Sollen leere Kirchen zu Moscheen werden?
In Frankreich stehen viele Kirchen leer. Eine mögliche Umwidmung in Moscheen wird dort zurzeit heftig diskutiert. Während der islamische Würdenträger Dalil Boubakeur gute Gründe dafür nennt, unterstützt Ex-Präsident Nicolas Sarkozy die Gegner.
"Wenn ich mir anschaue, wie viele Moscheen in diesem Land fehlen, wo Moslems in Frankreich überall beten müssen, in Industriegebieten, ehemaligen Kasernen, 18.000 Menschen warten auf einen Gebetsraum."
Etwa 2500 Moscheen gibt es in Frankreich bislang, dazu kommen 300, die sich gerade im Bau befinden, und trotzdem reicht es nicht. Daher konterte Boubakeur die Frage des Moderators, warum er Kirchen in Moscheen umwandeln wolle, mit einer Gegenfrage:
"Warum nicht? In Clermont-Ferrand habe ich christliche Gläubige vorgefunden, die Moslems willkommen geheißen haben."
Clermont-Ferrand als Vorbild
Und tatsächlich, in Clermont-Ferrand, ziemlich in der Mitte Frankreichs, wurde eine Kapelle der Schwestern des Heiligen Joseph in eine Moschee umgewandelt – vorübergehend, bis die Moslems 2011 in ihre eigene, dann fertiggestellte Moschee umziehen konnten. Mittlerweile gehört die Kapelle orthodoxen Christen. Für die Schwestern und den Bischof war der vorübergehende Einzug der Moslems kein Problem, sie hatten schließlich ihre eigene Kirche in unmittelbarer Nähe. Und auch die Gläubigen zeigten sich unbeeindruckt.
Es gibt nicht viele Fälle von Kirchen, die in Moscheen umgewandelt werden, darüber hinaus sind keine genauen Zahlen bekannt, weil die Kirchen in Frankreich nicht zentralistisch verwaltet werden. Trotzdem: Jedes Mal, wenn das Thema auf den Tisch kommt, schlägt es Wellen. Nach der Ankündigung Boubakeurs vom Juni veröffentlichte die konservative Zeitschrift "Valeurs actuelles" einen Aufruf: "Touche pas à mon église!" – Rühr meine Kirche nicht an!
"Eine Kirche ist keine Moschee. Und zu behaupten, dass die Riten die gleichen sind, wie das Dalil Boubakeur macht, zeugt von einem skandalösen Realitätsverlust. Egal, ob sie Gläubige, Agnostiker oder Atheisten sind, die Franzosen sehen mit ihrem Herzen, was zehntausende Kirchtürme auf unserem Boden bedeuten: Sie sind das kulturelle Gedächtnis unseres Landes."
Ex-Präsident Sarkozy unterstützt die Gegner
Zu den prominenten Unterzeichnern des Aufrufs gehörte der Vorsitzende der Republikaner und ehemalige Staatspräsident Nicolas Sarkozy. Was ihm wiederum prompt den Vorwurf der Sozialisten einbrachte, die Welle des rechtsextremen Front National zu reiten:
"Das zeigt doch, dass er alle Register zieht, um die Wähler des Front National auf seine Seite zu ziehenl, die sonst zu Marine Le Pen tendieren würden."
Der Front National hatte sich in dieser Frage per Twitter gewohnt gallig geäußert. Von Kirchenseite blieben die Stimmen verhalten, auch wenn der Jesuit Henri Madelin gegen den Vorschlag argumentierte:
"In finanzieller Hinsicht ist das problematisch, aber auch historisch gesehen: Es gab viele Kämpfe zwischen Kirchen und Moscheen, aber die Franzosen kennen auch die Hagia Sophia, eine Kirche, die später eine Moschee wurde."
Die katholische Kirche passt sehr genau auf
In Frankreich ist die Rechtslage im Prinzip klar. Um Kirchen, die vor 1905, also vor der Trennung von Kirche und Staat, gebaut wurden, müssen sich die jeweiligen Kommunen kümmern, den Unterhalt und die Renovierung gewährleisten. Kirchen, die nach 1905 gebaut wurden, gehören den Diözesen bzw. den religiösen Organisationen. Es ist allerdings nicht immer einfach, eine Kirche in eine Moschee umzuwandeln, meint Pater Madelin:
"Die katholische Kirche passt sehr genau auf, wer das Gebäude letztlich nutzt oder kauft – ich muss ja nicht erklären, bei den aktuellen Spannungen in der Welt, bei denen der Islam eine schwierige Rolle spielt. Wenn das Geld aus Saudi-Arabien kommt, das zum Heiligen Krieg aufruft, dann wird der französische Staat auch sagen: Das ist Wahnsinn!"
In Lille wurde ebenfalls eine Kapelle der Dominikanerinnen in eine Moschee umgewandelt. Am Anfang gab es noch Bauchschmerzen in der Nachbarschaft, das habe sich mittlerweile gelegt, sagt der Rektor. Der Tenor der Anwohner lautet heute: Lieber eine Moschee als eine Diskothek.