Antisemitismus-Eklat auf der Documenta
Filmstill aus der Filmreihe "Tokyo Reels Film Festival", der vorgeworfen wird, Israelhass zu transportieren und den Terrorismus zu glorifizieren. © Imago / Peter Hartenfelser
Angst vor neuen Trennlinien
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Wenige Tage, bevor die Documenta ihre Pforten schließt, scheint klar, dass die Kunstschau im Streit zu Ende geht. Sie wird mit dem Antisemitismus-Skandal verbunden bleiben - und damit, dass der Dialog darüber gescheitert ist.
Der Antisemitismus-Skandal auf der Documenta in Kassel wird die Kunstwelt wohl noch lange beschäftigen. Die Fronten sind verhärtet, ein Dialog findet zwischen den beiden zerstrittenen Lagern nicht mehr statt. Kurz vor Ende der Kunstschau werden umstrittene Werke, entgegen den Forderungen der Gesellschafter – das Land Hessen und die Stadt Kassel – weder entfernt noch mit einordnenden Kommentierungen gezeigt.
„Das Team stellt sich quasi auf stur“, sagt der Journalist Ludger Fittkau, der mit Mitgliedern des indonesischen Kuratorenkollektivs Ruangrupa gesprochen hat. Diese hätten immer beteuert, keine Antisemiten zu sein – sie fühlten sich nun missverstanden und nicht gut von der deutschen Öffentlichkeit behandelt.
Genervt von der Kritik
Die Kritik an einer mangelnden Beschäftigung mit der deutschen Geschichte sei zwar angekommen. Doch nun wollten die Kuratoren die Kunstschau, die am 25. September schließt, beenden – ohne dass Gremien reinredeten und „ohne dass man ständig von irgendwelchen vermeintlichen Zensoren behelligt wird“.
Die jüngste Äußerung des Kuratorenteams, man kenne Deutschlands Historie vor allem über den Fußball und als rassistische Gesellschaft, könne man nur noch als bittere Ironie werten.
Nicole Deitelhoff ist Vorsitzende des Documenta-Expertenteams, das die Antisemitismus-Vorwürfe wissenschaftlich untersucht und Empfehlungen dazu ausgesprochen hat.
Keine Anerkennung des Expertenteams
Im Fall der pro-palästinensischen Propagandafilme, die „Tokyio Reels“, gehe es nicht darum, diese nicht mehr zu zeigen, sondern für die Zuschauer historisch einzuordnen, sagt Deitelhoff. Doch auf den Vorschlag, Kommentierungen gemeinsam zu entwickeln, sei Ruangrupa nicht eingegangen. So werden die Filme nun weiter ohne jede Einordnung gezeigt.
Dass Ruangrupa das Expertenteam des Rassismus bezichtige oder die Mitglieder als „Pseudowissenschaftler“ bezeichne, dafür gebe es keine Argumente, sagt die Friedensforscherin. Es sei schlicht und einfach allein der Inhalt der Empfehlung gewesen, der die Kuratoren zu diesen Äußerungen veranlasst habe: "Und das ist natürlich sehr schwierig."
Versuch des Dialogs würdigen
Wichtig sei nun, dass der gutgemeinte Dialog zwischen der „elitären Kunstwelt“ Europas und dem Globalen Süden nicht gefährdet werde, meint Ludger Fittkau.
Trotz aller grundsätzlichen Missverständnisse, umstrittenen Darstellungen und einer teils inakzeptablen Bildsprache müsse man anerkennen, dass die Documenta versucht habe, globale Kommunikation zu betreiben, "über die Kunstszene, über die Welt und über die Zukunft der Menschheit“. Die jetzt gemachten, schmerzvollen Erfahrungen dürften nicht zu Trennlinien führen.