Dogon-Schnitzer bewahren "die traditionellen, klassischen Formen"
Der Historiker Wolfgang sieht auch bei den aktuellen Schnitzereien der afrikanischen Dogon eine hohe Qualität. Auch wenn die Holzskulpturen in der Bonner Bundeskunsthalle ausgestellt werden, seien sie keine Kunst im eigentlichen Sinn, sondern praktische, religiöse Objekte.
Dieter Kassel: "Dogon – Weltkulturerbe aus Afrika" heißt die Ausstellung, die morgen in der Bundeskunsthalle in Bonn beginnt. Michael Köhler hat sie uns vorgestellt. Und es stellt sich eigentlich sofort die Frage, warum denn ausgerechnet diese afrikanische Kunst schon seit so langer Zeit in Europa so beliebt und so bekannt ist. Wie das gekommen ist, das habe ich zu Beginn unseres Gesprächs vor der Sendung Professor Wolfgang Lauber gefragt. Er ist eigentlich Architekturhistoriker, aber seit 20 Jahren ungefähr schon auch ein Kenner der Dogon-Geschichte.
Wolfgang Lauber: Zunächst mal diese Kolonisation der, man sagt dazu die Frankofonie, wo französisch gesprochen wird, und dieses frankofone Afrika, der sogenannte Westsudan, war im Prinzip der Anlass, dass sich die Franzosen mit diesem Volk der Dogon beschäftigt haben, das war Ende des 19. Jahrhunderts.
Dort gab es einen Oberst, der im Gegensatz zu vielen Militärs sehr kulturinteressiert war, und der hat präzise Forschungen über die Herkunft der Dogon gemacht. Die Dogon waren damals Bauern, die vor etwa tausend Jahren im sogenannten heutigen Mauretanien für die Leute dort ihre Hackfrüchte angebaut haben.
Die wurden sodann als Sklaven von den Arabern gejagt, und die Dogon sind dann in dieses felsige Gebiet, die Kliffs von Bandiagara eingewandert im Sinne einer Fluchtbewegung, haben ihre wertvollen Figuren, die in der Ausstellung in Bonn auch zu sehen sind, mitgenommen und haben sich dort installiert und waren sicher vor den Reitervölkern der Araber, die damals immer wieder Attacken gegen diese Dogon geführt haben.
Kassel: Aber wie konnte denn ein solches Volk – Sie haben es ja gerade auch schon erwähnt, ein Bauernvolk – wie konnte denn ein solches Volk überhaupt eine solche Kunst, eine solche Kultur entwickeln? Das sind ja höchst filigrane Schnitzarbeiten überwiegend, über die wir hier sprechen.
Lauber: Sie haben heute noch – jetzt neuerdings wieder wird es gefördert, auch von der deutschen Entwicklungshilfe – junge Künstler, die also in einer unglaublichen Weise aus einem Stück Holz sozusagen aus dem Kopf heraus Figuren und Masken und so weiter schnitzen, ohne, wie es in der europäischen Kunst üblich ist, vorher irgendwelche Skizzen zu machen oder irgendwelche Formmodelle, sondern sie fangen an zu hacken und aus dem dicken Baumstamm hacken sie also die unglaublichsten Figuren heraus.
Diese Begabung steckt also gerade bei den Dogon in diesem Volk drin. Es ist eine grundsätzliche Begabung, die wir nicht in allen Gebieten Afrikas finden. Also vor allem kann man sagen, ist es das Gebiet der Savanne, die eben aufgrund ihrer Kargheit vielleicht eine größere, eine stärkere Geistigkeit hervorruft, und es ist auch eine starke Begabung der Afrikaner, die wir Europäer nicht so sehr und in dem Maße haben.
Kassel: Welche Funktion hat aber diese Kunst für das Volk der Dogon selber? Wenn wir über Kunst reden, dann meinen wir ja häufig Gegenstände, die bei uns halt im Museum hängen und die keine praktische Funktion haben. Es ist ja nicht diese Art von Kunst, für die Menschen, die sie herstellen.
Lauber: Nein, es sind religiöse Objekte, die nur der Religionsausübung, der Mythologie, der Ahnenverehrung dienen. Wie mir ein alter Dogon, von dem ein ganz berühmter Dogon-Reiter, der heute in USA drüben in einem großen Museum ist ... Dieser Reiter ist 1973 in einer großen Hungersnot, als es den Dogon sehr schlecht ging, von diesem Chef des Dorfes verkauft worden an einen Brüsseler Händler und dann nach USA, und der hat mir gesagt, man kann nicht vor Hunger sterben nur wegen eines Stückes Holz.
Das war seine Beurteilung dieses berühmten Reiters. Er hat den Reiter nicht als Kunstobjekt betrachtet, sondern der war religiös, war Aufsatz auf einer Kalebasse, in der Hirse und Korn aufbewahrt wurden, und der hatte nur die Aufgabe, dieses Korn zu bewahren. Wenn die Schutzfunktion nicht mehr gegeben ist, dann wird sie verkauft.
Und es gibt zum Beispiel grundsätzlich bei den Dogon die Regel, das der Großvater so lange verehrt wird, mit einer Figur, die bei seinem Tod geschnitzt wird, solange sich die Enkelkinder an ihn visuell erinnern können. Wenn die Erinnerung an den Großvater vergeht, dann wird diese Figur entweder im heiligen Wald – so heißt es dann, ein kleines Gehölz, ein heiliger Wald – vergraben oder die Enkel verkaufen die Figur. Dann hat sie ihre Bedeutung im mythologischen Sinne verloren.
Kassel: Wir reden heute im Deutschlandradio Kultur mit Wolfgang Lauber über die Kunst der Dogon. Anlass ist eine Ausstellung in Bonn mit Kunstwerken dieses afrikanischen Volkes, die morgen beginnt. Und es ist ja eins schon sehr klar geworden bei dem, was Sie gesagt haben, Herr Lauber, dass es seit langer, langer Zeit eben dieses große Interesse des Auslands von Kunstkennern, von Forschern gibt an den Dogon, an ihrer Kunst und an diesem Volk. Inwieweit hat denn das die Lebensweise dieser Menschen und vielleicht auch die Art und Weise, wie sie ihre Kunst herstellen, beeinflusst?
Lauber: Die Dogon hatten ein Prinzip: In Afrika ist alles bezahlbar, sagen sie. Das heißt, wenn ein Ethnologe oder ein Sammler ein Stück haben wollte, dann musste eine Kopie davon gemacht werden. Das verlangen sozusagen die Geister, die im animistischen Sinne verehrt werden, und wenn eine Figur als Kopie hergestellt wurde, dann ist diese Originalfigur verkauft worden.
Das ist ein Prinzip, das heute noch in Afrika weitestens gilt. Es entwickelte sich im Laufe der letzten 15 Jahre. Seitdem wir begonnen haben, die Architektur der Dogon aufzunehmen und zu dokumentieren, entwickelte sich ein sogenannter Ethnotourismus, der vielen Dörfern zusätzliche Einnahmen gegeben hat durch kleine Campements, die die Leute gebaut haben, wo die Touristen versorgt werden mit Essen, mit Trinken, wo sie auch mal schlafen können.
Es wurden von der deutschen Entwicklungshilfe wichtige Straßen gebaut, man kann heute rund um das Dogon-Plateau auf sehr gut ausgebauten Straßen fahren, und das erleichtert natürlich diese touristische Entwicklung, die auch gekoppelt ist dann mit kunsthandwerklichen Schnitzzentren, wo junge Schnitzer heute dann Kunsthandwerk herstellen, wo Frauenkooperativen die berühmten Dogon-Webereien und Stoffe herstellen im Sinne des Kulturerhaltes.
Kassel: Und all das hat die Kultur und die Kunst nicht verfälscht? In vielen Gegenden der Welt hat ja Ethnotourismus, so positiv er gemeint ist, auch dazu geführt, dass dann ehemalige Naturvölker plötzlich anfangen, nur noch Kunsthandwerk für Touristen herzustellen, und die eigentliche Kunst verkümmert. Das ist bei den Dogon nicht passiert?
Lauber: Es ist im Wesentlichen, kann man sagen, nicht passiert. Die Dogon, also die jungen Schnitzer halten sich heute noch an die traditionellen, klassischen Formen, schnitzen also noch die Figuren, machen auch Masken für die Tänze, die nach wie vor eine hohe Qualität haben. Die Architektur ist entscheidend wiederbelebt worden, die traditionelle Architektur. Wir haben durch unsere Dokumentation den Hinweis, dass diese Architektur in fantastischem Sinne eine ökologische Architektur ist, die in bester Weise sich mit dem harten Klima, dem trocken-heißen Klima der Savanne auseinandersetzt
Und es gibt heute sehr viele junge Dogon, die nun die Häuser, ihre neuen Häuser wieder in dem alten Sinne bauen. Dazu gehört natürlich, dass von einer "Mission Culturelle", heißt die, in Bandiagara, in der Regionshauptstadt, darauf geachtet wird, dass also zum Beispiel die Häuser, die neuen Häuser nicht plötzlich mit Wellblech und so weiter gedeckt werden, sondern dass in traditionellem Sinne also mit Steinen und Lehm die Häuser gebaut werden.
Kassel: Wolfgang Lauber über die Kunst der Dogon und die Menschen dieses Volkes im Osten von Mali. Kunst der Dogon ist ab morgen in der Bundeskunsthalle in Bonn zu sehen, die Ausstellung "Dogon – Weltkulturerbe aus Afrika" läuft dort dann noch bis zum 22. Januar des kommenden Jahres.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Wolfgang Lauber: Zunächst mal diese Kolonisation der, man sagt dazu die Frankofonie, wo französisch gesprochen wird, und dieses frankofone Afrika, der sogenannte Westsudan, war im Prinzip der Anlass, dass sich die Franzosen mit diesem Volk der Dogon beschäftigt haben, das war Ende des 19. Jahrhunderts.
Dort gab es einen Oberst, der im Gegensatz zu vielen Militärs sehr kulturinteressiert war, und der hat präzise Forschungen über die Herkunft der Dogon gemacht. Die Dogon waren damals Bauern, die vor etwa tausend Jahren im sogenannten heutigen Mauretanien für die Leute dort ihre Hackfrüchte angebaut haben.
Die wurden sodann als Sklaven von den Arabern gejagt, und die Dogon sind dann in dieses felsige Gebiet, die Kliffs von Bandiagara eingewandert im Sinne einer Fluchtbewegung, haben ihre wertvollen Figuren, die in der Ausstellung in Bonn auch zu sehen sind, mitgenommen und haben sich dort installiert und waren sicher vor den Reitervölkern der Araber, die damals immer wieder Attacken gegen diese Dogon geführt haben.
Kassel: Aber wie konnte denn ein solches Volk – Sie haben es ja gerade auch schon erwähnt, ein Bauernvolk – wie konnte denn ein solches Volk überhaupt eine solche Kunst, eine solche Kultur entwickeln? Das sind ja höchst filigrane Schnitzarbeiten überwiegend, über die wir hier sprechen.
Lauber: Sie haben heute noch – jetzt neuerdings wieder wird es gefördert, auch von der deutschen Entwicklungshilfe – junge Künstler, die also in einer unglaublichen Weise aus einem Stück Holz sozusagen aus dem Kopf heraus Figuren und Masken und so weiter schnitzen, ohne, wie es in der europäischen Kunst üblich ist, vorher irgendwelche Skizzen zu machen oder irgendwelche Formmodelle, sondern sie fangen an zu hacken und aus dem dicken Baumstamm hacken sie also die unglaublichsten Figuren heraus.
Diese Begabung steckt also gerade bei den Dogon in diesem Volk drin. Es ist eine grundsätzliche Begabung, die wir nicht in allen Gebieten Afrikas finden. Also vor allem kann man sagen, ist es das Gebiet der Savanne, die eben aufgrund ihrer Kargheit vielleicht eine größere, eine stärkere Geistigkeit hervorruft, und es ist auch eine starke Begabung der Afrikaner, die wir Europäer nicht so sehr und in dem Maße haben.
Kassel: Welche Funktion hat aber diese Kunst für das Volk der Dogon selber? Wenn wir über Kunst reden, dann meinen wir ja häufig Gegenstände, die bei uns halt im Museum hängen und die keine praktische Funktion haben. Es ist ja nicht diese Art von Kunst, für die Menschen, die sie herstellen.
Lauber: Nein, es sind religiöse Objekte, die nur der Religionsausübung, der Mythologie, der Ahnenverehrung dienen. Wie mir ein alter Dogon, von dem ein ganz berühmter Dogon-Reiter, der heute in USA drüben in einem großen Museum ist ... Dieser Reiter ist 1973 in einer großen Hungersnot, als es den Dogon sehr schlecht ging, von diesem Chef des Dorfes verkauft worden an einen Brüsseler Händler und dann nach USA, und der hat mir gesagt, man kann nicht vor Hunger sterben nur wegen eines Stückes Holz.
Das war seine Beurteilung dieses berühmten Reiters. Er hat den Reiter nicht als Kunstobjekt betrachtet, sondern der war religiös, war Aufsatz auf einer Kalebasse, in der Hirse und Korn aufbewahrt wurden, und der hatte nur die Aufgabe, dieses Korn zu bewahren. Wenn die Schutzfunktion nicht mehr gegeben ist, dann wird sie verkauft.
Und es gibt zum Beispiel grundsätzlich bei den Dogon die Regel, das der Großvater so lange verehrt wird, mit einer Figur, die bei seinem Tod geschnitzt wird, solange sich die Enkelkinder an ihn visuell erinnern können. Wenn die Erinnerung an den Großvater vergeht, dann wird diese Figur entweder im heiligen Wald – so heißt es dann, ein kleines Gehölz, ein heiliger Wald – vergraben oder die Enkel verkaufen die Figur. Dann hat sie ihre Bedeutung im mythologischen Sinne verloren.
Kassel: Wir reden heute im Deutschlandradio Kultur mit Wolfgang Lauber über die Kunst der Dogon. Anlass ist eine Ausstellung in Bonn mit Kunstwerken dieses afrikanischen Volkes, die morgen beginnt. Und es ist ja eins schon sehr klar geworden bei dem, was Sie gesagt haben, Herr Lauber, dass es seit langer, langer Zeit eben dieses große Interesse des Auslands von Kunstkennern, von Forschern gibt an den Dogon, an ihrer Kunst und an diesem Volk. Inwieweit hat denn das die Lebensweise dieser Menschen und vielleicht auch die Art und Weise, wie sie ihre Kunst herstellen, beeinflusst?
Lauber: Die Dogon hatten ein Prinzip: In Afrika ist alles bezahlbar, sagen sie. Das heißt, wenn ein Ethnologe oder ein Sammler ein Stück haben wollte, dann musste eine Kopie davon gemacht werden. Das verlangen sozusagen die Geister, die im animistischen Sinne verehrt werden, und wenn eine Figur als Kopie hergestellt wurde, dann ist diese Originalfigur verkauft worden.
Das ist ein Prinzip, das heute noch in Afrika weitestens gilt. Es entwickelte sich im Laufe der letzten 15 Jahre. Seitdem wir begonnen haben, die Architektur der Dogon aufzunehmen und zu dokumentieren, entwickelte sich ein sogenannter Ethnotourismus, der vielen Dörfern zusätzliche Einnahmen gegeben hat durch kleine Campements, die die Leute gebaut haben, wo die Touristen versorgt werden mit Essen, mit Trinken, wo sie auch mal schlafen können.
Es wurden von der deutschen Entwicklungshilfe wichtige Straßen gebaut, man kann heute rund um das Dogon-Plateau auf sehr gut ausgebauten Straßen fahren, und das erleichtert natürlich diese touristische Entwicklung, die auch gekoppelt ist dann mit kunsthandwerklichen Schnitzzentren, wo junge Schnitzer heute dann Kunsthandwerk herstellen, wo Frauenkooperativen die berühmten Dogon-Webereien und Stoffe herstellen im Sinne des Kulturerhaltes.
Kassel: Und all das hat die Kultur und die Kunst nicht verfälscht? In vielen Gegenden der Welt hat ja Ethnotourismus, so positiv er gemeint ist, auch dazu geführt, dass dann ehemalige Naturvölker plötzlich anfangen, nur noch Kunsthandwerk für Touristen herzustellen, und die eigentliche Kunst verkümmert. Das ist bei den Dogon nicht passiert?
Lauber: Es ist im Wesentlichen, kann man sagen, nicht passiert. Die Dogon, also die jungen Schnitzer halten sich heute noch an die traditionellen, klassischen Formen, schnitzen also noch die Figuren, machen auch Masken für die Tänze, die nach wie vor eine hohe Qualität haben. Die Architektur ist entscheidend wiederbelebt worden, die traditionelle Architektur. Wir haben durch unsere Dokumentation den Hinweis, dass diese Architektur in fantastischem Sinne eine ökologische Architektur ist, die in bester Weise sich mit dem harten Klima, dem trocken-heißen Klima der Savanne auseinandersetzt
Und es gibt heute sehr viele junge Dogon, die nun die Häuser, ihre neuen Häuser wieder in dem alten Sinne bauen. Dazu gehört natürlich, dass von einer "Mission Culturelle", heißt die, in Bandiagara, in der Regionshauptstadt, darauf geachtet wird, dass also zum Beispiel die Häuser, die neuen Häuser nicht plötzlich mit Wellblech und so weiter gedeckt werden, sondern dass in traditionellem Sinne also mit Steinen und Lehm die Häuser gebaut werden.
Kassel: Wolfgang Lauber über die Kunst der Dogon und die Menschen dieses Volkes im Osten von Mali. Kunst der Dogon ist ab morgen in der Bundeskunsthalle in Bonn zu sehen, die Ausstellung "Dogon – Weltkulturerbe aus Afrika" läuft dort dann noch bis zum 22. Januar des kommenden Jahres.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.