Wie geht es dem queeren San Francisco?
10:42 Minuten
Die Regisseurin Monika Treut hat nach über 20 Jahren noch einmal die queere Community in San Francisco besucht und erneut eine Doku gedreht. "Genderation" zeigt, dass das Leben für trans Menschen dort nicht einfacher geworden ist.
In dem Dokumentarfilm "Gendernauts" von Regisseurin Monika Treut aus dem Jahr 1999 erzählen trans Menschen und ihre Partner:innen von ihrem Leben in der Queer-Community in San Francisco, darunter Annie Sprinkle, Sandy Stone und Max Wolf Valerio. Damals war die Angleichung des Geschlechts noch wenig bis gar kein Thema in der Öffentlichkeit. Das hat sich geändert, heute trauen sich viel mehr Betroffene, ihre Transsexualität offen zu leben.
Wie altern trans Menschen?
Dennoch sind Probleme wie fehlende Akzeptanz und der Kampf um Identitätsfragen geblieben. Monika Treut hat mehr als 20 Jahre später ihre Protagonist:innen von damals wiedergetroffen – inzwischen sind diese 58 bis 84 Jahre alt. Wie altern trans Menschen und gibt es die Queer-Szene von damals noch? Aus dieser Frage ist der neue Treut-Film "Genderation" geworden, der jetzt im Kino zu sehen ist.
"Es ist komplizierter geworden", sagt die Filmemacherin über die aktuelle Lebenssituation ihrer Protagonist:innen. Gerade in der kalifornischen Westküstenmetropole San Francisco sei die Spaltung zwischen Arm und Reich größer geworden. Um 1999 sei die Stadt noch das "Mekka der queeren Community", das Leben dort erschwinglich gewesen.
"Heute sind durch die vielen Mitarbeiter:innen aus dem Silicon Valley, von den großen Hauptquartieren von Facebook, Google und Amazon, die Mieten fast unerschwinglich geworden. Viele der Künstler:innen und Genderexperimentierer:innen sind in andere Staaten in den USA vertrieben worden. Von daher ist die Lebensgrundlage einfach komplizierter."
"Es ist komplizierter geworden", sagt die Filmemacherin über die aktuelle Lebenssituation ihrer Protagonist:innen. Gerade in der kalifornischen Westküstenmetropole San Francisco sei die Spaltung zwischen Arm und Reich größer geworden. Um 1999 sei die Stadt noch das "Mekka der queeren Community", das Leben dort erschwinglich gewesen.
"Heute sind durch die vielen Mitarbeiter:innen aus dem Silicon Valley, von den großen Hauptquartieren von Facebook, Google und Amazon, die Mieten fast unerschwinglich geworden. Viele der Künstler:innen und Genderexperimentierer:innen sind in andere Staaten in den USA vertrieben worden. Von daher ist die Lebensgrundlage einfach komplizierter."
Sandy, die Matriarchin
Die, die geblieben sind, seien aber heute noch aktiv und lebten weiterhin ihre trans und queere Identität.
"Genderation" beschäftigt sich viel mehr mit der privaten Situation der Aktivist:innen als "Gendernauts" vor 20 Jahren, sagt Monika Treut. Sandy Stone ist mit über 80 Jahren die älteste Protagonistin, sie habe sich als "Matriarchin ihrer Patchworkfamilie sehr gut eingelebt und eingerichtet". Die Familie besteht aus mehr als 15 Personen. "Meine Protagonist:innen haben alle mehr oder weniger einen sehr positiven Lebensentwurf für sich gelebt oder leben es immer noch", sagt Treut.
Im Film spricht die Gendertheoretikerin Susan Stryker auch von der gewachsenen Bedrohung durch rechtsextreme und autoritäre Strömungen in den USA, gegen die die Community zusammenhalten müsse. Stryker beklagt, dass sich die Progressiven untereinander bekämpfen, statt gemeinsam aktiv zu werden.
Auch Treut sieht ein "Wiedererwachen der rechten Bewegungen". Exemplarisch dafür stehe in Deutschland die AfD, die mit dem Slogan "Das normale Deutschland" Wahlkampf betrieben habe und alles, was von der vermeintlichen Normalität abweiche, als fürchterlich ansehe.
So werde dort unter anderem vom "Genderwahnsinn" gesprochen. "Da haben wir ja fast den Eindruck, dass es wieder einen Kulturkampf von rechten Bewegungen gibt. Das sehen wir ja auch in Polen, in Russland und der Türkei, dass die heilige Familie wieder nach vorne gehoben werden soll. Und alles, was an abweichender Genderidentität und abweichender Sexualität da ist, wird verteufelt."
Konkurrenz der Minderheiten
Genau dagegen wehrten sich Susan Stryker und viele aus der Queer- und Trans-Bewegung, sagt Monika Treut. Es sei sehr "unproduktiv" die einzelnen Minderheiten gegeneinander auszuspielen. Auch in Deutschland sprächen manche Feministinnen trans Frauen das Frausein ab und wollten mit trans Frauen nicht zusammenarbeiten. "Das halte ich für sehr gefährlich."
Viel Positives habe sich in den letzten Jahren im Bereich des medizinischen Wissens und der psychologischen Betreuung von trans Menschen getan, sagt Treut. Zugleich sei in Deutschland der Prozess der Anerkennung als Bürger:innen für trans Menschen noch immer kompliziert. Deshalb freue sie sich auch, dass zwei offen lebende trans Frauen, Tessa Ganserer und Nyke Slawik, in den neuen Bundestag gewählt worden sind.