Eine Strategie gegen den Hass auf Facebook
Angesichts der Ressentiments, die in den sozialen Netzwerken herrschen, könnte man manchmal aus der Haut fahren. Dabei fühlen sich die Verfasser von Hass-Postings durch ihr persönliches Netzwerk noch bestärkt. Doch was tun? Die Diskursethik könnte helfen.
Blasen gibt und gab es auch im Analogen – zum Beispiel als Bild-Blase, faz-Blase, taz-Blase. Denn auch ein Zeitungsabonnement ist eine Form des weltanschaulichen Filters. Und keine von ihnen hat das Abendland je zum Platzen gebracht.
Es gibt allerdings einen gewaltigen Unterschied zwischen den Zeitungs- und den Social-Media-Blasen – die Zeitungen nehmen sich als gestalterisches Organ der Gesellschaft ernst. Sie gehen davon aus, dass ihre Inhalte zumindest in Teilen gesellschaftlich wirksam werden und dass sie deshalb Verantwortung für deren Vertretbarkeit tragen.
Anders die Facebook-Hater. Denen scheint es herzlich egal zu sein, ob ihre Forderungen gesellschaftlich vertretbar sind oder nicht. Das müsste den Rest der Welt nicht interessieren, griffe die rhetorische Raserei der digitalen Wutbürger nicht die Grundrechte einiger Mitmenschen und damit die Grundlagen der Demokratie an.
Facebook-Hater treten Minimalkonsens der Demokratie mit Füßen
Jede Demokratie fußt auf einer Minimal-Version des Guten, dem geteilten Selbstverständnis nämlich, dass ihre Bewohner alle Gleichwertige unter Gleichwertigen sind. Genau die treten die Wutbürger auf Facebook aber mit Füßen, zum Beispiel dann, wenn sie Menschen mit Tieren vergleichen oder sogar zu ihrer Tötung aufrufen.
Wie soll eine demokratische Gesellschaft also mit Gruppen umgehen, die ihre eigenen Voraussetzungen infrage stellen? Oder anders gefragt: Wie nimmt man der teils menschenverachtenden Digital-Blase ihr bedrohliches Schillern?
Vielleicht muss man an dieser Stelle auch über den Zusammenhang zwischen Kommunikationsform und Inhalt nachdenken. Eine der großen Einsichten der Diskursethik besteht darin, dass die Form auf den Inhalt wirkt.
Man denke an den berühmten zwanglosen Zwang des besseren Arguments. Natürlich geht es Jürgen Habermas dabei um einen Idealtyp der Kommunikation und nicht um eine auf Dauer gestellte politische Praxis. Trotzdem legt die Diskursethik nahe, dass sich in demokratischen Gesellschaften vor allem die Form qualifizieren muss, damit sich der Inhalt frei entfalten kann. Habermas‘ berühmter zwanglose Zwang des besseren Arguments kann sich eben nur in einer freien und gleichen Diskussion durchsetzen.
Einbeziehung aller Argumente unter dem Vorzeichen gegenseitigen Respektes
Auch auf Facebook gibt es einen Zusammenhang zwischen Form und Inhalt: Hier wird zum einen unter dem Schirm eines transnationalen Privat-Unternehmens diskutiert, dessen kuratorische Funktion – oder besser Dysfunktion – nicht öffentlich kontrolliert werden kann.
Zum anderen legt sein Herzstück, die Kommentarfunktion, das Pamphlet näher als das Argument. Pamphlete wollen zuspitzen und übertreiben; sie wollen also gerade nicht abwägen und verallgemeinern.
Weder der Rahmen noch die Instrumente qualifizieren Facebook also als Form und Forum des demokratischen Streits. Die Diskursethik empfiehlt uns dagegen die Integration der Betroffenen in eine Diskussion unter dem Vorzeichen des gegenseitigen Respektes. Dort sind alle dazu angehalten ihre Perspektive als reale Option für die Gesellschaft ins Spiel zu bringen. Und damit deren gesellschaftliche Wünschbarkeit unter Beweis zu stellen.
Anders formuliert: In einer ehrlichen Diskussion wären die Facebook-Wüteriche dazu aufgefordert, ihre eigenen Inhalte tatsächlich ernst zu nehmen.
Ein produktiver Streit außerhalb von Facebook würde entlarvend wirken
Ganz im Sinne des zwanglosen Zwangs des besseren Arguments würde dann hoffentlich auffliegen, dass rassistische Ressentiments nur Wenige wirklich überzeugen können. Aus dieser Perspektive wird eines deutlich: Nicht die rassistische Social-Media-Blase ist das größte Problem – sondern das aktuelle gesellschaftliche Unvermögen, diese Blase zu übersetzen in produktiven Streit.
Es genügt nicht, diese Aufgabe den Parteien und Parlamenten zu überlassen. Wahrscheinlich haben wir es also auch hier mit einem Problem von Form und Inhalt zu tun: Es könnte sein, dass die Mittel der repräsentativen Demokratie für die Integration des Streits nicht genügen.
Denn der Verdacht liegt nahe, dass das Ausmaß dieser digital formulierten Wut, neue Formen und Institutionen des Streits nötig macht.
Diese neuen, partizipativen Streiträume gilt es zu erfinden.