documenta-Chef Adam Szymczyk

    Reaktion auf Kritik aus Athener Kunstszene

    documenta-Leiter Adam Szymczyk
    documenta-Leiter Adam Szymczyk © picture alliance / Uwe Zucchi/dpa
    Adam Szymczyk im Gespräch mit Vladimir Balzer |
    Auf Vorwürfe, die documenta habe sich zu wenig mit der Athener Kunstszene beschäftigt, reagiert ihr Chef Adam Szymczyk gelassen, aber deutlich: Dieser Anspruch wäre für die documenta viel zu klein. Athen stehe nicht für sich allein, sondern auch für andere Orte dieser Welt.
    Adam Szymczyk: Natürlich könnte man uns vorwerfen, uns zu wenig mit der hiesigen Kunstszene beschäftigt zu haben. Wir waren aber gar nicht so sehr an der Kunstszene von Athen interessiert, sondern mehr an der Stadt als lebendiger Organismus. Und das geht über zeitgenössische Kunst hinaus. Athen steht nicht allein, es steht auch für andere Orte dieser Welt. Lagos. Guatemala City. Die beschäftigen uns hier genauso. Der Anspruch, uns mit der Athener Kunstszene zu verbinden, wäre zu klein für diese documenta. Und falls sich jemand betrogen fühlen sollte, der sollte wissen: Unsere Ausstellung wollte nie die Athener Kunstszene repräsentieren. Das sollen andere machen. Wenn sich hier Leute nicht genug repräsentiert fühlen, dann sollten sie selbst darüber nachdenken, wie sich mehr Gehör verschaffen.
    Vladimir Balzer: Uns allen fällt auf, dass es immer mehr ins Performative auch geht, so dass sich der klassische Kunstausstellungsbesucher sich vielleicht hier auch wundert, dass er hier keine Kunstausstellung sieht, sondern letztlich eine performative Aktion, mit Konzerten, mit Improvisationen, mit sozialen Interaktionen, Interventionen…
    Szymczyk: Die Menschen erinnern sich doch, dass das Performative schon immer zur zeitgenössischen Kunst gehörte. Das geht bis in die 60er zurück und sogar noch früher – Musik, Stimme, Geschichten erzählen, Tanz, Performance. Das ist alles nicht neu. Wir stellen uns nur gegen die Bevorzugung des Objekts. Flach an der Wand, oder dreidimensional im Raum. Damit wenden wir uns auch gegen Kunst als Ware. Das macht die Kulturindustrie gerne – einen Publikumsgeschmack voraussetzen, der das Objekt bewundert. Wir glauben an eine Öffentlichkeit die für alle Formen der Ansprache offen ist. Daher machen wir Radio, Fernsehen, Konzerte, Lesungen, Veröffentlichungen.
    Balzer: Auf der documenta gibt es auch ein künstlerisches Radioprogramm, an dem das Deutschlandradio auch teilweise beteiligt ist. Adam Szymczyk, sind Sie eigentlich Radiohörer?
    Szymczyk: Radio stand damals in Polen auch für Freiheit. Durch die Worte konnte man Inhalte schmuggeln. In den 70ern und 80ern gab es viele satirische Programme, die sehr politisch waren. 1981 wurde das Kriegsrecht in Polen eingeführt. Ich war 11 Jahre alt. Ich erinnere mich, wie das Fernsehprogramm reduziert wurde. Meine Großeltern wiederum liebten eine Satiresendung im Radio, die hieß "60 Minuten pro Stunde". Als sie merkten, dass auch diese Sendung nicht mehr existierte, ging uns auf, was das Kriegsrecht in Polen bedeutete.