Nach der Documenta 15
Die Documenta 15 ist zu Ende. Wie kann ein Neustart gelingen, nach all den heftigen Vorwürfen, Shitstorms und Enttäuschungen? © IMAGO / ZUMA Wire / Sean Smuda
Wie führen wir in Zukunft Kunstdebatten?
39:09 Minuten
Für viele Kunstfans wurde die Documenta 15 zu einer großen Enttäuschung. Statt lebhafte Debatten über die politische Wirkung von Kunst zu führen, überschatteten Antisemitismusvorwürfe und Kritik an den Kuratoren die Schau. Wie geht es jetzt weiter?
„Wir stehen selbst enttäuscht und sehn betroffen // Den Vorhang zu und alle Fragen offen", schrieb Bertolt Brecht in seinem Stück "Der gute Mensch von Sezuan". Ein passender Satz auch für die Documenta 15, die am vergangenen Wochenende in Kassel mit vielen Misstönen zu Ende ging und die Kunstszene ratlos zurücklässt.
Alles auf Anfang – aber wie?
Die heftige Debatte um Antisemitismus beziehungsweise Rassismus bei der Kunstausstellung war nicht nur unproduktiv, sie war regelrecht giftig und verletzend. Das Kuratoren-Team Ruangrupa, das diese Entwicklung mit zu verantworten hat, ist Zielscheibe der Kritik, fühlte sich aber eigentlich selbst als Opfer. Die sozialen Netzwerke liefen heiß. Abschließend geklärt, verstanden oder gar sich versöhnt wurde wenig.
Also: Alles auf Anfang, mit Neustart der Documenta in fünf Jahren? Ist das so einfach möglich und was kann der Kunstbetrieb aus dem Desaster lernen?
Darüber haben wir mit Jörg Heiser, dem Leiter des Instituts "Kunst im Kontext" an der Universität der Künste (UdK) Berlin, und mit Mahret Kupka, Kunstwissenschaftlerin und Kuratorin für Mode, Körper und Performatives am Museum Angewandte Kunst in Frankfur,t gesprochen.
Große Überforderung
Für Heiser ist das Verhalten des Kuratoren-Teams und dessen mangelnde Auseinandersetzung mit den Vorwürfen ein Indiz für eine große Überforderung des Kollektivs. Und zu dem Hinweis, dass andere Kulturen möglicherweise einen anderen Zugang zum Thema Israel und Judentum hätten, meint Heiser: Antisemitismus sei nicht nur in Deutschland, sondern auch in vielen anderen Ländern ein wichtiges Thema.
Kupka sieht das ähnlich, findet aber beispielsweise die Vorstellung absurd, künftig alle Künstlerinnen und Künstler zuerst einem dezidierten Antisemitismuscheck zu unterziehen, bevor man ihre Werke ausstellt.
Ein Fazit: Um die Welt besser zu verstehen, müssen wir weg vom Euro-Zentrismus, brauchen wir mehr Kunst aus dem globalen Süden, aus Afrika, Asien und auch aus dem Nahen Osten. Aber: Das Antisemitismus-Problem lauert überall.