Die Sucht nach Kunst
Für den Schauspieler Udo Kier ist das Sammeln von Kunst eine Sucht. Von dieser Leidenschaft erzählt Hermann Vaskes Dokumentarfilm "Arteholic" und bringt dem Zuschauer so Kunstwerke näher, ohne dabei belehrend zu sein.
"Steht die Form, aus Lehm gebrannt.
Heute muss die Glocke werden.
Frisch Gesellen, seid zur Hand."
Frisch Gesellen, seid zur Hand."
Der Schauspieler Udo Kier rezitiert Schillers Ballade im Kunstmuseum Bonn. Er besucht hier eine Ausstellung des Künstlers Marcel Odenbach, mit dem ihn eine langjährige Freundschaft verbindet. Odenbach erläutert ihm seine fast fotorealistischen, aber aus vielen kleinen Zeitungsschnipseln zusammengesetzten Werke:
"Das sind die berühmten Roben in Karlsruhe, vom Bundesverfassungsgericht."
"Da kann man ja stundenlang anschauen vor deinen Arbeiten stehen und diese ganzen Köpfe und Gesichter..."
"Das ist alles zu entdecken, also die Arbeiten haben zwei Ebenen, einmal sozusagen die vordere Ebene, was es zeigt und jede vordere Ebene hat dann noch eine innere Ebene, diese Schnipsel, wie ich es nenne. Es gibt Arbeit, an der habe ich einen Monat dran gearbeitet, an der hier, das ist der Obersalzberg, die berühmte Terrasse von Adolf Hitler, da habe ich vier Monate dran gearbeitet."
Der Dokumentarfilm "Arteholic" erzählt von Udo Kiers Leidenschaft für zeitgenössische Kunst und flaniert mit ihm durch die heiligen Hallen der Moderne: Vom Kunstmuseum in Bonn, über das Museum Ludwig in Köln führt die Reise nach Paris ins Centre Pompidou, vom Frankfurter Städel über das Louisiana Museum bei Kopenhagen zum Hamburger Bahnhof in Berlin. Udo Kier:
"Es gab ja kein Drehbuch in dem Sinne, es gab ein Buch mit einem Konzept. Das waren ja meine Geschichten, die wurden dann nicht vorher aufgeschrieben. Ist ja klar, dass wenn ich über Andy Warhol rede, dass ich dann auch vom Andy Warhol Bild, in diesem Film vor Porträts von Elizabeth Taylor in Blau im Centre Pompidou in Paris oder wenn ich über Karsten Höller rede, dann ist das im Hamburger Bahnhof in Berlin."
Die Sucht, von Kunst umgeben zu sein
Kunst sammeln und von Kunst umgeben sein, sei ihm eine Sucht gesteht der Schauspieler freimütig und dass er die bildenden Künstler um ihre Unabhängigkeit immer beneidet habe:
"Als Schauspieler bin ich abhängig vom Licht, damit man mich überhaupt sieht, und vom Kostüm vom Drehbuch und von allem, ich bin nur der, der da vorne steht. Und ein Stück Papier und einen Bleistift findet man immer und wenn das nicht da ist, ich kenne Maler, wie der Michael Buthe, dann hat der Kaffee genommen und irgendeine Serviette zerrissen und dann entstand etwas, was er einfach gerade machen wollte."
Im Film erzählt Udo Kier, wie etwa Georg Baseltz Gemälde "Der Adler" einen seiner frühen Kurzfilme inspiriert hat, er besucht befreundete Künstler und erinnert sich an tote Freunde, wie Andy Warhol oder Michael Buthe. Dabei zerfließen die Grenzen zwischen Realität und Performance und immer wieder stilisiert sich Kier über seine Erinnerungen, selbst zum Happening. Wenn er am Ostseestrand ein Porträt von sich mit dem Messer zerfetzt oder beim Sonnenuntergang im Hotel in Kopenhagen an alte Zeiten erinnert:
"Vor vielen Jahren, Düsseldorf,Ausstellung Michael Buthe, der später Professor wurde in Düsseldorf. Und man hatte einen Käfig aufgebaut und ich sass in diesem Käfig ohne Gitter und habe dann so, es ging um die Sonne und habe dann so monoton... (singt) Die Sonne schaut mir zu, die Sonne schaut mir zu, die Sonne schaut mir zu, die Sonne schaut mir zu..."
Ein ungewöhnlich lehrreicher Film
In seinen Begegnungen mit ganz unterschiedlichen Künstlern und seinen unerschöpflichen Erinnerungen führt Kier auf unterhaltsame Weise in die vielschichtige Welt der zeitgenössischen Kunst ein. Seine Reise führt von Gegenwartsklassikern wie Marcel Odenbach bis hin ins Atelier des polternden Feuilletonschreck Jonathan Meese.
"Kultur ist das, was der Staat will vom Künstler, oder der Professor, oder die Mutter, oder der Freund oder die Gesellschaft. Aber das das darf man nicht machen. Man muss das machen, was die Kunst will und nicht das was die Kultur will."
Über die einzelnen ganz unterschiedlichen Gespräche und Begegnungen kommen auch die Kunstwerke dem Zuschauer näher und so ist "Arteholic" ein ungewöhnlich lehrreicher Film. Dass es dabei nie didaktisch belehrend wird, dafür sorgt Udo Kiers permanente Selbstinszenierung zwischen Pathos, Ironie, Situationskomik und einer leichten Melancholie.