Dokument des Grauens
Im Dezember 1963 begann der erste Auschwitz-Prozess in der Bundesrepublik. Nun hat das Fritz Bauer Institut <papaya:link href="http://www.auschwitz-prozess.de/" text="Tonbandaufnahmen des Prozesses" title="Tonbandaufnahmen des Prozesses" target="_blank" /> ins Internet gestellt. Sie dokumentieren, mit welcher Kaltblütigkeit die Täter das Morden organisierten und mit welchen Ausflüchten sie auf die Anklage reagierten.
Mauritius Berner reiste aus Israel zum Prozess an. Fast 20 Jahre jünger, nämlich Anfang 40 war der Arzt gewesen, als er an Pfingsten 1944 mit seinen drei Töchtern und seiner Frau aus Siebenbürgen nach Auschwitz deportiert wurde. Doktor Berner erkennt den Mann an der Rampe: SS-Sturmbannführer Victor Capesius hatte zuvor als Arzneimittel-Vertreter der IG Farben in Ungarn gearbeitet. Jetzt nimmt er als Lager-Apotheker auf der Rampe die Selektion vor, trennt Mauritius Berner von seiner Familie, mit ach so einfühlsamen Worten:
"Ich begann zu schluchzen und er sagte auf Ungarisch ‚weinen Sie nicht‘, die gehen nur baden. In einer Stunde werden Sie sich wiedersehen."
Capesius sitzt auf der Anklagebank, er trägt Sonnenbrille. 1965 wird ihn das Gericht wegen "gemeinschaftlicher Beihilfe zum gemeinschaftlichen Mord" an mindestens 8000 Menschen verurteilen - zu neun Jahren Zuchthaus. Hat er selbst gemordet? Nein, befindet das Gericht, wie bei vielen Mitangeklagten, er habe geholfen, den befohlenen Massenmord auszuführen. Ida Berner, 38 Jahre alt mit der zwölfjährigen Susi und den neunjährigen Zwillingen Nora und Helga sind vier, die Capesius ins tödliche Giftgas schickte. Vier, deren Geschichte jetzt öffentlich zugänglich und für die Zukunft gesichert ist. Dank der aufgezeichneten und digitalisierten Aussage von Mauritius Berner, dem Ehemann und Vater:
"Nie habe ich sie mehr gesehen."
Öffentlich und für Forschung zugänglich macht die neue Online-Datenbank auch die Ausflüchte und Verharmlosungen der Täter. Original-Ton Viktor Capesius:
"Ich habe jedenfalls Herrn Doktor und auch sonst niemanden selektiert, aber an der Rampe bin während Amtszeiten also zwischen halb neun und halb fünf Nachmittag öfter gewesen."
Capesius, so schrieb Peter Schneider im Zeit-Magazin "überwachte das Einschütten von Zyklon B in die Gaskammer, verfolgte durchs Guckloch das Sterben, bis Stille und Erstarrung eintraten". Schuldbekenntnis? Einsicht? Fehlanzeige. Weder bei Tätern wie Capesius noch in der Gesellschaft, die systematisch weggeschaut hatte. Für Generalstaatsanwalt Fritz Bauer, den aus dem skandinavischen Exil zurückgekehrten jüdischen Sozialdemokraten, schwer zu verkraften, hält Werner Renz vom Fritz Bauer Institut fest:
"Seine Hoffnung war, politische Aufklärung zu betreiben, und die Reaktionen auf diese Prozesse waren weitgehend ablehnend. Sein Blick in die Vergangenheit diente ihm nur dazu, die Deutschen zu Demokraten zu erziehen, sprich zu Menschen, die sich einer Staatsführung widersetzen, die Verbrechen befiehlt. Das haben aber die meisten Deutschen nicht verstanden, sie haben sich wie die meisten Angeklagten darauf zurückgezogen und darauf berufen, dass eben von oben die Befehle gekommen seien und sie hätten nicht umhin können, diese Befehle auszuführen."
Angesichts von Ablehnung und Gleichgültigkeit resignierte Bauer, hielt das Verfahren für einen Fehlschlag in Sachen Aufklärung. Und behielt damit nicht unbedingt Recht, meint Werner Renz als Forscher am Fritz-Bauer-Institut:
"Im Rückblick sind wir mit Blick auf die Aufklärungswirksamkeit derartiger Prozesse nüchterner, versprechen uns nicht so viel von solchen Prozessen. Unsere Erwartungen sind geringer. Und unser Hauptgewicht liegt darauf, dass wir sehen, dass diese Prozesse eine Sachaufklärung betrieben haben, sprich, dass diese Prozesse das Geschehen in Auschwitz umfassend aufgeklärt haben. Dies ist die Bedeutung dieser Prozesse."
"Ich begann zu schluchzen und er sagte auf Ungarisch ‚weinen Sie nicht‘, die gehen nur baden. In einer Stunde werden Sie sich wiedersehen."
Capesius sitzt auf der Anklagebank, er trägt Sonnenbrille. 1965 wird ihn das Gericht wegen "gemeinschaftlicher Beihilfe zum gemeinschaftlichen Mord" an mindestens 8000 Menschen verurteilen - zu neun Jahren Zuchthaus. Hat er selbst gemordet? Nein, befindet das Gericht, wie bei vielen Mitangeklagten, er habe geholfen, den befohlenen Massenmord auszuführen. Ida Berner, 38 Jahre alt mit der zwölfjährigen Susi und den neunjährigen Zwillingen Nora und Helga sind vier, die Capesius ins tödliche Giftgas schickte. Vier, deren Geschichte jetzt öffentlich zugänglich und für die Zukunft gesichert ist. Dank der aufgezeichneten und digitalisierten Aussage von Mauritius Berner, dem Ehemann und Vater:
"Nie habe ich sie mehr gesehen."
Öffentlich und für Forschung zugänglich macht die neue Online-Datenbank auch die Ausflüchte und Verharmlosungen der Täter. Original-Ton Viktor Capesius:
"Ich habe jedenfalls Herrn Doktor und auch sonst niemanden selektiert, aber an der Rampe bin während Amtszeiten also zwischen halb neun und halb fünf Nachmittag öfter gewesen."
Capesius, so schrieb Peter Schneider im Zeit-Magazin "überwachte das Einschütten von Zyklon B in die Gaskammer, verfolgte durchs Guckloch das Sterben, bis Stille und Erstarrung eintraten". Schuldbekenntnis? Einsicht? Fehlanzeige. Weder bei Tätern wie Capesius noch in der Gesellschaft, die systematisch weggeschaut hatte. Für Generalstaatsanwalt Fritz Bauer, den aus dem skandinavischen Exil zurückgekehrten jüdischen Sozialdemokraten, schwer zu verkraften, hält Werner Renz vom Fritz Bauer Institut fest:
"Seine Hoffnung war, politische Aufklärung zu betreiben, und die Reaktionen auf diese Prozesse waren weitgehend ablehnend. Sein Blick in die Vergangenheit diente ihm nur dazu, die Deutschen zu Demokraten zu erziehen, sprich zu Menschen, die sich einer Staatsführung widersetzen, die Verbrechen befiehlt. Das haben aber die meisten Deutschen nicht verstanden, sie haben sich wie die meisten Angeklagten darauf zurückgezogen und darauf berufen, dass eben von oben die Befehle gekommen seien und sie hätten nicht umhin können, diese Befehle auszuführen."
Angesichts von Ablehnung und Gleichgültigkeit resignierte Bauer, hielt das Verfahren für einen Fehlschlag in Sachen Aufklärung. Und behielt damit nicht unbedingt Recht, meint Werner Renz als Forscher am Fritz-Bauer-Institut:
"Im Rückblick sind wir mit Blick auf die Aufklärungswirksamkeit derartiger Prozesse nüchterner, versprechen uns nicht so viel von solchen Prozessen. Unsere Erwartungen sind geringer. Und unser Hauptgewicht liegt darauf, dass wir sehen, dass diese Prozesse eine Sachaufklärung betrieben haben, sprich, dass diese Prozesse das Geschehen in Auschwitz umfassend aufgeklärt haben. Dies ist die Bedeutung dieser Prozesse."