Döring verteidigt Ablehnung einer Transfergesellschaft für Schlecker
Die FDP bekenne sich klar zur Verantwortlichkeit eines Jeden in der sozialen Marktwirtschaft und sei in Deutschland die einzige Partei, die noch für dieses Prinzip stehe, sagte Patrick Döring (FDP). Im Bezug auf Schlecker sagte er, es sei zuallererst Aufgabe derjenigen, "die die Arbeitsplätze schaffen, auch die Verantwortung zu übernehmen".
Gabi Wuttke: Die FDP steckt in ihrer größten Daseinskrise. Bei den Wahlen in Berlin und im Saarland landete sie unter "ferner liefen", vor den Wahlen in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen werfen nun nicht nur die arbeitslosen Schlecker-Mitarbeiterinnen den Liberalen Kaltherzigkeit vor. Derweil läuft die letzte Runde vor dem Parteitag im kommenden Monat, auf dem nach 15 Jahren ein neues Grundsatzprogramm für die Partei beschlossen werden soll. Am Telefon begrüße ich deshalb Patrick Döring, den designierten Generalsekretär der FDP, guten Morgen, Herr Döring!
Patrick Döring: Guten Morgen, Frau Wuttke!
Wuttke: Werden die Liberalen im neuen Grundsatzprogramm den Begriff Solidarität neu definieren?
Döring: In der sozialen Marktwirtschaft ist das Einstehen der Stärkeren für die Schwächeren ja sozusagen innerlich angelegt. Und natürlich müssen wir bei der Diskussion über die Grenzen und die Ordnung der Marktwirtschaft auch darauf achten, dass alle, die in der Marktwirtschaft agieren, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, Arbeitsuchende, aber auch Arbeitgeber ihre Rolle finden und ihrer Verantwortung gerecht werden. Und das tun wir, weil wir uns klar zum Wachstumsbegriff bekennen, aber auch eine neue Ordnung der sozialen Marktwirtschaft vorschlagen.
Wuttke: Diese neue Ordnung beinhaltet, dass die Schwächeren, in diesem Fall die 11.000 Schlecker-Mitarbeiterinnen, in keiner Auffanggesellschaft landen dürfen, weil die FDP-Wirtschaftsminister es so nicht wollen?
Döring: In der sozialen Marktwirtschaft ist es zuallererst die Aufgabe derjenigen, die Arbeitsplätze schaffen, auch Verantwortung zu übernehmen. Schlecker ist in die Insolvenz gegangen, ja, das stimmt und das ist tragisch für die Beschäftigten. Aber dass dann unmittelbar Steuergeld zur Verfügung gestellt werden muss, das ist ganz sicher auch nicht die richtige Antwort. Wir haben in Deutschland mit all den Versuchen von Rettungsmillionen durch den Staat für angeschlagene Unternehmen keine gute Erfahrung gemacht. Wir haben wirksame Strukturen, um den Beschäftigten zu helfen, und das sind die Arbeitsagenturen vor Ort. Und deshalb ist das ein, ja, ein Prinzip der sozialen Marktwirtschaft, dem wir gefolgt sind, weil wir als einzige Partei in Deutschland noch für die soziale Marktwirtschaft stehen.
Wuttke: Ihr Parteikollege Martin Zeil, Wirtschaftsminister in Bayern, hat das Nein zu einer Auffanggesellschaft so begründet, ich zitiere: "Die Steuerzahler haben ein Anrecht darauf, dass die politisch Verantwortlichen für staatliche Hilfen in allen Fällen die gleichen Maßstäbe anlegen." Herr Döring, mit wie viel Milliarden-Bürgschaften hat die schwarz-gelbe Bundesregierung bislang Banken vor dem Untergang bewahrt?
Döring: Wir haben keine Bankenrettung durchgeführt, sondern wir haben die Ersparnisse und das Vermögen von Millionen von Deutschen geschützt. Das ist ein großer Unterschied und da lege ich auch Wert drauf. Und das war sicher eine sehr schwierige Entscheidung, aber sie war richtig. Denn die Menschen, die über die letzten 30 oder 40 Jahre vorgesorgt haben, die sich zusätzliche Altersvorsorgereserven geschaffen haben, in Lebensversicherungen, Pensionsfonds oder Altersvorsorgeeinrichtungen der freien Berufe, die hätten nicht Opfer der Krise in den Vereinigten Staaten von Amerika werden dürfen. Und darum haben wir uns für die Sicherheit der Ersparnisse der Bevölkerung eingesetzt. Nicht, um einzelnen Instituten zu helfen, das ist eine Darstellung, die gerne verwendet wird, die hat aber mit der Realität nichts zu tun. Und deshalb muss man jeden Einzelfall anschauen. Und in dem Einzelfall sind wir zu dem Ergebnis gekommen, dass der Schutz der Ersparnisse der deutschen Bevölkerung ein Anliegen der Bundesrepublik Deutschland ist. Es ist übrigens am Ende so gekommen, dass der Staat keinen einzigen Euro verloren hat bisher, sondern wir mit den Bürgschaften gut verdient haben.
Wuttke: Nun gibt es auch die Prognose, dass Schlecker durchaus Bürgschaften nicht hätte wahrnehmen müssen. Wir haben zweitens Mitarbeiterinnen, die Jahre und Jahrzehnte ordentlich gearbeitet haben und für die Insolvenz ihres Arbeitgebers nicht verantwortlich zu machen sind. Können Sie, Herr Döring, nachvollziehen, dass die massive staatliche Stützung des Finanzmarktes – Klammer auf: mit der Begründung, die Sie gerade geliefert haben, Klammer zu – die Messlatte für Forderungen nach sozialer staatlicher Verantwortung genau so massiv verschoben hat?
Döring: Aber der sozialen staatlichen Verantwortung werden wir ja gerecht. 50 Prozent des Bundeshaushalts der Bundesrepublik Deutschland sind Sozialausgaben. Die Bundesagentur für Arbeit hat in ihren Strukturen Milliarden zur Verfügung für Qualifizierung und Weitervermittlung. Und gerade, weil es ein dezentrales Ereignis ist – denn die Schlecker-Filialen werden ja in der Fläche geschlossen – und keine zusammengeballte Massenarbeitslosigkeit an einem Ort oder in einer Region, gerade deswegen sind die Arbeitsagenturen, ist unser Sozialstaat leistungsfähiger als eine erst noch zu schaffende, mit zusätzlicher Verwaltung beladene neue Transfergesellschaft. Das ist das Argument. Hier funktioniert die soziale Marktwirtschaft und hier funktioniert der Sozialstaat aufs Beste.
Wuttke: Können Sie verstehen oder können Sie sich auch vorstellen, dass Ihre Argumentation, die so ganz klare Trennlinien zieht zwischen dem systemisch Notwendigen und dem persönlich Verantwortlichen, dazu geführt hat, dass die FDP sich in dieser großen Krise befindet?
Döring: Ich bin ganz sicher, dass es Wählerinnen und Wähler gibt für eine Partei, die den Einzelnen, das Individuum, den Menschen in den Mittelpunkt stellt, und nicht das Kollektiv. Der erste Satz unseres Grundsatzprogramms lautet: Der Einzelne ist Grund und Grenze liberaler Politik. Und für eine Partei, die zuallererst den Menschen, den Bürgern vertraut, ist es eben … gibt es Platz in Deutschland. Und diesen Platz wollen wir uns erarbeiten und werden wir uns erarbeiten auch mit der Diskussion über das Grundsatzprogramm der FDP. Denn alle anderen Parteien sehen zuallererst die Rolle des Staates und nicht so sehr die Verantwortung der Bürgerinnen und Bürger. Wir haben ein anderes Gesellschaftsbild und dafür gibt es viel Unterstützung und wird es noch mehr Unterstützung geben, wenn wir diese Grundsätze neu, sagen wir mal, aktualisiert beschlossen haben auf unserem Bundesparteitag in Karlsruhe.
Wuttke: Wie unterscheiden Sie denn das, was Sie gerade mit kollektiv beschrieben haben, und das durchaus ja auch immer noch geltende liberale Gleichheitsgebot?
Döring: Wir reden ja als Liberale immer von Chancengleichheit, nie von Leistungsgleichheit oder Ergebnisgleichheit. Jeder soll die eigenen Fähigkeiten ausleben können und mit diesen Chancen auch das Beste aus seinem Leben machen können. Dafür müssen wir Freiräume schaffen. Aber die Vorstellung, dass das Ergebnis der sozialen Marktwirtschaft ist, dass am Ende alle gleich wohlhabend oder alle gleich arm sind, diese Vorstellung haben wir nie geteilt. Das mögen die Botschaften von Sozialisten und Sozialdemokraten sein, das ist nicht die Vorstellung einer liberalen Gesellschaft. Und diese Unterschiede werden deutlich, wenn wir sehen, welche Freiräume es denn gibt in einer offenen Demokratie für Leistungsgerechtigkeit, für Chancengerechtigkeit, und wie andere denken, dass der Staat alles richten kann. Das sind die Unterschiede und diese Unterschiede machen wir deutlich.
Wuttke: Die FDP in der letzten Vorbereitungsphase für ein neues Grundsatzprogramm, dazu im Interview der "Ortszeit" von Deutschlandradio Kultur Patrick Döring, der designierte Generalsekretär der Partei. Herr Döring, ich danke Ihnen, besten Tag!
Döring: Vielen Dank, Frau Wuttke!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Patrick Döring: Guten Morgen, Frau Wuttke!
Wuttke: Werden die Liberalen im neuen Grundsatzprogramm den Begriff Solidarität neu definieren?
Döring: In der sozialen Marktwirtschaft ist das Einstehen der Stärkeren für die Schwächeren ja sozusagen innerlich angelegt. Und natürlich müssen wir bei der Diskussion über die Grenzen und die Ordnung der Marktwirtschaft auch darauf achten, dass alle, die in der Marktwirtschaft agieren, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, Arbeitsuchende, aber auch Arbeitgeber ihre Rolle finden und ihrer Verantwortung gerecht werden. Und das tun wir, weil wir uns klar zum Wachstumsbegriff bekennen, aber auch eine neue Ordnung der sozialen Marktwirtschaft vorschlagen.
Wuttke: Diese neue Ordnung beinhaltet, dass die Schwächeren, in diesem Fall die 11.000 Schlecker-Mitarbeiterinnen, in keiner Auffanggesellschaft landen dürfen, weil die FDP-Wirtschaftsminister es so nicht wollen?
Döring: In der sozialen Marktwirtschaft ist es zuallererst die Aufgabe derjenigen, die Arbeitsplätze schaffen, auch Verantwortung zu übernehmen. Schlecker ist in die Insolvenz gegangen, ja, das stimmt und das ist tragisch für die Beschäftigten. Aber dass dann unmittelbar Steuergeld zur Verfügung gestellt werden muss, das ist ganz sicher auch nicht die richtige Antwort. Wir haben in Deutschland mit all den Versuchen von Rettungsmillionen durch den Staat für angeschlagene Unternehmen keine gute Erfahrung gemacht. Wir haben wirksame Strukturen, um den Beschäftigten zu helfen, und das sind die Arbeitsagenturen vor Ort. Und deshalb ist das ein, ja, ein Prinzip der sozialen Marktwirtschaft, dem wir gefolgt sind, weil wir als einzige Partei in Deutschland noch für die soziale Marktwirtschaft stehen.
Wuttke: Ihr Parteikollege Martin Zeil, Wirtschaftsminister in Bayern, hat das Nein zu einer Auffanggesellschaft so begründet, ich zitiere: "Die Steuerzahler haben ein Anrecht darauf, dass die politisch Verantwortlichen für staatliche Hilfen in allen Fällen die gleichen Maßstäbe anlegen." Herr Döring, mit wie viel Milliarden-Bürgschaften hat die schwarz-gelbe Bundesregierung bislang Banken vor dem Untergang bewahrt?
Döring: Wir haben keine Bankenrettung durchgeführt, sondern wir haben die Ersparnisse und das Vermögen von Millionen von Deutschen geschützt. Das ist ein großer Unterschied und da lege ich auch Wert drauf. Und das war sicher eine sehr schwierige Entscheidung, aber sie war richtig. Denn die Menschen, die über die letzten 30 oder 40 Jahre vorgesorgt haben, die sich zusätzliche Altersvorsorgereserven geschaffen haben, in Lebensversicherungen, Pensionsfonds oder Altersvorsorgeeinrichtungen der freien Berufe, die hätten nicht Opfer der Krise in den Vereinigten Staaten von Amerika werden dürfen. Und darum haben wir uns für die Sicherheit der Ersparnisse der Bevölkerung eingesetzt. Nicht, um einzelnen Instituten zu helfen, das ist eine Darstellung, die gerne verwendet wird, die hat aber mit der Realität nichts zu tun. Und deshalb muss man jeden Einzelfall anschauen. Und in dem Einzelfall sind wir zu dem Ergebnis gekommen, dass der Schutz der Ersparnisse der deutschen Bevölkerung ein Anliegen der Bundesrepublik Deutschland ist. Es ist übrigens am Ende so gekommen, dass der Staat keinen einzigen Euro verloren hat bisher, sondern wir mit den Bürgschaften gut verdient haben.
Wuttke: Nun gibt es auch die Prognose, dass Schlecker durchaus Bürgschaften nicht hätte wahrnehmen müssen. Wir haben zweitens Mitarbeiterinnen, die Jahre und Jahrzehnte ordentlich gearbeitet haben und für die Insolvenz ihres Arbeitgebers nicht verantwortlich zu machen sind. Können Sie, Herr Döring, nachvollziehen, dass die massive staatliche Stützung des Finanzmarktes – Klammer auf: mit der Begründung, die Sie gerade geliefert haben, Klammer zu – die Messlatte für Forderungen nach sozialer staatlicher Verantwortung genau so massiv verschoben hat?
Döring: Aber der sozialen staatlichen Verantwortung werden wir ja gerecht. 50 Prozent des Bundeshaushalts der Bundesrepublik Deutschland sind Sozialausgaben. Die Bundesagentur für Arbeit hat in ihren Strukturen Milliarden zur Verfügung für Qualifizierung und Weitervermittlung. Und gerade, weil es ein dezentrales Ereignis ist – denn die Schlecker-Filialen werden ja in der Fläche geschlossen – und keine zusammengeballte Massenarbeitslosigkeit an einem Ort oder in einer Region, gerade deswegen sind die Arbeitsagenturen, ist unser Sozialstaat leistungsfähiger als eine erst noch zu schaffende, mit zusätzlicher Verwaltung beladene neue Transfergesellschaft. Das ist das Argument. Hier funktioniert die soziale Marktwirtschaft und hier funktioniert der Sozialstaat aufs Beste.
Wuttke: Können Sie verstehen oder können Sie sich auch vorstellen, dass Ihre Argumentation, die so ganz klare Trennlinien zieht zwischen dem systemisch Notwendigen und dem persönlich Verantwortlichen, dazu geführt hat, dass die FDP sich in dieser großen Krise befindet?
Döring: Ich bin ganz sicher, dass es Wählerinnen und Wähler gibt für eine Partei, die den Einzelnen, das Individuum, den Menschen in den Mittelpunkt stellt, und nicht das Kollektiv. Der erste Satz unseres Grundsatzprogramms lautet: Der Einzelne ist Grund und Grenze liberaler Politik. Und für eine Partei, die zuallererst den Menschen, den Bürgern vertraut, ist es eben … gibt es Platz in Deutschland. Und diesen Platz wollen wir uns erarbeiten und werden wir uns erarbeiten auch mit der Diskussion über das Grundsatzprogramm der FDP. Denn alle anderen Parteien sehen zuallererst die Rolle des Staates und nicht so sehr die Verantwortung der Bürgerinnen und Bürger. Wir haben ein anderes Gesellschaftsbild und dafür gibt es viel Unterstützung und wird es noch mehr Unterstützung geben, wenn wir diese Grundsätze neu, sagen wir mal, aktualisiert beschlossen haben auf unserem Bundesparteitag in Karlsruhe.
Wuttke: Wie unterscheiden Sie denn das, was Sie gerade mit kollektiv beschrieben haben, und das durchaus ja auch immer noch geltende liberale Gleichheitsgebot?
Döring: Wir reden ja als Liberale immer von Chancengleichheit, nie von Leistungsgleichheit oder Ergebnisgleichheit. Jeder soll die eigenen Fähigkeiten ausleben können und mit diesen Chancen auch das Beste aus seinem Leben machen können. Dafür müssen wir Freiräume schaffen. Aber die Vorstellung, dass das Ergebnis der sozialen Marktwirtschaft ist, dass am Ende alle gleich wohlhabend oder alle gleich arm sind, diese Vorstellung haben wir nie geteilt. Das mögen die Botschaften von Sozialisten und Sozialdemokraten sein, das ist nicht die Vorstellung einer liberalen Gesellschaft. Und diese Unterschiede werden deutlich, wenn wir sehen, welche Freiräume es denn gibt in einer offenen Demokratie für Leistungsgerechtigkeit, für Chancengerechtigkeit, und wie andere denken, dass der Staat alles richten kann. Das sind die Unterschiede und diese Unterschiede machen wir deutlich.
Wuttke: Die FDP in der letzten Vorbereitungsphase für ein neues Grundsatzprogramm, dazu im Interview der "Ortszeit" von Deutschlandradio Kultur Patrick Döring, der designierte Generalsekretär der Partei. Herr Döring, ich danke Ihnen, besten Tag!
Döring: Vielen Dank, Frau Wuttke!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.