Dokumentarfilm

Ein Herrscher und seine Spiele

Moderation: Christopher Ricke · 27.01.2014
Die Hauptfiguren in Simone Baumanns Dokumentation "Putins Spiele" erzählen Geschichten von Korruption und Willkür. Der Film zeigt, was hinter den strengstens bewachten Zäunen der russischen Olympia-Baustelle passiert.
Christopher Ricke: Und die Produzentin des Films ist Simone Baumann, die kennt sich mit Putin-kritischen Filmen aus, hat auch den Dokumentarfilm "Der Fall Chodorkowski" produziert. Guten Morgen, Frau Baumann!
Simone Baumann: Guten Morgen!
Ricke: Werden Sie den Film eigentlich auch in Russland zeigen?
Baumann: Wir haben den Film in Russland zwei Mal gezeigt auf einem Festival in Moskau Anfang Dezember, mit dem wir sehr gut zusammenarbeiten. Es war aber nicht so einfach, da gab es sehr, sehr viel Druck. Aber der Festivalleiter hat sich entschieden, den Film trotzdem zu zeigen und hatte eine sehr, sehr große Resonanz. Aber im nationalen Fernsehen wird er sicher nicht gezeigt.
Ricke: Wie haben Sie denn diesen Druck, der da beschrieben wird, erlebt?
Baumann: Es war so, das war schon seit Sommer letzten Jahres geplant, dass sie den Film dort zeigen würden, und kurz vor dem Festival gab es dann Druck vom Kulturministerium, was das Festival ein bisschen unterstützt, der Stadt Moskau, den Film doch lieber aus dem Programm zu nehmen, da er nicht so staatstreu sei. Und dann kam auch die Polizei, hat die Festivalleiterin, die Kinoleiterin verhört und so weiter, und so weiter.
Viele, die überhaupt keine Chance haben, sind hoffnungslos
Ricke: Wie schwierig war es denn überhaupt für das Team in Sotschi, zu drehen, Interviews zu führen, Gesprächspartner zu finden, die auch wirklich was sagen wollten?
Baumann: Also ich muss sagen, es war sehr, sehr schwierig. Ich arbeite ja seit vielen Jahren in Russland und ich weiß, dass es da natürlich nicht einfach ist, bei kritischen Themen Leute zu finden. Aber wir haben 2011 angefangen zu drehen, und es wurde eigentlich mit jeder Drehperiode immer schwerer, Leute zu bekommen, weil sie wirklich nervös waren, weil sie Angst hatten. Und wir mussten immer sehr lange Anlauf nehmen und sie überzeugen. Und die Leute, die wir im Film haben, das sind dann wirklich die, die schon alles verloren hatten, also alle Prozesse, die versucht haben, auf gerichtlichem Weg zu klagen und so weiter und die gesehen haben, dass sie einfach überhaupt keine Chance haben gegen das System und vielleicht auch ein bisschen hoffnungslos gewesen sind oder noch sind. Und die haben dann gesagt: Okay, jetzt erzählen wir mal unsere Geschichte.
Ricke: Hoffnungslosigkeit, Wut auf System kann natürlich auch dazu führen, dass man in seiner Aussage überzieht. Haben Sie das überprüft?
Baumann: Ja, wir haben alle Fälle überprüft, wir hatten ja sehr, sehr viele, also wir haben über 100 Stunden Material, und die, die im Film sind, sind die aussagekräftigsten, und wir haben das natürlich überprüft, wir haben uns die Dokumente zeigen lassen, und ich muss sagen, es hat eben alles gestimmt: Also sie sind aufgrund des olympischen Gesetzes, weil es da sehr viele Möglichkeiten gibt, einfach enteignet worden.
Ricke: Schauen wir uns noch mal die Dreharbeiten an. Für Dreharbeiten braucht man eine Drehgenehmigung, das ist auf der ganzen Welt so. Wie kooperativ oder unkooperativ waren denn da die Behörden?
Baumann: Also wir haben jeden Dreh mindestens anderthalb Monate lang vorbereitet und haben uns natürlich um Genehmigungen bemüht. Ich muss auch sagen, die meisten Genehmigungen haben wir bekommen, und das war dahingehend kein Problem. Aber es ist ja so: Man gibt am Anfang das Thema allgemein an, das haben wir auch gemacht, und wir wollten die olympischen Objekte drehen, auf die meisten wurden wir gelassen. Es gab natürlich immer ein paar Sachen, die nie funktioniert haben, also zum Beispiel das Gelände von Gazprom, wo viele der Liftanlagen gebaut wurden, die haben uns nie drauf gelassen ohne Erklärung. Und es gab aber auch andere Gegenden in Sotschi, wo wir nie hingekommen sind.
Ricke: Das ist jetzt ein kritischer Film über das Lieblingsprojekt eines der mächtigsten Männer der Welt, und wir haben gehört, es gibt den Vorwurf, dass rund die Hälfte des Geldes in dubiosen Kanälen versickert ist. Das klingt ja ziemlich gefährlich. Haben Sie denn irgendwann mal Angst gehabt um ihr Team, um den Regisseur oder gar um sich selbst?
Möglichst im Rahme der Legalität
Baumann: Also ich würde sagen, man muss schon vorsichtig sein und muss versuchen, sich an die russischen Gesetze zu halten und keine Vorwand zu bieten, dass man dort vor Ort verhaftet wird. Das passiert dann meistens, wenn man sogenannte Formfehler macht. Da haben wir sehr, sehr drauf geachtet. Und wir haben immer versucht, im Rahmen der Legalität da zu bleiben. Es ist natürlich so ein Bienennest, wo man da reinsticht, das ist völlig klar, und das Thema Korruption haben wir am Ende auch am Beispiel von Valeri Morosow erzählt, einem Unternehmer, der am Ende migrieren musste und in London sitzt, also gar nicht mehr in Russland ist. Für Leute, die noch in Russland sind – wenn Sie so was aufdecken, wäre das zu gefährlich.
Ricke: Eingangs habe ich gesagt, dass Sie sich mit Putin-kritischen Filmen auskennen, der Chodorkowski-Film, für den Sie auch stehen, war ja ebenfalls diesem Präsidenten gegenüber sehr kritisch. Hatten Sie damals bei dem Film ähnliche Probleme, ist das besser geworden, schlechter?
Baumann: Also bei dem Film war es auch ähnlich, dass wir zu vielen Sachen keinen Zugang bekommen haben – dann doch. Aber als der gezeigt wurde in Moskau,das war gerade in der Zeit dieses kurzzeitigen Auftauens Ende 2011, Anfang 2012 vor den Präsidentenwahlen, wo Millionen Leute in Russland auf die Straße gegangen sind, und da waren die Rahmenbedingungen ehrlich gesagt etwas besser als jetzt.
Ricke: Die Produzentin des Films "Putins Spiele" Simone Baumann. Arte sendet diesen Film morgen Abend im Rahmen eines Themenabends. Vielen Dank, Frau Baumann!
Baumann: Vielen Dank!
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