Anna Rakhmanko (Text) und Mikkel Sommer (Zeichnungen): "Hinterhof"
Aus dem Dänischen übersetzt von Katharina Erben
Avant Verlag, 2022
128 Seiten, 20 Euro
Comic über Sexarbeit
Dasa Hink hilft als Sexarbeiterin und Domina Menschen dabei, ihre sexuellen Bedürfnisse auszuleben. © Mikkel Sommer
Die Macht der Fantasien
07:29 Minuten
Dasa Hink geht in einem Großstadthinterhof ihrem Gewerbe als Sexarbeiterin nach. Wie ein Dokumentarfilm beleuchtet der Comic "Hinterhof" von Anna Rakhmanko und Mikkel Sommer den Alltag einer Domina: realistisch, unaufgeregt und sehr erhellend.
Der eine steht auf den Geruch von Lippenstift, den anderen erregt der bloße Anblick einer Zunge. Und der dritte, Otto, Mitte 80, liebt es, wenn man auf ihn uriniert.
Sie alle sind Kunden und Kundinnen von Dasa Hink, einer Domina, die in einem Großstadt-Hinterhof ihrem Gewerbe nachgeht. Hart und doch auch zart und behutsam kümmert sie sich um Männer, Frauen und Transpersonen, die mit ihren sexuellen Bedürfnissen zu ihr kommen. Dasa weiß um ihre Macht - und ihre Verantwortung gegenüber diesen Menschen, die im "Normalleben" wegen ihrer sexuellen Vorlieben und Fetische stigmatisiert würden.
Sexarbeit - komplex und kompliziert
Was nach einer Doku über das Leben einer Domina klingt, ist auch eine, nur nicht als Film, sondern in Comicform. „Hinterhof“ heißt dieses ungewöhnliche Werk des dänischen Autorenduos Mikkel Sommer und Anna Rakhmanko, das von der Künstlerin und Sexarbeiterin Dasa Hink erzählt.
Käuflicher Sex gehört zu den sehr kontrovers diskutierten Themen der feministischen Bewegung, Ein Aufregerthema, weil viele dabei zuerst an Zuhälter und männlich geführte Bordelle denken, in denen Frauen und ihre Körper ausgebeutet werden. Dass es aber auch Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter gibt, die selbstbestimmt arbeiten, macht die Sache komplex - und komplizierter.
Ein filmischer Comic
Der dokumentarische Comic ist tatsächlich sehr filmisch gestaltet, findet die Kulturjournalistin Jule Hoffmann, die das Buch mit großer Faszination gelesen hat. "Sehr schön" findet sie unter anderem Dasa Hinks Lesart der Vorlieben ihrer Kundinnen und Kunden: "Sie bezeichnet die sexuelle Erregung durch Fetische als Superkraft und sagt auch, dass es wichtig ist, dass man seine Superkraft kennt. Da wird ein sehr positiver und lebensbejahender Umgang mit Sexualität deutlich."
Genau das spiegele sich auch in den BIldern wider, die "nicht ausstellend" seien. "Es werden keine explizit pornografischen Darstellungen gezeigt. Es gibt auch keine knalligen Farben. Trotzdem würde ich sagen: Es sind erotische Zeichnungen, die lässig hinskizziert sind", sagt Hoffmann.
Jenseits der Schmuddelecke
Das Ganze wirke fast ein wenig harmlos. Das einzig Beunruhigende in und an den Bildern seien Beschriftungen an Schubladen, die explizit darüber Auskunft gäben, welche Fetische darin aufbewahrt werden: "Tiermasken", "Harnröhren" oder "Atemreduktion extrem" ist dort zu lesen.
Darüber hinaus werde Dasa Hink als einfühlsame, entspannte und auch vielseitige Person gezeigt, die über ihre Ambitionen als Künstlerin spreche - und darüber, wie man am besten einen Salat zubereitet.
"Hinterhof" leistet aus Hoffmanns Sicht einen gesellschaftspolitischen Beitrag: Indem das Comic das breite Spektrum sexueller Spielarten thematisiert und Dasa Hinks Arbeit als Domina als etwas Selbstverständliches jenseits jeder Schmuddelecke zeigt.
(mkn)