Doan Bui & Leslie Plée: „Glauben Sie an die Wahrheit?“

Zu Besuch bei Verschwörungsgläubigen

06:29 Minuten
Doan Buis und Leslie Plées Buch "Glauben Sie an die Wahrheit?": Das Buchcover zeigt im naiven Zeichenstil eine flache Darstellung der Erde, an deren Rand eine Donald Trump nachempfundene Figur sitzt, die hämisch in ein Smartphone schaut.
© Carlsen Verlag

Doan Bui & Leslie Plée

Übersetzt von Christiane Bartelsen

Glauben Sie an die Wahrheit?Carlsen , Hamburg 2022

176 Seiten

22,00 Euro

Von Susanne Billig |
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Sie glauben, dass die Erde rund ist wie eine Pizza. Sie leugnen aber auch den Amoklauf an einer US-amerikanischen Schule und bedrohen die Eltern der Opfer. Wer sie sind? Eine Graphic Novel zeigt die Welt der Lügen und Verschwörungstheorien.
In ihrem Buch „Glauben Sie an die Wahrheit?“ reist Doan Bui durch die Welt der Lügen und Verschwörungstheorien. Illustratorin Leslie Plée zeichnet die Autorin wunderbar als Strich-Persönchen, das aussieht wie die energische Lucy von den Peanuts.
Im realen Leben hat sich die französisch-vietnamesische Reporterin tatsächlich auf den Weg gemacht und weltweit Opfer, Anhängerinnen und Anhänger von Verschwörungstheorien getroffen.

„Truther“ bestreiten die Wahrheit

Den Auftakt bildet ein Kapitel, so traurig, dass man umgehend begreift, wie ernst es dieses Buch meint. Nach den Anschlägen vom 11. September 2001 gründete sich in den USA die Bewegung der so genannten „Truther“, die inzwischen verschiedenste Katastrophen rabiat anzweifeln – so auch den Amoklauf an einer Schule in dem kleinen Ort Sandy Hook unweit von New York, der für 28 Menschen tödlich endete.
Die trauernden Familienangehörigen werden seitdem von „Truthern“ mit bösartigen anonymen Anrufen bombardiert. Der Vorwurf: Sie seien allesamt Schauspieler, die sich dafür Geld nähmen, sich als Opfer auszugeben.

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Doan Bui besucht einen Mann, der seinen kleinen Sohn verloren hat und diese Attacken kaum verkraften kann. Hohlwangig und ausgemergelt stellt die Zeichnerin ihn dar. Als er traurig in den Garten blickt, zeichnet sie seine Erinnerung: Der kleine Sohn sitzt schemenhaft auf der Schaukel.
Von hier aus reist Reporterin Doan Bui zu Menschen, die das Impfen fanatisch ablehnen, eine Person mit dem Pseudonym Q für ihren Meister halten, überall Illuminaten am Werk sehen, und zu eingefleischten Trump-Fans. Jeweils mit wenigen Worten und Strichen skizzieren Autorin und Zeichnerin deren Vorstellungswelten und liefern jede Menge Hintergrund dazu.

Algorithmen verstärken die Lügen

Ganze Kapitel widmet das Buch den Algorithmen, die dafür sorgen, dass sich Wut, Empörung und Lüge im Internet fortwährend selbst verstärken, oder Orten in Osteuropa, in denen die gesamte Einwohnerschaft ihre Existenz damit bestreitet, Lügengeschichten für Werbeklicks ins Internet einzuspeisen.
Warum der Verlag meint, diese Graphic Novel als „das vielleicht lustigste Buch über Verschwörungstheorien“ bewerben zu müssen, bleibt sein Geheimnis, bedient er damit doch genau jene Sensationslust, deren Abgründe Autorin und Zeichnerin ausleuchten.

Aussagenstarke Illustrationen

Ja, die Zeichnungen sind betont simpel und sparsam gehalten und die Figuren erinnern an das Peanuts-Personal von Charles M. Schulz. Und ja, die Zeichnungen sind auch lustig.
Doch vor allem sind sie auf den Punkt durchdacht. Da hechelt eine mit Recherchemühen schwer behängte Wahrheit einem grinsenden Gerüchte-Leichtgewicht hinterher, das ein Hürdenrennen Richtung maximale Aufmerksamkeit mühelos für sich entscheidet – besser lässt sich die Lage des seriösen Journalismus kaum illustrieren.

Erkennen und verstehen

Wenn Autorin und Zeichnerin am Schluss noch erklären, wie guter Journalismus funktioniert, warum Menschen für Märchen anfällig sind und wie sie sich gegen Lügen wappnen können, fassen sie die Hoffnung in Worte, von der im Grunde ihr ganzes Buch getragen ist: dass es, wenn wir uns die Mühe machen zu erkennen und zu verstehen, möglich sein sollte, auch ohne Lügen und Selbstbetrug durchs Leben zu kommen.
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