Podiumsdiskussion zur Documenta 15
Die Hamburger Podiumsdiskussion erinnerte daran, dass die Documenta 15 ein Experiment wagte: indonesische Kuratoren mit historischen Erfahrungen und Vorstellungen von Kunst, Politik und Gesellschaft, die anders sind als hierzulande. © picture alliance / dpa / Swen Pförtner
Gelungenes Konzept mit katastrophaler Abstimmung
09:30 Minuten
In Hamburg haben Wissenschaftler und Soziologen die Documenta 15 bilanziert. Der Antisemismus-Skandal habe die Idee des freien Kunstkonzepts überschattet, berichtet Journalist Axel Schröder. Vorgaben aus der Politik müssten künftig genauer sein.
Welche Lehren kann man aus der Documenta-Debatte ziehen? Darüber haben unter anderem Soziologinnen, Juristen und Kulturwissenschaftler am Hamburger Institut für Sozialforschung diskutiert.
Documenta-Konzept ist aufgegangen
Spannender als die Frage der Deutung einzelner Kunstwerke mit antijüdischer Symbolik sei die Diskussion, die darüber hinausgehe, sagt der Journalist Axel Schröder, der an der Veranstaltung in Hamburg teilgenommen hat.
Die Experten seien sich einig gewesen, dass das Konzept der Documenta-Kuratoren, des indonesischen Künstlerkollektivs Ruangrupa, mit den Themen Nachhaltigkeit, Auflösung von Hierarchien und kollektiver Entscheidungsfindung aufgegangen sei.
Trotz "harter akademischer Debatte" habe das Publikum der Documenta die Provokationen in den Kunstwerken "gut verdaut", so Schröder.
Die Kunstfreiheit wurde verletzt
Kritisch sei die juristische Betrachtung: Auf die Empfehlung eines Wissenschaftsteams durften bestimmte Kunstwerke am Ende der Messe nicht mehr gezeigt werden. Dies sei ein wesentlicher Eingriff in die Kunstfreiheit. Geklärt werden müsse, welche Folgen es habe, wenn der Staat sich enger einmischen wolle.
Dass auch Antisemitismus in einem künstlerischen Rahmen von der Kunstfreiheit gedeckt werde, daran habe der Jurist Ralf Michaels erinnert.
Ungenügende Abstimmung bei der Planung
Hauptkritikpunkt an der Documenta sei aber, dass nicht geklärt wurde, wie das "sehr freie Konzept" der Ruangrupa-Kuratoren mit der deutschen Förderlandschaft mit öffentlichen Geldern zusammenpasst. Wie man künftige Projekte mit großer kuratorischer Freiheit und Kontrollverzicht zusammenbringen könne, dazu habe es in der Hamburger Bilanzrunde keine Lösungsvorschläge gegeben.
Gewichtige Fehler seien vor allem in der Vorbereitung zur Documenta gemacht worden, so Schröder: "Schiefgegangen ist, dass man es in der fünfjährigen Vorbereitungszeit der Documenta nicht hinbekommen hat, sich mit dem Ruangrupa-Kollektiv abzustimmen und Hinweise zu geben, wie bestimmte Dinge hierzulande gelesen werden."
(mle)