Dokumentarfilm "The Painter and the Thief"

Unergründliches ergründen

06:45 Minuten
Der Dieb (Karl-Bertil Nordland) während einer Porträtsitzung mit der Malerin (Barbora Kysilkova)
Über vier Jahre beobachtet Benjamin Ree die beiden: Karl-Bertil Nordland während einer Porträtsitzung mit Barbora Kysilkova. © RBB / Benjamin Ree / Kristoffer Kumar
Von Patrick Wellinski |
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Die Freundschaft von Malerin Barbora Kysilkova und Kunstdieb Karl-Bertil Nordland ist besonders. Immerhin stahl er zwei ihrer Bilder. Weil er diese Beziehung nicht verstand, drehte der Regisseur Benjamin Ree einen Dokumentarfilm über die beiden.

Worum geht es?

Es gab viele als spektakulär geltende Kunstdiebstähle in den vergangenen 20 Jahren. Es wurden Rembrandts gestohlen, Renoirs, Cézannes und immer wieder Edvard Munchs Werke. Aber auch die tschechische Exil-Malerin Barbora Kysilkova wurde Opfer eines Kunstraubs:
Am helllichten Tag werden aus einer Galerie in Oslo zwei ihrer Gemälde gestohlen. Es dauert nicht lange, da hat die Polizei die Täter gefasst. Es sind bekannte Junkies und Kriminelle. Die Gemälde bleiben verschwunden. Barbora will mit dem Fall abschließen, muss noch einmal ins Gericht, wo sie Karl-Bertil Nordland sieht – einen der Diebe.
Ohne zu wissen, wie ihr geschieht, geht sie zu ihm hin und fragt ihn: Darf ich dich malen?

Was ist das Besondere?

Der Dokumentarfilm "The Painter and the Thief" ist eine dieser nahezu unglaublichen menschlichen Geschichten, die wir erst glauben, wenn wir sie zu sehen bekommen.
Regisseur Benjamin Ree hörte von einer ungewöhnlichen Freundschaft der Malerin und des Diebes durch Zeitungsartikel. Er drehte einen kurzen Dokumentarfilm über die beiden, merkte aber, dass er die Beziehung nicht wirklich versteht. Über vier Jahre beobachtet er die beiden Menschen, deren Beziehung eine unfassbare Tiefe entwickelt.
Dabei geht es schon sehr schnell nicht mehr um den Diebstahl oder um die Tatsache, dass Barbora Bertil malen möchte. Beide wissen nicht, wieso sie sich fast magnetisch angezogen fühlen. Ihre Beziehung hat etwas Freundschaftliches, gleichzeitig stoßen sie sich immer wieder ab.
Der Dieb (Karl-Bertil Nordland) umarmt die Malerin seines Porträts vor Rührung und Dankbarkeit.
Friends for Life: Karl-Bertil Nordland umarmt Malerin Barbora Kysilkova vor Rührung und Dankbarkeit.© RBB / Benjamin Ree/ Kristoffer Kumar
Sie haben nichts gemeinsam – und dennoch haben sich die beiden auf einer tiefen, unergründlichen Ebene erkannt. Regisseur Benjamin Ree versucht, diese Gefühle und Haltungen nicht zu psychologisieren, sondern gibt den beiden Raum, um sich selbst zu erkennen.

Bewertung

"The Painter and the Thief" gehört zu den seltsamsten und beeindruckendsten Dokumentargeschichten des letzten Jahres. Nicht ohne Grund wurde das Werk von unter anderem der BBC und der "Washington Post" zum Dokumentarfilm des Jahres erkoren.
In kunstvoll arrangierten Bildern erschafft Benjamin ein Porträt der Trauma-Erforschung. Die Idee von Kunst als Weg der Selbsterkennung ist in Reinform zu erleben. Was erkennt ein Mensch in einem anderen Menschen? Wie lässt sich das beschreiben? Was passiert in uns? Wie mit den Widersprüchen leben? Wie nah können wir uns wirklich kommen?
Fragen, die der Film nur stellt und nicht beantwortet. Aber weil er sie stellt, bereichert die Geschichte von der Malerin und ihrem Dieb unser Nachdenken über uns selbst.

"The Painter and the Thief"
Regie: Benjamin Ree
Norwegen 2020, 102 Minuten
Als Stream in der Arte-Mediathek bis zum 27. April

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