.
Kaum eine polnische Politikerin hat die LGBTQI-Community so oft beleidigt wie sie. Homosexualität sei krank und müsse geheilt werden, sagt sie. Sie sieht Schwule und Lesben sogar im Pakt mit dem Teufel.
Der Warschauer Künstler Avtomat hat "Ignoranz Ha" im vergangenen Jahr veröffentlicht. Zurzeit ist er im Studio, um eine EP mit mehreren Titeln genau um dieses Thema herum zu produzieren:
"Immer mehr rechtsgerichtete Politiker äußern sich zur LGBTQI-Community in einer völlig idiotischen Art und Weise. Das werde ich in diese Musik einfließen lassen. Das wird eine EP mit elektronischer Musik. Gleichzeitig möchte ich, dass sie einen rituellen Charakter bekommt, dass sie unsere schwierige Wirklichkeit entzaubert."

Trotz friedlicher Proteste verhaftet

Kajetan, Komponist, DJ und Produzent, bezieht sich auf Worte, denen in Polen auch Taten folgen. Die homofeindliche Rhetorik von Politikern habe dazu beigetragen, dass die Gewalt gegen nicht heteronormative Menschen zugenommen hat. Er traue sich in seinem Warschauer Wohnviertel nicht mehr ohne Pfefferspray auf die Straße, sagt der 33-Jährige. Vor Schwulen- und Lesben-Clubs tauchen immer wieder Rechtsradikale auf und greifen die Besucher an.
Ein besonderer Schock war für Kajetan, was sich Anfang August in der Warschauer Innenstadt ereignete. Die Polizei nahm Menschen fest, die friedlich gegen die Festnahme einer LGBT-Aktivistin protestierten.
Kajetan war unter denen, die abgeführt wurden, 24 Stunden lang habe er niemanden kontaktieren dürfen: "Manche hatten noch weniger Glück. Einem Freund drohten Beamte damit, dass sie ihn vergewaltigen würden. Und eine Bekannte, die zwei Kinder hat, durfte wie ich niemanden kontaktieren. Die Kinder blieben einfach ohne Betreuung alleine. Für manche gab es Schläge, es gab sexuelle Belästigung. Das war alles andere als lustig."

Die Regierung nimmt Einfluss auf die Kultur

Kajetan wurde gerade noch rechtzeitig freigelassen, um zu seiner Party im Warschauer Ujazdowski-Schloss zu kommen – zum Abschluss seiner Künstlerresidenz im dortigen Zentrum für Gegenwartskunst. Genauer: der Künstlerresidenz der von ihm mitgegründeten Gruppe Oramics, einer Plattform, die innerhalb der elektronischen Musikszene Frauen unterstützt, ebenso queere und nicht-binäre Personen.
Das Residenzprogramm für Oramics sollte ein Meilenstein werden – für die Akzeptanz bewusst queerer polnischer Künstler. Doch etwas Vergleichbares wird es vorerst nicht mehr geben. Die rechtskonservative Regierungspartei PiS hat den Direktor des Zentrums für Gegenwartskunst ausgetauscht, jetzt zieht dort ein konservativer Wind ein.
Doch institutionelle Hilfe sei gar nicht mehr so entscheidend, die Klubszene werde aus eigener Initiative politisch immer aktiver, sagt Lukasz Warna-Wieslawski aus Krakau. Der DJ und Produzent war bis vor Kurzem Co-Kurator des Unsound-Festivals in Stettin.
"Dieses Milieu war sehr lange apolitisch", sagt er. "Seit fünf Jahren ändert sich das. Die erste derartige Initiative in der Clubszene war die Warschauer Party ‚Brutaz‘. Deren Gründer hat konkret gefragt: Was wollen wir erreichen, um welche Personen sollten wir uns kümmern? Seitdem ist die Clubmusik nicht mehr nur Unterhaltung, jetzt fragen wir auch, wer von uns Hilfe braucht."

Partys, die an die 80er-Jahre in New York erinnern

Seitdem sind immer mehr Initiativen entstanden. Künstler stellten ein Album mit dem Titel "Total Solidarity" zusammen. Dessen Erlös ging unter anderem an die Nicht-Regierungsorganisation "Kampagne gegen Homophobie", die mit dem Geld wiederum Künstler aus der LGBT-Szene in kleineren Städten unterstützt, wie Lukasz Warna-Wieslawski beschreibt:
"Dann ist die Party 'Ball bei Bozena' entstanden, inspiriert durch Bälle, wie es sie in den 1980er-Jahren in New York gab – eine Queer-Kultur wie wir sie aus Filmen wie 'Paris is burning' kennen. Eine Reihe von inklusiven Veranstaltungen hat begonnen, für wohltätige Zwecke zu sammeln."
Das direkte Eintreten für die LGBTQI-Community ist das eine, das andere die künstlerische Verarbeitung des Themas. Neben Kajetan Lukomski alias Avtomat sticht hier ein Frauen-Duo heraus. Siksa nennen sie sich. Ihr jüngstes Werk "Proste hasla" – "Einfache Parolen". Es besingt den Kampf um Freiheit in einer feindlichen Welt. "Wir werden von euch niedergetrampelt und erniedrigt", heißt es da, aber auch: "Unsere Stärke ist der Mut, Illegales zu tun, im Lichte der Gesetze im Unrechtsstaat."
Warna-Wieslawski macht das Hoffnung: "Das ist stark, einfach sehr stark. Ich kann mir vorstellen, wenn das jemand hört, der dem Ganzen bisher neutral gegenübergestanden hat, der kann von so einer Musik schon aufgerüttelt werden."
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