Diskussion um Bundeswehr-Auftrag

Von Rolf Clement |
Die strikte Trennung zwischen Einsatz im Inneren und Einsatz gegen Bedrohung von außen hat historische Gründe, die sich längst überlebt haben. Bei der Gründung der Bundeswehr legte man nach den Erfahrungen aus dem Dritten Reich großen Wert darauf, dass die Innere Sicherheit nur die Polizei, die äußere nur die Bundeswehr sicherstellen sollte.
Für die normalen Grenzkontrollen, die nicht mit einer Bedrohung in Verbindung standen, bildete man zusätzlich noch den Bundesgrenzschutz. In der damaligen DDR verfuhr man ähnlich. Damals waren die Risiken noch klar zu trennen: Ein Angriff von außen war ein militärischer, was im Inneren stattfinden könnte, waren Unruhen oder Demonstrationen.

Das hat sich nun aber geändert: Der breit angelegte militärische Konflikt ist zwar immer noch ein Risiko – die Bundeswehr als Bündnisarmee darf sich nicht nur auf die Lage in Mitteleuropa konzentrieren, sondern muss das gesamte NATO-Gebiet im Auge haben. Virulenter sind aber Risiken, die sich nach alten Kategorien nicht mehr sortieren lassen. Dem muss die Politik Rechnung tragen. Das bedauerliche an der Haltung der Sozialdemokraten in der Koalition ist, dass sie diese Veränderung nicht in entsprechende Maßnahmen umzusetzen bereit sind. Mit der strikten alten Trennung ist Sicherheit heute nicht mehr so effektiv wie es möglich zu gewährleisten. Dabei springt aber auch die Union nicht weit genug. Es geht nicht nur darum, der Bundeswehr eine eigene Zuständigkeit im Inneren zu geben, dort, wo sie die besseren Fähigkeiten hat, sondern auch darum, sie im Ausland dort zu entlasten, wo die Polizei die besseren Fähigkeiten hat.

Nötig ist ein Umdenken von der regionalen Betrachtungsweise zu einer, die sich eben an diesen Fähigkeiten orientiert. Die Feuerwehren werden mit teuren Spürgeräten gegen biologische und chemische Wirkstoffe ausgerüstet, die die Bundeswehr längst hat. Bei den Feuerwehren müssen Leute neu ausgebildet werden, müssen Logistikstrecken neu aufgebaut werden, um dann, wenn es richtig ernst wird, doch die Bundeswehr über aufwändige Amtshilfeersuchen zur Hilfe zu holen.

Andersherum: Wenn im Einsatzgebiet der Bundeswehr militante Demonstranten ihr Unwesen treiben, ist die Bundeswehr für diese Lage nur mäßig ausgerüstet und kaum ausgebildet. Vor zwei Jahren nach den Kosovo-Krawallen musste die Bundeswehr neues Gerät beschaffen und die Ausbildungsgänge verändern. Ein überzeugendes Konzept wäre es also, die Aufgaben entlang dieser Fähigkeitsprofile zuzuweisen und jede regionale Betrachtungsweise zu überwinden. Natürlich: heute ist über das Amtshilfeersuchen schon viel möglich, aber warum dieses Verfahren, das bei überraschenden Schadenereignissen nur unnötig Zeit kostet? Bisher wurde viel einfach gemacht. Es geht also zum einen darum, diese Möglichkeiten des Einsatzes zu verändern. Ob dafür ein neuer Verteidigungsbegriff nötig ist, darf bezweifelt werden. Die verteidigungspolitischen Richtlinien von Minister Struck haben die Ausweitung dieses Begriffs schon formuliert. Sie sollten nun von der gesamten Regierung übernommen werden. Ob es nötig ist, für einen Einsatz im Inneren den Verteidigungsfall auszurufen, ist eine theoretische Bertachtung: Bei Eintritt einer Katastrophe, wie immer sie entstanden ist, muss schnell agiert und geholfen werden. Da nimmt sich hoffentlich keiner die Zeit, erst einmal zu prüfen, ob der Verteidigungsfall ausgerufen werden muss. Da hat man keine Zeit mehr, das nötige Papier zu tippen. Es ist gut, dass die Koalition darüber noch weiter sprechen will, denn nur eine große Koalition hat die Chance, diese Neuorganisation der Sicherheit umzusetzen.