Dokumentarfilm-Festival "Visible Evidence"
vom 14. bis zum 18. Dezember 2021 in Frankfurt am Main
Dokumentarfilme
"Nanook of the North" aus dem Jahr 1922 über das Leben der Inuit gilt als erster Dokumentarfilm, sagt Vinzenz Hediger. © imago stock&people
So wirkmächtig wie vor 100 Jahren
07:37 Minuten
1922 entstand der erste Dokumentarfilm. Das neue Genre sei eine Reaktion auf die politische Krise der Zeit gewesen, sagt der Filmwissenschaftler Vinzenz Hediger. Das Format habe demokratische Prozesse beeinflusst und sei bis heute unverändert wichtig.
Dokumentarfilme wollen auf der Grundlage von Fakten soziale Sachverhalte darstellen – auch damit aus dem, was man darin lernt, politische Konsequenzen gezogen werden. So definiert es Vinzenz Hediger.
Er ist Professor an der Goethe-Universität Frankfurt am Main und organisiert das Dokumentarfilmfestival „Visible Crisis“, dessen Schwerpunktthema sich um die aktuell diagnostizierte Krise der Demokratie dreht.
Die Bevölkerung aufklären
In den 1920er-Jahren sei der Dokumentarfilm als Reaktion auf die damals so wahrgenommene Krise der liberalen Demokratie entstanden.
„Plötzlich gab es ganz viele Stimmberechtigte, die vorher nicht dabei waren und von denen man sich fragte, ob die überhaupt genügend wissen, um an politischen Prozessen teilzunehmen", erläutert Hediger.
Schon früh seien Dokumentarfilme auch im Auftrag von Regierungsstellen realisiert worden, als Aufklärungsfilme und zum Insbildsetzen der Bürgerinnen und Bürger. „Das ist etwas, was die Form bis heute prägt.“
Aktualität "koloniales Erbe"
Nicht unterschätzen dürfe man, dass auch heute der Dokumentarfilm ein „wirkmächtiger Bereich“ sei. Dokus erreichten über Fernsehen und Internet ein sehr großes Publikum.
Das Filmfestival greife auch das zentrale Thema des kolonialen Erbes auf. Die Diskussion um die Restitution von Kunstgegenständen müsse erweitert werden, denn Filmarchivbestände des globalen Südens lagerten in Archiven des Nordens, so Hediger.
Die Diskussion und der Umgang mit diesem Erbe sei ein Teil globaler Verantwortung.
Demokratisierung durch Technik
Für die Gestaltung von Dokumentarfilmen gebe es durch die Miniaturisierung der Technik, etwa in Form digitalen Kameras, ganz neue Möglichkeiten und Nutzer. „Im Dokumentarfilm hat sich sicherlich die Utopie, dass es irgendwann mal zu einem wirklich demokratischen Medium wird, am stärksten realisiert", sagt der Filmwissenschaftler.