Die Prinzessin, die die Welt retten will
Vaiana ist 16, Prinzessin und die Titelfigur des gleichnamigen Disney-Animationsfilms, der am Donnerstag in die deutschen Kinos kommt. Die Regisseure Ron Clements und John Musker waren vorab bei uns im Studio und haben uns von der Arbeit am Film berichtet.
John Musker und Ron Clements. Zwei Männer, die seit 40 Jahren Kinderträume auf der ganzen Welt angefeuert haben – mit ihren Zeichentrickfilmen wie "Elliot – Das Schmunzelmonster" von 1978, "Arielle - Die Meerjungfrau" 1989 oder "Aladin", absolute Klassiker des Genres. Jetzt haben die beiden ihren ersten computeranimierten Film heraus gebracht. In den Vereinigten Staaten ist "Vaiana – Das Paradies hat einen Haken" ein ziemlich großer Hit zur Zeit.
Vaiana ist 16 und – wir sind in einem Disney Film – sie ist eine Prinzessin eines Pazifikvolkes. Ein Fluch sorgt dafür, dass das Nahrungsmittelangebot auf der Insel langsam knapp wird. Und Vaiana will eine gewagte Reise unternehmen mit der Hilfe des fiesen Halbgottes Maui.
"Vaiana – Das Paradies hat einen Haken" ist ab Donnerstag auch bei uns zu sehen, was uns ja zu den beiden Männern bringt. John Musker und Ron Clements, die Regisseure von "Vaiana". Die beiden haben uns an Thanksgiving schon besucht. Da merkte man ja auch, dass sie als Amerikaner lieber zu Hause am Truthahntisch wären und nicht bei uns im Studio. Waren sie aber, denn sie sind Profis und haben sich die Zeit genommen kurz vor der offiziellen Deutschlandpremiere in Berlin.
Die legendären Seefahrerkünste der Südseebewohner
Patrick Wellinski: Herzlich willkommen. Lassen Sie uns zunächst mal zu den Anfängen von Vaiana gehen. Kam die Idee von Ihnen oder sind Sie drauf gestoßen worden?
John Musker: Nein, wir sind selber mit dieser Idee angekommen. Vor fünf Jahren haben wir nach einer Idee für einen neuen Film gesucht, und mich haben die Pazifischen Inseln schon immer fasziniert. Ich hatte Bücher gelesen, die dort spielen, Bilder von Paul Gauguin und Skulpturen von dort gesehen. Das erschien mir eine sehr reiche Kultur zu sein, sehr visuell, sehr einladend. Das brachte mich dazu, mich in polynesische Mythologie einzulesen. Besonders die Geschichte vom Halbgott Maui fand ich gut. Wir daraus dann eine ganz einfache Geschichte mit Maui als Hauptfigur gebastelt, die wir John Lasseter, dem Künstlerischen Leiter von Disney Animation und Pixar, vorschlugen. Er mochte das Setting der Geschichte, er mochte auch die Maui-Figur.
Aber er sagte, wie er es so oft tut: Ihr müsst noch tiefer gehen, das ist ein bisschen oberflächlich, ihr müsst noch mehr recherchieren. Wir wurden also gezwungen, drei Wochen in Tahiti zu verbringen (Lachen im Hintergrund) … Jaaa, das war sehr schwierig… Wir besuchten Tahiti, Samoa, Fidschi und einige der anderen Inseln, so konnten wir direkt erleben, wie stolz die Leute dort auf ihre Vergangenheit als beste Segler der Welt waren, die ohne irgendwelche Instrumente navigierten, allein mit ihrem Wissen über die Sterne und die Strömungen. Wir haben von Anthropologen und Dorfbewohnern gelernt, dass sie das Meer als ein lebendiges Wesen betrachten mit Gedanken und Gefühlen. Als wir nach Los Angeles zurückkamen, änderten wir die Story. Wir schufen Vaiana, die davon träumt, eine Reisende zu werden. Wie einst ihre Vorfahren. Diese Idee brachten wir John Lasseter - der gab uns Grünes Licht und so ging alles los.
Vaiana, die "Bad-Ass-Prinzessin"
Susanne Burg: Nun gibt es ja schon viele Südsee-Bilder, die Künstler geschaffen haben. Paul Gauguin, den Sie erwähnen, ist einer von ihnen. Murnau ein anderer. Wie sehr waren Sie selbst von diesen Bildern, diesen Mythen, geprägt und wie schwierig war es für Sie, eigene Bilder zu erschaffen?
John Musker: Wir wollten die Geschichte in der echten Welt von vor 2000 Jahren ansiedeln. Aber es bleibt eine ausgedachte Story, in der wir historische Details der Kultur, Kleidung oder Tänzen unterbringen mussten. Dabei durften wir nicht vergessen, dass es eine Geschichte für ein weltweites Publikum werden sollte, das diese Dinge gar nicht kennt.
Ron Clements: Auch von der Figur des Halbgottes Maui gibt es viele verschiedene Versionen. Er ist pan-pazifisch, fast jede Insel verfügt über eine eigene Version von ihm, in manchen ist er eine Art entschlossener Supermann, in anderen ist er eher lustig und trickreich, ein liebenswerter Typ, aber man weiß nie, was er als nächstes tun wird. Diese Version des witzigen Schwindler-Halbgottes hat uns am meisten angezogen.
Patrick Wellinski: Aber die Hauptfigur ist immer noch Vaiana, und sie ist nicht gerade die typische Disney-Prinzessin, sie sucht keinen Prinzen, sondern ist fast schon ein Action-Held…
Ron Clements: Was die weiblichen Heldinnen betrifft, haben wir schon vorher mit einigen Prinzessinnen zu tun gehabt, mit Arielle oder Jasmin, aber diese hier, Vaiana, ist, ziemlich einzigartig. Sie ist nicht auf der Suche nach Romantik, sie hat die Mission, ihre Welt zu retten. Wenn sie versagen würde, wären die Folgen desaströs. Sie ist gezwungen, sich mit einem schwindelnden Halbgott zusammenzutun. Und sie ist wirklich eine Action-Heldin. Wir nennen sie eine Bad-Ass-Prinzessin, eine knallharte Prinzessin.
Dem Sound der Inseln treu bleiben
Susanne Burg: Manchmal fängt sie an zu singen, manchmal Maui. Musik ist in den Disney-Animationsfilmen schon immer sehr wichtig gewesen. Bei den Klassikern oft auch in Form eines Musicals. Wie sehr wollten Sie mit Vaiana diese klassische Musical-Form würdigen oder ihr treu bleiben?
John Musker: Wir wollten eigentlich zwei Dingen treu bleiben: Die Inseln selber haben ihre eigenen Sound. Darum haben wir Musiker von diesen Inseln gesucht, die das originalgetreu rüberbringen können. So haben wir den Musiker Opetaia Foa‘i gefunden. Er ist in Samoa aufgewachsen und war unser musikalischer Bezug zu den Inseln. Wir hatten Songs von ihm und seiner Band gehört, die entweder auf Samoanisch oder auf Tuvaluisch waren, der Sprache seiner Eltern, und sie weckten viele Assoziationen bei uns. Wir mögen es, wenn unsere Figuren singen, ihre Gefühle in Liedern ausdrücken, weil es die Emotionen verstärkt und weil es einfach eine Form von Unterhaltung ist, die wir schon immer mochten. Und es gehört zum klassischen Disney-Stil. Auch bei Arielle, Aladin, Herkules, Küss den Frosch mochten wir den Einsatz von Musik, darum haben wir das auch hier so gemacht.
Ron Clements: Wir haben also ein musikalisches Team aufgestellt. Wir haben Opetaia Foa‘I mit Mark Mancina zusammengebracht, einem großartigen Komponisten, der auch schon beim König der Löwen mitgearbeitet hatte. Dazu haben wir dann noch Lin-Manuel Miranda geholt, weil wir noch jemanden aus dem Bereich des Theaters brauchten. Das war ungefähr vor drei Jahren. Er singt großartig, er ist sehr klug, sehr leidenschaftlich, hat tolle Ideen.
Susanne Burg: Und das war, bevor Hamilton so ein großer Erfolg wurde…
Ron Clements: Ja, Hamilton ist ein Riesen-Phänomen. Dadurch ist das Musical praktisch neu erfunden worden. Es ist unglaublich, Lin war auf dem Cover des Time-Magazine. Aber das kam erst, nachdem wir angefangen hatten mit ihm zu arbeiten.
(Moderation: John Musker und Ron Clements. Die Regisseure von Vaiana. Ja, da ist ja gerade der Name gefallen, der in Amerika Begeisterungsstürme hervorruft. Lin Manuel-Miranda. Das Mastermind hinter dem erfolgreichsten Broadway-Spektakel der letzten Zeit. Hamilton, ein Rap-Musical über Alexander Hamilton, einem der Gründungsväter der USA und erster Finanzminister der USA, mit einem Ensemble, das nur aus Afro-Amerikanern und Hispano-Amerikaner besteht. Es wird von vielen als das derzeit wichtigste kulturelle Artefakt Amerikas bezeichnet.
Die Shows sind jetzt schon bis in den Oktober 2017 restlos ausverkauft. Kartenpreise beginnen bei 300 Dollar aufwärts.
Und dieser Lin-Manuel Miranda wurde natürlich längst von Hollywood abgeworben und hat halt die Songs für Vaiana geschrieben und man hört gewisse Parallelen zu Hamilton. Wie hier in "We know the way".
Die Shows sind jetzt schon bis in den Oktober 2017 restlos ausverkauft. Kartenpreise beginnen bei 300 Dollar aufwärts.
Und dieser Lin-Manuel Miranda wurde natürlich längst von Hollywood abgeworben und hat halt die Songs für Vaiana geschrieben und man hört gewisse Parallelen zu Hamilton. Wie hier in "We know the way".
"Wir streiten uns andauernd" - "Nein, nie"
We Know The way, der sicherlich größte Ohrwurm auf dem Soundtrack von Vaiana dem Disney-Film, der nächsten Donnerstag zu uns in die Kinos kommt.
Und wir haben noch weitergeredet mit den Regisseuren John Musker und Ron Clements.
Zwei Männern, die eingespielt sind, das merkt man wenn man ihnen gegenüber sitzt. Die beiden verstehen sich sehr, sehr gut.)
Und wir haben noch weitergeredet mit den Regisseuren John Musker und Ron Clements.
Zwei Männern, die eingespielt sind, das merkt man wenn man ihnen gegenüber sitzt. Die beiden verstehen sich sehr, sehr gut.)
Patrick Wellinski: Sie beide arbeiten schon über 30 Jahre zusammen – Sie haben den ersten Film gemacht, den ich jemals im Kino gesehen habe.
John Musker: Welcher?
Patrick Wellinski: Arielle, die Meerjungfrau. Was ist ihr Geheimrezept für diese lange, erfolgreiche Zusammenarbeit? (im Folgenden unterbrechen sich die beiden dauernd)
John Musker: Wir streiten uns nie…
Ron Clements: Wir streiten uns andauernd.
John Musker: Wir streiten uns nie wirklich. Manchmal vielleicht…
Ron Clements: Er weiß nicht, wovon er spricht… Wir streiten uns permanent….
Susanne Burg: Und Sie lassen einander immer ausreden…
Ron Clements: Wir sind sehr höflich…
"Wir waren beide Disney-Fans"
John Musker: Zum Glück haben wir zwei Mikros…
Ron Clements: Wir haben einige Gemeinsamkeiten. Wir sind ungefähr gleich alt, kommen beide aus dem mittleren Westen der USA. Als Kinder haben wir die gleichen Fernsehsendungen gesehen…
John Musker: Und natürlich die gleichen Disney-Filme…
Ron Clements: Und wir waren beide Disney-Fans und haben fast gleichzeitig bei den Disney-Studios angefangen…
John Musker: Ja, wir haben vor 43 Jahren dort angefangen. Wir haben einen ähnlichen Geschmack. Und wenn wir schreiben, dann ist Ron normalerweise besser darin, Geschichten zu strukturieren und für die emotionale Ebene zu sorgen, und ich arbeite mit dem Humor und den Action-Elementen. Wir ergänzen uns also ganz gut.
Susanne Burg: Es ist faszinierend, wie viel sich in der Welt des Animationsfilms geändert hat, seit Sie beide im Geschäft sind, zum Beispiel, was die vorhandenen Technologien betrifft. Wie war das für Sie als Pioniere der Zeichentrickfilme, Ihren ersten computeranimierten Film zu machen?
John Musker: Das war eine Lern-Erfahrung. Bei klassischem Zeichentrick kann man einfach mit einem weißen Blatt Papier und einem Bleistift anfangen, eine Figur zu entwickeln. Aber bei der Computeranimation muss man eine Figur erst aufbauen, man muss am Computer das Skelett eines Körpers entwickeln, eine Art Rüstung, in der man ihn wie eine Marionette bewegen kann, man muss den drei-dimensionalen Raum erschaffen, in dem sich die Figur bewegen wird. Das ist also eine längere Aufbauphase. Wenn das aber alles erstmal steht, kann man Dinge schneller wiederholen. Die eigentliche Animation des Films erstreckte sich nur über einen Zeitraum von 6-8 Monaten, für handgezeichnete Animation, wäre das unglaublich schnell.
Ein Riesenpublikum für Animationsfilme
Susanne Burg: Es gab eine Zeit, als alle Welt auf den nächsten Disney-Film gewartet hat, den Film des Jahres… Heutzutage kommt fast wöchentlich oder monatlich ein neuer Animationsfilm auf den Markt. Hebt diese Flut an Animationsfilmen die Qualität des Genres oder verringert es sie?
John Musker: Wir wissen auch von der Konkurrenz im eigenen Haus. Dieses Jahr kamen unser Film Vaiana und Zootopia raus. Manche Animateure haben bei beiden Filmen mitgearbeitet, andere konnten das nicht, weil die beiden Produktionen sich überschnitten – vielleicht gibt es einen Punkt, an dem zu viel produziert wird. Aber ich weiß nicht, ob wir den schon erreicht haben. Man hofft, die Leute nicht zu sehr auszunutzen. Wir müssen ja auch mit den klassischen Spielfilmen konkurrieren. Der Harry-Potter Film kam in den Vereinigten Staaten kurz vor unserem Film heraus und der hat wahrscheinlich ein ähnliches Publikum. Dann kam der neue Star-Wars Film, auch aus unseren Studios – da wird schon gefragt: "Was macht ihr da eigentlich?" Aber ich glaube, das Publikum ist ziemlich groß und sicher auch nicht so träge, dass es nur einen Film sehen möchte. Die Häufigkeit macht die Filme nicht weniger besonders, solange es gute Filme sind, die Aufmerksamkeit verdienen.
Ron Clements: Es gibt heutzutage ein Riesenpublikum für Animationsfilme…
John Musker: und viele Animationsfilme, das ist wirklich beeindruckend.
Patrick Wellinski: Und hoffentlich ein Riesenpublikum für Vaiana. Herr Musker, Herr Clement, vielen Dank, dass Sie sich die Zeit genommen haben. Alles Gute…
John Musker und Ron Clements, die beiden Regisseuren des Disney-Animationsfilms "Vaiana". Zu sehen dann ab Donnerstag.