DIW-Forscher: Griechenland kommt um Umschuldung nicht herum
Griechenland kommt nach Ansicht des Forschungsdirektors für Makroökonomie am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), Ansgar Belke, langfristig nicht um eine Umschuldung herum.
Nana Brink: Im Fokus des Treffens der Kassenwarte der Eurogruppe gestern in Brüssel stand natürlich Portugal, das rund 78 Milliarden Euro zur Bewältigung seiner Krise erhalten soll, und natürlich auch Griechenland. Überschattet wurde das Treffen der EU-Finanzminister natürlich durch die Affäre um den Chef des Internationalen Währungsfonds, Strauss-Kahn. Er gilt ja auch als starker Unterstützer Griechenlands, das wohl auch neue Hilfen brauchen wird. Zumindest hat Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble am Wochenende neue Hilfen für das hoch verschuldete Land nicht ausgeschlossen. Und genau darüber möchte ich jetzt sprechen mit Ansgar Belke, Forschungsdirektor für Makroökonomie am Deutschen Institut für Wirtschaft. Einen schönen guten Morgen, Herr Belke!
Ansgar Belke: Einen schönen guten Morgen!
Brink: Kriegt Griechenland noch die Kurve ohne neue Hilfen?
Belke: Ich denke, da sieht es mittlerweile ziemlich schlecht aus. Griechenland fordert erneut zusätzlichen Aufschub der Kredite, die es bekommen hat. Wenn wir auf die volkswirtschaftlichen Daten schauen, sehen wir ein Budgetdefizit, was nicht signifikant sinkt, eine Schuldenquote, die für 2011 schon über 150 Prozent des BIPs liegt, also doppelt so hoch wie vom Maastrichter Vertrag gefordert. Insgesamt scheinen die Maßnahmen auch nicht so geschneidert zu sein, dass es dort wesentlich vielversprechender aussieht in Zukunft. Es sind irreale Annahmen getroffen worden für die Einnahmeerhöhung im Steuerbereich und die Konjunktur ist schlecht – nicht zuletzt wegen der verordneten Sparmaßnahmen. Also insgesamt, würde ich sagen, sind wir an einem Punkt angelangt, wo die Sache auf des Messers Schneide steht.
Brink: Und wie muss es dann weitergehen jetzt?
Belke: Ja, meiner Ansicht nach deuten die Märkte an, wofür es weitergehen soll. Wir sehen, dass die Spreads, die sogenannte Differenz der griechischen Zinsen über die deutschen, die als die zuverlässigsten Anleihen gelten, bei 25 Prozent über zwei Jahre liegen. Und das ist das Maximum. Bei längerer Laufzeit haben wir wieder geringere Zinsen, sodass die Märkte einpreisen, dass der Schuldenschnitt, wie wir das nennen, die Umschuldung in zwei Jahren kommt. Jetzt noch nicht, weil die großen Akteure wie Europäische Zentralbank, die jede Menge Anleihen an Bord haben, sich da noch gegen wehren, und man technisch nicht weiß, wie man so was abwickelt. Das ist eine ganz komplizierte Sache.
Brink: Aber Sie sagen, langfristig gesehen – und Sie haben das ja auch erwähnt, die Zentralbank wehrt sich, auch sozusagen die Europäische Union wehrt sich dagegen –, aber langfristig gesehen gibt es keine Alternative zu einer Umschuldung?
Belke: Ja, ich sehe hier keine Umschuldung, da auch eine Streckung der Schulden, wie sie jetzt diskutiert wird und wohl wahrscheinlich sein wird, zeitlich noch mal, einem freiwilligen Schuldenschnitt gleichkommt, der von den Märkten ebenso "honoriert" werden wird, in Anführungsstrichen "honoriert", denn dann kann auch die Bonität Griechenlands noch mal sinken, von allen Ratingagenturen runtergerankt werden, dass wird Griechenland auf Dauer den Zugang zu den freien Finanzmärkten verwehren. Denn wir müssen sehen: Je mehr staatliche Gläubiger wir hineinbekommen und je länger die Staaten Griechenland finanzieren, umso unwahrscheinlicher ist es, dass private Anleger sich noch in die Schlange stellen wollen, weil im Insolvenzfall immer die öffentlichen Gläubiger bevorrechtigt sind zum Schutz des Steuerzahlers, sodass keiner der privaten Anleger bereit sein wird, Griechenland noch Geld zu leihen, es sei denn, zu horrenden Zinsen. Und das führt zum Teufelskreis, dann muss Griechenland noch höhere Finanzierungskosten tragen und wir kriegen das Problem nicht weg und Griechenland wird auf Dauer am EU-Tropf hängen.
Brink: Dann verstehe ich aber nicht, warum man sich gegen diese Maßnahme dann so wehrt - vonseiten zum Beispiel der Europäischen Zentralbank?
Belke: Ja, die Europäische Zentralbank hat in Zeiten der Krise, wir wissen das, seit Mai letzten Jahres eine enorme Menge an Griechenanleihen angehäuft. Über die Hälfte der Anleihenkäufe gehen auf Griechenlands Konto. Und wenn die im Wert verfallen – ein Schuldenschnitt, das muss man den Bürgerinnen und Bürgern ja erklären, bedeutet eine Abwertung dieser Papiere –, dann auch Verluste auf die EZB zukommen, die sie dann an die Länder weiterreichen muss. Denn unser Finanzminister bekommt jedes Jahr Überweisungen, die nicht zu knapp sind, von der Bundesbank, aus Gewinnen, die den Haushalt doch merklich aufbessern. Und das müsste der Steuerzahler tragen. Und es würde sichtbar, dass sie sich verkalkuliert hat, dass sie nämlich Aufgaben übernommen hat, die eigentlich die Länder selber übernehmen müssen.
Brink: Das heißt, wenn ich Sie richtig verstanden habe: Eine Umschuldung bedeutet auch Verluste für die Europäische Zentralbank, die dann weitergeleitet werden auch zum Beispiel an uns deutsche Steuerzahler, im Endeffekt?
Belke: Richtig. Die würden weitergeleitet, aber das wäre ein Ende mit Schrecken. Sie haben keine erfreulichen Lösungen zu bieten. Die würden in der Tat weitergeleitet, aber das würde vermieden, dass Griechenland in einen Teufelskreis gerät, wie ich gerade beschrieben habe, und am Dauertropf hängt und zu Dauerkosten führen würde.
Brink: Wie sehen Sie denn jetzt die Position von Strauss-Kahn? Er galt ja lange Zeit als Freund Griechenlands, als jemand, der auch diese ganzen Unterstützungsmaßnahmen befördert hat. Hat Griechenland jetzt mit Strauss-Kahn einen einflussreichen Freund verloren?
Belke: Ich denke, ja. Denn Strauss-Kahn hat in der Tat – und das wissen vielleicht die wenigsten – sich eigentlich für weichere Bedingungen für Griechenland eingesetzt, als es die EZB getan hat, die ja auch mit der Kommission zusammen und dem IWF die sogenannte Troika bildet, die die Länder aufsuchen und die Bedingungen festlegt für diese Länder. Da hat der IWF sich auf Druck von Strauss-Kahn am weichsten gegeben und eigentlich die günstigsten Bedingungen für Griechenland ausgehandelt. Nicht zuletzt, weil er auch eigene Karriereinteressen in Europa verfolgt, er ist ja Kandidat gewesen für die Nachfolge Sarkozys und konnte sich so gut gerieren als jemand, der sich mit dem europäischen Fokus stark einsetzt. Und was jetzt passiert ist, dass die Schwellenländer zu Recht an die Tür pochen und sagen, sie möchten auch mal den Chefposten im IWF belegen. Der war ja im Tauschgeschäft zwischen Amerikanern und Europäern, Weltbank, IWF, immer vergeben an die Europäer, und wollen da auch in die Führungsmacht kommen, sodass Griechenland hier in der Tat einen Gönner verliert.
Brink: Wie wird das ausgehen?
Belke: Prognosen sind schwierig. Man hat den Eindruck, dass die Europäer doch den Chefposten nicht aufgeben wollen mit der Begründung, dass jetzt gerade weltweit unter anderem das schwierigste Problem in der Lösung der Eurokrise liegt, und da noch mal versucht zu legitimieren, und die Schwellenländer versucht auf die mittlere Frist zu vertrösten, zu legitimieren, dass sie noch mal jemanden stellen können. Und Deutschland hat ja verloren das Rennen um die Nennung des EZB-Chefs und könnte dadurch Kompensation verlangen.
Brink: Ansgar Belke, Forschungsdirektor für Makroökonomie am Deutschen Institut für Wirtschaft, schönen Dank, Herr Belke, für das Gespräch!
Belke: Ich danke auch, Wiederhören!
Ansgar Belke: Einen schönen guten Morgen!
Brink: Kriegt Griechenland noch die Kurve ohne neue Hilfen?
Belke: Ich denke, da sieht es mittlerweile ziemlich schlecht aus. Griechenland fordert erneut zusätzlichen Aufschub der Kredite, die es bekommen hat. Wenn wir auf die volkswirtschaftlichen Daten schauen, sehen wir ein Budgetdefizit, was nicht signifikant sinkt, eine Schuldenquote, die für 2011 schon über 150 Prozent des BIPs liegt, also doppelt so hoch wie vom Maastrichter Vertrag gefordert. Insgesamt scheinen die Maßnahmen auch nicht so geschneidert zu sein, dass es dort wesentlich vielversprechender aussieht in Zukunft. Es sind irreale Annahmen getroffen worden für die Einnahmeerhöhung im Steuerbereich und die Konjunktur ist schlecht – nicht zuletzt wegen der verordneten Sparmaßnahmen. Also insgesamt, würde ich sagen, sind wir an einem Punkt angelangt, wo die Sache auf des Messers Schneide steht.
Brink: Und wie muss es dann weitergehen jetzt?
Belke: Ja, meiner Ansicht nach deuten die Märkte an, wofür es weitergehen soll. Wir sehen, dass die Spreads, die sogenannte Differenz der griechischen Zinsen über die deutschen, die als die zuverlässigsten Anleihen gelten, bei 25 Prozent über zwei Jahre liegen. Und das ist das Maximum. Bei längerer Laufzeit haben wir wieder geringere Zinsen, sodass die Märkte einpreisen, dass der Schuldenschnitt, wie wir das nennen, die Umschuldung in zwei Jahren kommt. Jetzt noch nicht, weil die großen Akteure wie Europäische Zentralbank, die jede Menge Anleihen an Bord haben, sich da noch gegen wehren, und man technisch nicht weiß, wie man so was abwickelt. Das ist eine ganz komplizierte Sache.
Brink: Aber Sie sagen, langfristig gesehen – und Sie haben das ja auch erwähnt, die Zentralbank wehrt sich, auch sozusagen die Europäische Union wehrt sich dagegen –, aber langfristig gesehen gibt es keine Alternative zu einer Umschuldung?
Belke: Ja, ich sehe hier keine Umschuldung, da auch eine Streckung der Schulden, wie sie jetzt diskutiert wird und wohl wahrscheinlich sein wird, zeitlich noch mal, einem freiwilligen Schuldenschnitt gleichkommt, der von den Märkten ebenso "honoriert" werden wird, in Anführungsstrichen "honoriert", denn dann kann auch die Bonität Griechenlands noch mal sinken, von allen Ratingagenturen runtergerankt werden, dass wird Griechenland auf Dauer den Zugang zu den freien Finanzmärkten verwehren. Denn wir müssen sehen: Je mehr staatliche Gläubiger wir hineinbekommen und je länger die Staaten Griechenland finanzieren, umso unwahrscheinlicher ist es, dass private Anleger sich noch in die Schlange stellen wollen, weil im Insolvenzfall immer die öffentlichen Gläubiger bevorrechtigt sind zum Schutz des Steuerzahlers, sodass keiner der privaten Anleger bereit sein wird, Griechenland noch Geld zu leihen, es sei denn, zu horrenden Zinsen. Und das führt zum Teufelskreis, dann muss Griechenland noch höhere Finanzierungskosten tragen und wir kriegen das Problem nicht weg und Griechenland wird auf Dauer am EU-Tropf hängen.
Brink: Dann verstehe ich aber nicht, warum man sich gegen diese Maßnahme dann so wehrt - vonseiten zum Beispiel der Europäischen Zentralbank?
Belke: Ja, die Europäische Zentralbank hat in Zeiten der Krise, wir wissen das, seit Mai letzten Jahres eine enorme Menge an Griechenanleihen angehäuft. Über die Hälfte der Anleihenkäufe gehen auf Griechenlands Konto. Und wenn die im Wert verfallen – ein Schuldenschnitt, das muss man den Bürgerinnen und Bürgern ja erklären, bedeutet eine Abwertung dieser Papiere –, dann auch Verluste auf die EZB zukommen, die sie dann an die Länder weiterreichen muss. Denn unser Finanzminister bekommt jedes Jahr Überweisungen, die nicht zu knapp sind, von der Bundesbank, aus Gewinnen, die den Haushalt doch merklich aufbessern. Und das müsste der Steuerzahler tragen. Und es würde sichtbar, dass sie sich verkalkuliert hat, dass sie nämlich Aufgaben übernommen hat, die eigentlich die Länder selber übernehmen müssen.
Brink: Das heißt, wenn ich Sie richtig verstanden habe: Eine Umschuldung bedeutet auch Verluste für die Europäische Zentralbank, die dann weitergeleitet werden auch zum Beispiel an uns deutsche Steuerzahler, im Endeffekt?
Belke: Richtig. Die würden weitergeleitet, aber das wäre ein Ende mit Schrecken. Sie haben keine erfreulichen Lösungen zu bieten. Die würden in der Tat weitergeleitet, aber das würde vermieden, dass Griechenland in einen Teufelskreis gerät, wie ich gerade beschrieben habe, und am Dauertropf hängt und zu Dauerkosten führen würde.
Brink: Wie sehen Sie denn jetzt die Position von Strauss-Kahn? Er galt ja lange Zeit als Freund Griechenlands, als jemand, der auch diese ganzen Unterstützungsmaßnahmen befördert hat. Hat Griechenland jetzt mit Strauss-Kahn einen einflussreichen Freund verloren?
Belke: Ich denke, ja. Denn Strauss-Kahn hat in der Tat – und das wissen vielleicht die wenigsten – sich eigentlich für weichere Bedingungen für Griechenland eingesetzt, als es die EZB getan hat, die ja auch mit der Kommission zusammen und dem IWF die sogenannte Troika bildet, die die Länder aufsuchen und die Bedingungen festlegt für diese Länder. Da hat der IWF sich auf Druck von Strauss-Kahn am weichsten gegeben und eigentlich die günstigsten Bedingungen für Griechenland ausgehandelt. Nicht zuletzt, weil er auch eigene Karriereinteressen in Europa verfolgt, er ist ja Kandidat gewesen für die Nachfolge Sarkozys und konnte sich so gut gerieren als jemand, der sich mit dem europäischen Fokus stark einsetzt. Und was jetzt passiert ist, dass die Schwellenländer zu Recht an die Tür pochen und sagen, sie möchten auch mal den Chefposten im IWF belegen. Der war ja im Tauschgeschäft zwischen Amerikanern und Europäern, Weltbank, IWF, immer vergeben an die Europäer, und wollen da auch in die Führungsmacht kommen, sodass Griechenland hier in der Tat einen Gönner verliert.
Brink: Wie wird das ausgehen?
Belke: Prognosen sind schwierig. Man hat den Eindruck, dass die Europäer doch den Chefposten nicht aufgeben wollen mit der Begründung, dass jetzt gerade weltweit unter anderem das schwierigste Problem in der Lösung der Eurokrise liegt, und da noch mal versucht zu legitimieren, und die Schwellenländer versucht auf die mittlere Frist zu vertrösten, zu legitimieren, dass sie noch mal jemanden stellen können. Und Deutschland hat ja verloren das Rennen um die Nennung des EZB-Chefs und könnte dadurch Kompensation verlangen.
Brink: Ansgar Belke, Forschungsdirektor für Makroökonomie am Deutschen Institut für Wirtschaft, schönen Dank, Herr Belke, für das Gespräch!
Belke: Ich danke auch, Wiederhören!