Trauer um das Dorf, das wir alle in uns tragen
Mit ihrem Debüt "Altes Land" landete sie einen Bestseller. Nun ist Dörte Hansens zweiter Roman "Mittagsstunde" auf dem Markt. Kolja Mensing attestiert ihm Widerstandskraft gegen die Debatte um die "Zukunftsfähigkeit" Deutschlands.
"Altes Land", die Geschichte einer alleinerziehenden Mutter, die sich aus Hamburg aufs Land flüchtet, um dort mit ihrer schwierigen Familiengeschichte konfrontiert zu werden, gehört zu den bestverkauften deutschsprachigen Romanen der vergangenen Jahre. Solch ein Erfolg hat ja fast immer den Effekt, dass auch das Nachfolgerbuch auf Anhieb ein Verkaufshit wird.
Kolja Mensing sagt über "Mittagsstunde", das zweite Buch von Dörte Hansen, das wieder ein Dorfroman ist:
"Die Fans können froh sein, Dörte Hansen bleibt sich treu. (...) Da sind sicher erst mal diese ganz starken und breitenwirksamen Themen. (...) In der 'Mittagsstunde' gibt es wieder Familiengeschichte, wieder mit einer Spannung, die auf die Nachkriegszeit zurückgeht. Und auch das Thema Land ist wieder da, diesmal aber ganz konkret bezogen auf das Phänomen der untergehenden Dörfer. Brinkelbühl wird gewissermaßen zum Modell für eine ganze bereits untergegangene Welt: für das Verschwinden von Storchennestern, von Pferdegespannen, von den kleinen Edeka-Läden, von den Music-Boxen, die in den Dorfgasthöfen stehen ... und natürlich auch vom Verschwinden der Mittagstunde, denn wer hält die in Deutschland eigentlich noch ein?"
Was haben wir eigentlich verloren?
Der Roman "Mittagsstunde" zeige, so Mensing, noch einmal sehr deutlich, dass gerade extrem erfolgreiche Unterhaltungsliteratur ein gewisses Widerstandspotential habe − zumindest auf einer emotionalen Ebene. Dörte Hansen sei ganz nah an einem Gefühl, das derzeit ganz viele Menschen hätten, während die Politiker und Kommentatoren in den Medien viel darüber reden würden, dass Deutschland "zukunftsfähig" werden müsse. Am Beispiel des Dorfes Brinkelbühl frage Dörte Hansen, was wir eigentlich alles verloren haben. Da stehe eben ganz oben "das Dorf, das wir alle in uns tragen".
Fazit von Kolja Mensing: "Ein trauriger, aber auch ganz toller Roman."
(cre)