Wie die SED einen Volksaufstand verhindern wollte
Die Planungen lagen in der Schublade: Zigtausende DDR-Oppositionelle sollten im Falle eines drohenden Aufstands in Lager interniert werden. Eine ARD-Doku legt die Pläne offen und zeigt auch, warum es nicht dazu gekommen ist.
Filmausschnitt: "Transportplan: Zuführung Kennziffer 4.1. zum Isolierungsobjekt der KD Weimar. Tja, warum ich hier an erster Stelle bin? Scheinbar war ich besonders gefährlich für die Leute."
Rudolf Keßner liest aus einem Stasi-Bericht. Zu DDR-Zeiten gehörte er einer Gruppe an, die Rechtsberatung zum Wehrdienst anbot. Das genügte, um ihn zum Zielobjekt des sogenannten Vorbeugekomplexes zu machen, von dem der ARD-Dokumentarfilm "Honeckers unheimlicher Plan" erzählt. Dieser geheim und ohne jede juristische Grundlage gefasste Plan des Ministeriums für Staatssicherheit sah vor, während sogenannter Spannungsperioden bis zu 85.000 als oppositionell eingeschätzte DDR-Bürger in Isolierungslager zu stecken:
Rudolf Keßner: "Naja, die Gefahr, man hat sie geahnt irgendwo. Aber wenn man das dann hier so liest, das ist alles nicht lustig, nein, das ist nicht lustig."
1967 begann die Stasi mit den Planungen, die bis zum November 1989 immer weiter perfektioniert wurden. Das Motiv waren die Erfahrungen aus dem Volksaufstand von 1953 - der Vorbeugekomplex sollte jeden künftigen Aufruhr im Keim ersticken. Die Stasi unterteilte Verdächtige nach einem Kennziffersystem, das sie ausgerechnet mit KZ abkürzte. Unter KZ 4.1.3. zum Beispiel waren mehr als 10.000 Bürger aus Kirchen- und Umweltkreisen aufgeführt. Innerhalb von 24 Stunden sollten die Festgenommenen zunächst in provisorisch eingerichtete Stützpunkte, wie Jugendherbergen, gebracht werden.
Rudolf Keßner liest aus einem Stasi-Bericht. Zu DDR-Zeiten gehörte er einer Gruppe an, die Rechtsberatung zum Wehrdienst anbot. Das genügte, um ihn zum Zielobjekt des sogenannten Vorbeugekomplexes zu machen, von dem der ARD-Dokumentarfilm "Honeckers unheimlicher Plan" erzählt. Dieser geheim und ohne jede juristische Grundlage gefasste Plan des Ministeriums für Staatssicherheit sah vor, während sogenannter Spannungsperioden bis zu 85.000 als oppositionell eingeschätzte DDR-Bürger in Isolierungslager zu stecken:
Rudolf Keßner: "Naja, die Gefahr, man hat sie geahnt irgendwo. Aber wenn man das dann hier so liest, das ist alles nicht lustig, nein, das ist nicht lustig."
1967 begann die Stasi mit den Planungen, die bis zum November 1989 immer weiter perfektioniert wurden. Das Motiv waren die Erfahrungen aus dem Volksaufstand von 1953 - der Vorbeugekomplex sollte jeden künftigen Aufruhr im Keim ersticken. Die Stasi unterteilte Verdächtige nach einem Kennziffersystem, das sie ausgerechnet mit KZ abkürzte. Unter KZ 4.1.3. zum Beispiel waren mehr als 10.000 Bürger aus Kirchen- und Umweltkreisen aufgeführt. Innerhalb von 24 Stunden sollten die Festgenommenen zunächst in provisorisch eingerichtete Stützpunkte, wie Jugendherbergen, gebracht werden.
Viele Akten wurden von der Stasi vernichtet
Filmausschnitt: "Nach sechs Tagen sollen die Frauen und Männer in ein zentrales Isolierungsobjekt verlegt werden. Diese Lager sollen mindestens 60 Kilometer von der Staatsgrenze und möglichst entfernt zu größeren Ortschaften liegen. Besonders gut eignen sich Burgen."
Etwa die thüringische Burg Beichlingen – Sitz einer tiermedizinischen Schule - die innerhalb weniger Tage zum Isolierungsobjekt umfunktioniert werden sollte. Verteilt über die gesamte DDR wurden Objekte als Arbeitslager ausgesucht. Wie viele ist unbekannt, weil die Stasi nach dem Mauerfall die meisten Akten vernichtete. Der Regisseur des Films, Konrad Herrmann, war schockiert - wie er im Gespräch erzählt – als er davon erfuhr. Obwohl er selbst als Filmemacher in der DDR Überwachung und Gängelung erfahren hatte:
"Aber dass man sich über Isolierungslager Gedanken machte, wo man Leute über lange Zeit wegsperren wollte, und große Mengen, so weit ging meine Fantasie nicht. Und manche von den Oppositionellen, die in unserem Film eine Rolle spielen, waren von dem Ausmaß dieser Lager und von der Perfektionierung dieser Einrichtungen auch jetzt, 30 Jahre danach, als sie den Film gesehen haben, noch ziemlich erschüttert."
Etwa die thüringische Burg Beichlingen – Sitz einer tiermedizinischen Schule - die innerhalb weniger Tage zum Isolierungsobjekt umfunktioniert werden sollte. Verteilt über die gesamte DDR wurden Objekte als Arbeitslager ausgesucht. Wie viele ist unbekannt, weil die Stasi nach dem Mauerfall die meisten Akten vernichtete. Der Regisseur des Films, Konrad Herrmann, war schockiert - wie er im Gespräch erzählt – als er davon erfuhr. Obwohl er selbst als Filmemacher in der DDR Überwachung und Gängelung erfahren hatte:
"Aber dass man sich über Isolierungslager Gedanken machte, wo man Leute über lange Zeit wegsperren wollte, und große Mengen, so weit ging meine Fantasie nicht. Und manche von den Oppositionellen, die in unserem Film eine Rolle spielen, waren von dem Ausmaß dieser Lager und von der Perfektionierung dieser Einrichtungen auch jetzt, 30 Jahre danach, als sie den Film gesehen haben, noch ziemlich erschüttert."
Planungen nur für den Kriegsfall?
Verstörend seien nicht nur die Detailplanungen, sondern auch, was nicht geregelt wurde:
"In den vielen Dokumenten, die wir gelesen haben, war alles geregelt, bis zu den Socken, was sie mitbringen mussten und all so ein Kram. Aber es ist nirgendwo aufgeschrieben, nach welcher Zeit und wie kommen die wieder da raus. Bleiben die da ewig drin?"
Angenehm nüchtern rollt die Dokumentation ein Kapitel der DDR-Geschichte auf, das seit Jahrzehnten bekannt ist, aber kaum Aufmerksamkeit gefunden hat. In den 90er-Jahren gab es dazu einen Untersuchungsausschuss, vor dem Verantwortliche wie Hans Modrow und Egon Krenz argumentierten, dass man diese Planungen nur für den Kriegsfall vorgesehen habe. Doch sie galten auch für einen inneren Spannungsfall. Dass sie 1989 nicht zum Zuge kamen, war nur der Überforderung des Regimes geschuldet:
Herrmann: "Sie hatten zwar mit Oppositionellen, vielleicht hunderttausend gerechnet, mit denen man irgendwie fertig werden konnte. Dass es aber Millionen wurden, damit hatte keiner gerechnet."
Die Zeitzeugen im Film sind selbst verwundert, dass sie auf den Listen standen, die meisten potenziellen Opfer waren normale Arbeiter. Viele frühere DDR-Bürger werden diese perfiden Pläne vielleicht nicht überraschen. Aber man erlebt in dieser Dokumentation sehr anschaulich, was hätte blühen können, wenn die DDR-Führung 1989 noch gekonnt hätte, wie sie wollte.
"In den vielen Dokumenten, die wir gelesen haben, war alles geregelt, bis zu den Socken, was sie mitbringen mussten und all so ein Kram. Aber es ist nirgendwo aufgeschrieben, nach welcher Zeit und wie kommen die wieder da raus. Bleiben die da ewig drin?"
Angenehm nüchtern rollt die Dokumentation ein Kapitel der DDR-Geschichte auf, das seit Jahrzehnten bekannt ist, aber kaum Aufmerksamkeit gefunden hat. In den 90er-Jahren gab es dazu einen Untersuchungsausschuss, vor dem Verantwortliche wie Hans Modrow und Egon Krenz argumentierten, dass man diese Planungen nur für den Kriegsfall vorgesehen habe. Doch sie galten auch für einen inneren Spannungsfall. Dass sie 1989 nicht zum Zuge kamen, war nur der Überforderung des Regimes geschuldet:
Herrmann: "Sie hatten zwar mit Oppositionellen, vielleicht hunderttausend gerechnet, mit denen man irgendwie fertig werden konnte. Dass es aber Millionen wurden, damit hatte keiner gerechnet."
Die Zeitzeugen im Film sind selbst verwundert, dass sie auf den Listen standen, die meisten potenziellen Opfer waren normale Arbeiter. Viele frühere DDR-Bürger werden diese perfiden Pläne vielleicht nicht überraschen. Aber man erlebt in dieser Dokumentation sehr anschaulich, was hätte blühen können, wenn die DDR-Führung 1989 noch gekonnt hätte, wie sie wollte.