Dörfische Hetzjagd auf einen Prostituierten

Von Sven Ricklefs |
Das altbackene Stück von Ludwig Thoma über ein gefallenes Mädchen peppt Maximilian Brückner mit einem Mann in der Hauptrolle auf. Glänzend in der Rolle der männlichen Hure ist der Bruder des Regisseurs, Florian Brückner. Es entwickelt sich ein Stück über ein Thema, was auch heute noch Tabu ist.
Eigentlich müsste das Stück jetzt "Leonhard" heißen, denn das ist es, was Maximilian Brückner aus der Titelfigur "Magdalena" gemacht hat: einen Burschen, einen Sohn. Tatsächlich tut der Regisseur gut daran, mit dieser dramaturgischen Geschlechtsumwandlung dem relativ altbackenen Stück von Ludwig Thoma auf die Sprünge zu helfen.

Denn das gefallene Mädchen, das in die Dorfgemeinschaft zurückkehrt und nach einer Treibjagd auf die ganze Familie schließlich vom eigenen Vater vor den Augen aller erstochen wird, das alles ist dann doch ein ziemlich holzschnittartiger Plot, dessen Grundkonstellation zudem die Brisanz verloren hat, die sie vor 100 Jahren bei der Uraufführung sicherlich hatte. Männliche Prostitution dagegen ist auch heutzutage interessanterweise noch immer tabuisiert. Der Junge, der sich Männern hingibt, das verstört in unserer noch immer versteckt patriarchal dominierten Gesellschaft eher, als wenn eine Frau dem ältesten Gewerbe nachgeht.

Es war wohl seine Popularität als Theater -Film und Fernsehschauspieler, die nun dem Regidebütanten Maximilian Brückner so große Aufmerksamkeit bescherte. Und zugleich ist es ja der Reiz des Münchner Volkstheaters, das Intendant Christian Stückl nicht nur fast ausschließlich junge Schauspieler und junge Regisseure beschäftigt, sondern immer mal auch wieder etwas wagt und ausprobiert.

Und so ein Experiment ist nun auch diese Regiearbeit des Schauspielers Maximilian Brückner, der bisher, wenn überhaupt, dann nur Laientheater in seinem Dorf inszeniert hat. Tatsächlich hat jetzt auch diese Inszenierung von Ludwig Thomas "Magdalena" etwas von jener sicherlich rechtschaffenen und gutgemeint-gradlinigen Dorfkrugästhetik, die man sich so gemeinhin bei einem solchen Volksstück vorstellen kann. Zwischen Bierseidel, Bierbank und Metzgerstube wird die Geschichte von Magdalena erzählt, die nun Leonhard heißt.

Immerhin kommt es zu einigen szenischen Zuspitzungen, etwa wenn die Dorfjugend dem Verfolgten ein Kleid überstreift, um ihn zu erniedrigen. Dabei geht es in dieser Inszenierung nicht um Travestie, und auch nicht um das Schwul sein, sondern es geht um den Heterosexuellen, der sich prostituiert hat. Wobei gerade bei solchen Figuren der Selbsthass und das Agressionspotential gemeinhin sehr groß sind. Doch solchen psychologischen Feinverästelungen folgt Maximilian Brückner als Regisseur weniger.

Er zeigt eher deutlich, was er meint, etwa wenn der zum Tanz auf Stöckelschuhen gezwungene Leonhard seine Peiniger so zu verwirren weiß, dass es zwischen zweien von ihnen schließlich zum Blowjob kommt. Da brechen die Sehnsüchte oder Neigungen als Abgründe auf.

Überhaupt spielt sich Florian Brückner, der junge Bruder des Regisseurs als Leonhard mit einer ebenso zarten wie frechen und auch naiven Präsenz ins Zentrum der Aufführung. Zugleich fließt ihm Ludwig Thomas Hard-core-Bayerisch mühelos über die Lippen, was man etwa von Wolfgang Maria Bauer leider nicht behaupten kann, der - endlich mal wieder auf einer Münchner Bühne zu sehen - ohnehin aus seiner Rolle des Vaters gleichsam nach beiden Seiten herausknallt.

Eben noch zitternd-sensibler Dorfmetzger schwingt er gleich darauf Feuerholz oder gleich ganze Bierbänke im Aggressionsausbruch. Da hat Maximilian Brückner dem erfahrenen Kollegen wohl nicht recht Einhalt gebieten können. Und so wünscht man sich nach diesem Abend vor allem eins: mehr Brückner! Mehr zu sehen von Florian Brückner aber auch mehr von Maximilian, den dann vielleicht aber wieder als Schauspieler und weniger als Regisseur.
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