Doku "Regeln am Band, bei hoher Geschwindigkeit"

Die Misere auf Deutschlands Schlachthöfen

08:41 Minuten
Frauen mit Schürzen, Mundschutz und Hauben auf dem Kopf machen alle die gleichen Bewegungen mit einem Messer in ihrer Hand.
Der Film zeigt die Ausbeutung in der Fleischindustrie - und wie Gymnasiastinnen (hier im Bild) sich über Theaterproben der Arbeitsbedingungen dort bewusst werden. © JIP Film
Anne Kunze im Gespräch mit Gesa Ufer |
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In "Regeln am Band, bei hoher Geschwindigkeit" zeigt Yulia Lokshina, wie osteuropäische Leiharbeiter in der deutschen Fleischindustrie ausgebeutet werden. Die Reporterin Anne Kunze hat auch dazu recherchiert und findet den Film "ziemlich smart".
"Regeln am Band, bei hoher Geschwindigkeit" heißt der beste Dokumentarfilm des diesjährigen Max-Ophüls-Filmfestivals. In dem Film, der diese Woche in die Kinos kommt, nähert sich die Regisseurin Yulia Lokshina den Arbeitsbedingungen in der deutschen Fleischindustrie und dem System Tönnies.
Die Lebenswirklichkeit der Arbeiterinnen und Arbeiter werde in der Dokumentation gut eingefangen, sagt Anne Kunze, Redakteurin bei der Wochenzeitung "Die Zeit". Kunze hat selbst vor fünf Jahren über die Arbeitsbedingungen auf den Schlachthöfen recherchiert und teilweise auch mit den gleichen Menschen gesprochen. Sie sei damals "fassungslos" gewesen, wie die Menschen dort leben und arbeiten. "Mich hat das an Beschreibungen aus dem Manchester-Kapitalismus erinnert, wie sie da in Sechs-Bett-Zimmern hausen."

Lebenswirklichkeit kommt bei Deutschen nicht an

Yulia Lokshinas Film arbeitet mit drei Ebenen: Die Regisseurin begleitet osteuropäische Leiharbeiterinnen und Leiharbeiter, die in einem Schlachtbetrieb in der westdeutschen Provinz ums Überleben kämpfen. Sie filmt Aktivistinnen und Aktivisten, die sich bei den Behörden für die Rechte der Arbeiterinnen und Arbeiter einsetzen. Und sie ist dabei, als an einem Gymnasium in München das Brecht-Theaterstück "Die heilige Johanna der Schlachthöfe" geprobt wird.
Die Verzahnung der drei Ebenen findet Anne Kunze gelungen: Es sei "ziemlich smart", wie der Film die Metaebene hart gegen die Realität geschnitten habe. "Die heilige Johanna der Schlachthöfe" sei ein sehr guter Kommentar zu den Zuständen in der Fleischindustrie.
Der Film fängt auch Reaktionen der deutschen Bevölkerung auf die Situation der Arbeiter an. In einer Szene etwa erzählt ein rumänischer Arbeiter im Deutsch-Unterricht von einem Arbeitsunfall. Sein Lehrer kommentiert die Schilderung mit Aussagen wie der, dass der Arbeiter sich wohl nicht konzentriert habe, sonst wäre das nicht passiert. Die Szene sei "sehr, sehr befremdlich" und "zugleich sprechend", sagt Zeit-Redakteurin Kunze. Sie habe auch solche Beobachtungen als Reporterin gemacht: Die Lebenswirklichkeit der Arbeiter komme häufig bei den Deutschen nicht an.
(jfr)
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