Trotz des Skandals ein gutes Konzept
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Von der Documenta 15 wird wohl vor allem der Antisemitismus-Eklat in Erinnerung bleiben. Unser Kunstkritiker glaubt dennoch, dass das Konzept des Kuratorenteams Ruangrupa nicht grundsätzlich falsch war.
Hundert Tage dauerte die Documenta 15. Wäre es nach Kritikern gegangen, hätte die von Antisemitismus-Skandalen erschütterte Kassler Kunstschau vorher abgebrochen werden sollen. Carsten Probst blickt trotz der Kritik nicht erleichtert auf das Ende und verteidigt das Ausstellungskonzept des Kuratorenteams Ruangrupa.
„Grauenhaft schlampige Umsetzung“
Das indonesische Künstlerkollektiv habe seine „Verantwortung respektvoll an kulturelle Gruppen aus anderen Kulturen delegiert. Daran kann eigentlich nichts falsch sein – nur die Umsetzung war teilweise wirklich grauenhaft schlampig“, sagt Probst.
Der Kritiker erinnert an Debatten, die bereits vielfach an ethnologischen Museen geführt würden. Dabei geht es beispielsweise um Fragen, wie: „Kommen wir dazu, andere kulturelle Praktiken als wirklich gleichwertig anzuerkennen?“ Ein möglicher Weg ist laut Probst, Kuratoren aus den jeweiligen kulturellen Zusammenhängen einzuladen, Ausstellungen zu inszenieren. Das habe auch Ruangrupa getan.
Der Experte ist der Ansicht, dass diese Praxis, Verantwortung zu delegieren „sehr, sehr achtsam“ betrieben werden müsse. Mit einer „ausreichenden Expertise im Hintergrund“ lasse sich der Ansatz aber „durchaus erfolgreich fortführen.“ Probst: „Ich glaube, dahinter zurück kann man jetzt nicht mehr.“
Mahnung an künftige Documenta-Leiter
Eher kritisch sieht Probst Vorschläge, mit Regularien oder Kontrollmaßnahmen eine politische Vereinnahmung des Kunstfestivals künftig zu verhindern. So wie die Documenta 15 rezipiert worden sei, werde sie „ganz von selbst eine Mahnung, eine Art Fanal“ für alle künftigen Leiter sein, prognostiziert der Kritiker. Schon aus Selbstschutz würden kommende Leiter nicht das erleben wollen, was die Kuratoren Ruangrupa und die Geschäftsführerin Sabine Schormann erlebt hätten, „an öffentlicher Verdammnis geradezu“.
Insgesamt wenig gesprochen wurde bei dieser 15. Documenta über die Kunst selbst. Probsts Fazit: Man habe „relativ wenig Kunst gesehen, im klassischen europäischen Sinn des Wortes“. Für den Kritiker war das „eine willkommene Erweiterung“. Als Besucher sei man gefordert gewesen, sich einzulassen. Diese Herausforderung wurde „vielfach nicht angenommen, in den Debatten“.
(tmk)