Organspende – Warum tun wir uns so schwer damit?
Darüber diskutiert Vladimir Balzer heute von 9 Uhr 05 bis 11 Uhr mit Klaus-Martin Albrecht und Bruno Meiser. Hörerinnen und Hörer können sich beteiligen unter der Telefonnummer 0800 2254 2254, per E-Mail unter gespraech@deutschlandfunkkultur.de – sowie auf Facebook und Twitter.
Organspende – Warum tun wir uns so schwer damit?
90:41 Minuten
Die Zahl der Organspender ist auf den niedrigsten Stand seit 20 Jahren gesunken. Wie kann man dagegen angehen? Und was passiert eigentlich, wenn ein Spenderorgan nicht mehr leistungsfähig ist? Darüber sprechen wir mit einem Transplantationsmediziner und einem Betroffenen.
Diese Frage verdrängen viele: Will ich meine Organe nach meinem Tod spenden oder nicht? Zwar sagen mehr als 70 Prozent in Umfragen, dass sie einer Spende grundsätzlich positiv gegenüber stehen. Aber nur 35 Prozent haben einen Spenderausweis. Diese Diskrepanz hat Folgen: Haben im Jahr 2010 noch 1296 Personen gespendet, waren es Ende 2017 noch 797 - das ist der niedrigste Stand seit 20 Jahren. Die Zahl der gespendeten Organe sank von 4205 auf 2594. Dem gegenüber stehen mehr als 10.000 Patienten, die auf ein Herz, eine Niere oder eine Leber warten. Jeder dritte von ihnen stirbt, bevor ein Organ gefunden werden kann.
"Die niedrigen Organspende-Zahlen sind eine medizinische Katastrophe", sagt Bruno Meiser, Leiter des Transplantationszentrums München und Präsident von Eurotransplant. Die Stiftung ist für die Verteilung von Spenderorganen in acht europäischen Ländern zuständig, darunter auch in Deutschland.
Eigentliches Problem bei den Krankenhäusern
Die geringe Spendenbereitschaft sei dabei nur eine Ursache. "Das eigentliche Problem liegt bei den Krankenhäusern, in denen die Organe entnommen werden könnten: Es gibt dort zu viele Hürden für die Organspende, positive Anreize fehlen ebenso wie Sanktionen." In vielen Kliniken fehle das Fachpersonal, zum Beispiel Transplantationsbeauftragte und Fachärzte, um den Hirntod eines potenziellen Spenders zuverlässig festzustellen. Die Folge: Kliniken scheuten den Aufwand einer Transplantation und meldeten mögliche Spender nicht an die Deutsche Stiftung Organtransplantation – obwohl sie gesetzlich dazu verpflichtet seien. Das müsse dringend geändert werden: "Ein 'Geht bei uns nicht' darf es nicht geben. Wir müssen dringend für ein Klima in den deutschen Kliniken sorgen, das die Organspende fördert."
Der Transplantationsmediziner unterstützt Teile des Gesetzesvorstoßes von Bundesgesundheitsminister Jans Spahn (CDU); damit soll unter anderem die Situation in den Krankenhäusern verbessert werden. Und er unterstützt Spahns Vorschlag, eine Widerspruchslösung für die Organspende einzuführen. Ihr zufolge ist jeder Spender, solange er nicht zu Lebzeiten widersprochen hat – oder die Angehörigen nach seinem Tod.
Warten auf die zweite Spenderniere
"Das war zunächst eine Katastrophe, wenn man im besten Alter aus dem Leben gerissen wird", sagt Klaus-Martin Albrecht. Der 73-jährige Berliner lebt seit 20 Jahren mit einer Spenderniere. Mit Anfang 50 versagt eine seiner Nieren – und er hatte Glück: Nach "nur" 22 Monaten an der Dialyse bekam er ein Spenderorgan. Die durchschnittliche Wartezeit bei Nierenpatienten liegt bei sechs Jahren. Die neue Niere habe ihm ein "freies selbstbestimmtes Leben" geschenkt. "Ich habe einen Brief an die Hinterbliebenen geschrieben, um den Angehörigen Trost zu spenden. In dem Sinne: Ihr habt mir etwas Gutes getan mit der Spende."
Nach 20 Jahren lasse nun die Kraft der gespendeten Niere nach; es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis Klaus-Martin Albrecht wieder an die Dialyse muss. Aber er gibt die Hoffnung auf eine weitere Spende nicht auf: "Nach oben gibt es keine Grenze."
Weitere Informationen im Internet:
Über Prof. Dr. Bruno MeiserInformationen über die Organspende