Diskussion über "Auschwitz on the beach"

Franco Berardi verteidigt nach Absage sein Werk

Franco Berardi
Franco Berardi, italienischer Schriftsteller © imago/Hartenfelser
Von Ludger Fittkau |
Die umstrittene Performance "Auschwitz on the beach" und das Gedicht dazu: Die documenta hat beides aus dem Programm genommen. Am Donnerstag wurde dennoch mit Franco Berardi darüber diskutiert - und der Schriftsteller prangerte erneut die italienische Flüchtlingspolitik an.
"Shame on Us" – der neue Name der Veranstaltung der documenta 14, die ursprünglich "Auschwitz on the beach" heißen sollte. Franco Berardi, der italienische Künstler, der eigentlich die Performance mit dem Vergleich der europäischen Flüchtlingspolitik und Auschwitz veranstalten wollte, zerriss theatralisch sein Gedicht, das der Performance zugrunde liegen sollte. Er bereue es nicht, es geschrieben zu haben, sagte er auf Nachfrage eines Kollegen des Hessischen Rundfunks, aber er wolle lieber den Mantel des Schweigens drüber hüllen und werde es künftig nicht mehr verwenden.

Berardi kritisiert Ausbeutung des Südens

Doch fast im gleichen Atemzug griff Berardi wieder zum Begriff "Gauleiter", um den italienischen Politiker Marco Minniti und die gesamte, wie er sagte, "faschistische Regierung" Italiens wegen ihrer Flüchtlingspolitik anzugreifen. Da bemühte der den nord-koreanischen Präsidenten Kim Jong Un um zu verdeutlichen, das 500 Jahre westlicher Kolonialismus und die Ausbeutung des Südens letztendlich zu einem globalen Gewaltsystem und zum nun herrschenden Finanzkapitalismus geführt hätten, das nun die Armen und Ausgebeuteten dieser Welt nicht länger hinnehmen.

"Also seit 500 Jahren ist die weiße westliche Rasse in der Lage, zu dominieren, zu plündern, zu morden, zu vergewaltigen und zu vernichten, einfach weil sie stark ist! Die ´Anderen` waren es nicht." Doch heute Morgen, so Berardi, habe er eine Erklärung des nordkoreanischen Präsidenten, Kim Jong Un gelesen, der sagt: die westlichen Völker sollten aufwachen! Aus ihren alten Traum, aus ihrem alten Weg des Denkens, dass ihr Land sicher sei und der Tod nur eine Angelegenheit anderer sei. Nun, so Kim Jong Un, sei der Tod auch eine Sache des Westens.
Berardi sieht den Westen im Krieg mit dem nach Rache dürstenden Süden und die Flüchtlinge am Mittelmeer sind aus seiner Sicht gewissermaßen Kriegsopfer in diesem lang- andauernden Kolonialkrieg! Er persönlich schäme sich dafür, dass er den Faschismus, den er bereits wieder in Europa aufziehen sieht, nicht verhindern könne.

Berardi und ein "verschwörungstheoretisches Weltbild"

Anschließend gab es noch eine Diskussion mit rund 100 Teilnehmern, davon etliche documenta-Mitarbeiter. Die Debate war ruhig, ohne Störungen, aber durchaus kontrovers. Georg Martin war einer der ersten, der sich mit einem kritischen Beitrag meldete und Berardi ein stark "verschwörungstheoretisches Weltbild" vorwarf. Andere verteidigten Berardi, der mit seinem "Auschwitz-Vergleich" ja vor allem habe Wachrütteln wollen, das Schicksal der Flüchtlinge nicht aus den Augen zu verlieren.
Documenta-Chef Adam Szymczyk saß anderthalb Stunden lang schweigend neben Berardi, der ja durchaus so etwas wie der "Vordenker" dieser documenta ist. Sein Mitarbeiter Paul B. Preciado hatte es gleich zu Beginn der Veranstaltung übernommen, sich im Namen der documenta von jedwedem Antisemitismus zu distanzieren und zu betonen, dass man sich mit der Absage von "Auschwitz on the beach" keiner Zensur unterworfen habe.
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