Der lange Weg zum inneren Frieden
13:34 Minuten
Am 30. Juli ist der Dokumentarfilm "Weltreise mit Buddha - Auf der Suche nach Glückseligkeit" in den Kinos gestartet. Der Filmemacher Jesco Puluj hat sich auf eine Reise gemacht, um die Geheimnisse des inneren Friedens zu ergründen.
Thorsten Jabs: Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber ich war in diesen Coronazeiten noch nicht wieder im Kino, auch wenn ich es ganz schön vermisse. Aber vielleicht geht es ja so langsam wieder. Auf jeden Fall ist am vergangenen Donnerstag ein Dokumentarfilm in den deutschen Kinos gestartet, der ein wenig zum Träumen anregt. "Weltreise mit Buddha – Auf der Suche nach Glückseligkeit" heißt er, und dafür ist der Filmemacher Jesco Puluj nach Asien und Afrika gereist und hat tolle Bilder mitgebracht. So stellt er sich selbst am Anfang des Films vor:
"Das bin ich. Jesco aus Deutschland. Ich bin 30 Jahre alt und versuche immer noch, als Filmemacher Fuß zu fassen. Ich bin nicht erleuchtet. Ich ärgere mich schon, wenn ich den Bus verpasse oder die Pizza kalt geliefert wird. Und ich bin nicht religiös, aber vielleicht sollte ich das sein."
Jesco Puluj ist uns jetzt zugeschaltet. Guten Tag, Herr Puluj, ärgern Sie sich immer noch darüber, wenn Sie den Bus verpassen oder die Pizza kalt geliefert wird?
Puluj: Das passiert durchaus noch, aber jetzt kann ich mich meist schnell besinnen, mich daran erinnern, was für wahnsinnig interessante Persönlichkeiten ich getroffen habe im buddhistischen Umfeld und wie besonders diese Mönche sind. Und das ist eine schöne Referenz, da passiert es mir also immer häufiger, dass ich mich dann zusammenreißen kann und mir denke, ach, das mache ich jetzt auch, ich nehme die Dinge einfach so, wenn die Pizza kalt ist, dann muss ich sie halt aufwärmen.
Faszination der Meditation
Jabs: Wie kamen Sie auf die Idee für den Film, stammt Sie aus solchem Ärger über Alltagsmissgeschicke oder aus Frust, zu leicht frustriert zu sein?
Puluj: Es hatte eher etwas mit der Faszination der Meditation zu tun – und mit der Frage: Inwiefern bringt die Meditation das Glück? Denn die Buddhisten sehen in der Praxis der Meditation wirklich den Weg zum Glück oder auch zur Erleuchtung, auch wenn dieser Begriff der Erleuchtung auch nicht so gerne verwendet wird, das ist dann doch ein utopischer Zustand.
Jedenfalls hat es damit begonnen, dass ich ein intensives Meditationsretreat besucht habe, zehn Tage Schweigemeditation. Man durfte wirklich nicht sprechen, nichts kommunizieren mit den anderen Teilnehmern, wurde angeleitet in verschiedenen Meditationstechniken. Das war eine faszinierende Erfahrung.
Und dann wollte ich einfach wissen, was steckt eigentlich noch genauer dahinter, auch hinter dieser Tradition und der Religion, dem Buddhismus, der eben die Meditation berühmt gemacht hat. Als Filmemacher bin ich ständig auf der Suche nach interessanten Themen, und da habe ich eben im Buddhismus etwas gefunden, wo ich gemerkt habe: Hier ist Potenzial, da gibt es zwar natürlich auch schon einige Filme, aber ich kann hier meinen eigenen Ansatz finden.
Und ich habe mich dann dafür entschieden, eine Weltreise zu machen, um interessante buddhistische Persönlichkeiten zu finden. Mir ging es vor allem aber auch darum, Kontraste ausfindig zu machen: dass eben Buddhismus nicht nur das ruhige Meditieren im eigenen Zimmer ist oder im Kloster, sondern es gibt so viele andere Möglichkeiten, im Buddhismus zu leben. Und das zeige ich in meinem Film.
An die Türen vieler Klöster geklopft
Jabs: Und haben Sie sich bewusst dafür entschieden, dass Sie nicht als Experte, sondern, ich würde sagen, als neugieriger Reisender unterwegs sind für Ihren Film? So wirkt das für mich jedenfalls beim Schauen.
Puluj: Um Experte sein zu können, hätte ich mich natürlich erst mal ein paar Jahre lang damit beschäftigen müssen. So lange wollte ich nicht warten, ich wollte gleich losziehen und den Zuschauer mitnehmen in den Prozess des Kennenlernens des Buddhismus, wenn er sich wirklich auch in mich hineinversetzen kann, genauso unvoreingenommen und auch naiv dann in so einem Kloster anzukommen.
Denn, ja: Ich bereise dort viele Klöster und bilde mir ein, wenn ich da einfach mal an die Tür klopfe mit der Kamera, dann hören die mir schon zu und lassen sich interviewen und erzählen mir, wie das Mönchsein ist. Das hat dann auch in manchen Beispielen überraschend gut funktioniert, dass ich wirklich mit offenen Armen empfangen wurde, mir wurden Übersetzer zur Seite gestellt und viele Mönche haben mir sehr gerne meine Fragen beantwortet. Und so bin ich dann am Ende des Films immer noch kein Experte, aber habe doch einiges an Informationen und Eindrücken mitgenommen – und der Zuschauer dann eben auch.
Gastfreundschaft und Herzlichkeit
Jabs: Für den Film sind Sie dahingegangen, wo buddhistische Mönche leben, nach Asien und Afrika. Sie zeigen auf Ihren Stationen wie etwa Thailand, Tokio, Nepal, China und Botswana, wie Mönche dort leben. Sie haben mit ihnen über Buddhismus gesprochen. Hatten Sie das Gefühl, dass alle Menschen, mit denen Sie gesprochen haben, irgendetwas gemeinsam haben?
Puluj: Auf jeden Fall, das hat mich wirklich berührt und fasziniert, haben sie ihr Glück und ihre Berufung im Buddhismus gefunden, vor allem die Mönche, aber auch viele Buddhisten generell, für die ist einfach der Buddhismus etwas, das ihnen Halt gibt. Und das zeigt sich generell in der Zufriedenheit mit dem Leben und vor allem aber auch durch Freundlichkeit, Gastfreundlichkeit.
Ich bin ja alleine gereist, und das hat aber wunderbar funktioniert, weil ich sofort diese Gastfreundlichkeit und Freundlichkeit erleben durfte von den Buddhisten. Sonst würde es diesen Film in dieser Form auch nicht geben, denn ich hatte sehr wenige Mittel, hatte keine Filmförderung und bin darauf angewiesen gewesen, dass Menschen sich einfach an meine Seite stellen und sagen, ich unterstütze dich. Und ich habe auch gemerkt, wie gerne sie das getan haben. Und das gehört halt auch zum Buddhismus dazu, seine Zufriedenheit darin zu finden, anderen zu helfen.
Viele Entscheidungen fielen erst während der Reise
Jabs: Haben Sie sich eigentlich wirklich treiben lassen oder haben Sie vorher schon viel recherchiert? Haben Sie bestimmte Dinge auch tatsächlich erst während der Reise entschieden?
Puluj: Ja, der Großteil wurde erst während der Reise entschieden. Dieser Roadmovie-, Reisefilm-Charakter des Films, das ist wirklich auch so passiert, dass ich mich durch Empfehlungen vor Ort zu der nächsten Persönlichkeit begeben habe. Das war wirklich wenig Planung vorher. Die Ideen, wohin könnte es gehen, kamen alle erst, als die Reise schon losgegangen war.
Vor Reisebeginn wusste ich nur: Ich fange in Thailand an, das ist das klassische Land für Buddhismus aktuell. Ich wusste also, da würde ich beginnen, mehr wusste ich noch nicht. Und ich wusste nicht einmal, in welchem Umfang ich das machen würde. Ich habe damals auch nicht gedacht, dass das ein Kinofilm oder die Länge eines Kinofilms mal haben wird, sondern ich dachte, ich mache erst mal einen Kurzdokumentarfilm in Thailand, probiere das erst mal aus, auch weil ich noch keinen Dokumentarfilm selber gedreht hatte.
Ein Schwestertempel weist den Weg nach Afrika
Und dieser Kurzfilm ist tatsächlich der Startpunkt des finalen Kinofilms dann geworden. Er hat einen sehr episodischen Charakter durch diese Reise, und die verschiedenen Stationen, die jetzt zusammengekommen sind, die sind viel über Empfehlungen entstanden.
Ein Beispiel: Als ich in China im Kloster war, da habe ich nebenbei erfahren, dass dieser chinesische Tempel einen Schwestertempel in Botswana hat, das ist an der Grenze zu Südafrika. Da haben die gemeint, wir haben da noch so einen kleinen Tempel von uns mit fünf Mönchen von uns, die wir da mal hingeschickt haben.
Und in dem Moment, wo ich da gehört habe, war mir klar, da muss ich hin. Da bin ich von alleine gar nicht drauf gekommen, aber erst als ich dann dort in China war, da hatte ich dann sofort die Ansprechpartner. Und so ging es dann eben beispielsweise nach Afrika.
Mönche bleiben mysteriös
Jabs: Für mich war es beispielsweise faszinierend zu sehen, wie der kanadische Mönch Julien, den Sie in Thailand getroffen haben, eigentlich die ganze Zeit lächelt, wenn Sie mit ihm gesprochen haben. War das auch wirklich so, auch wenn die Kamera nicht gelaufen ist?
Puluj: Ja, das war tatsächlich so. Und das kann man auch als Kontroverse sehen, man kann sich sagen, das kann gar nicht sein, was hat er zu verstecken. Und das ist sicherlich eine spannende Frage, da gibt es aber auch eine interessante Antwort am Schluss des Filmes, da will ich nicht zu viel vorwegnehmen, aber wo er dann tatsächlich auch nicht mehr lacht, wo er einen sehr berührenden Moment hat, den er versucht zu vertuschen durch Lachen, aber die Traurigkeit kommt dann in ihm hoch. Und das ist ein faszinierender Moment, wo man so sieht, er identifiziert sich so stark damit und hat das so zu seinem Selbstbild gemacht, dass er sich schwer tut, wenn andere Gefühle hochkommen, das zuzulassen. Das ist wirklich spannend.
Der Film hat jetzt nicht die Möglichkeit, da noch tiefer reinzugehen, dann hätte ich ihn jetzt noch weitere Jahre begleiten müssen, um wirklich dahinter zu blicken, was hat ihn wirklich dazu gebracht. Er war Kanadier, hat Kanada verlassen und ist dann Mönch geworden, wie kam es dazu. Das sind wirklich spannende Fragen. So tief konnte ich dann nicht vordringen in dem Film, es bleiben die Mönche auch gerne mysteriös.
Buddha steckt in jedem Menschen
Jabs: Einen wichtigen Satz sagt die Äbtissin eines Klosters in Nepal: Alle haben Buddha in sich. Wie nehmen Sie diesen Satz inzwischen mit ein bisschen Abstand wahr? Hat der sie irgendwie beeinflusst?
Puluj: Ja, ich finde das einen tollen Satz. Und diese Figur des Buddha ist einfach ein schöner Referenzpunkt zum Menschsein oder dazu, ein zufriedener Mensch zu sein. Buddhismus macht es sich schon sehr einfach, indem er sagt, man muss einfach nur anderen kein Leid zufügen und einen reduzierten Lebensstil führen und mit wenig zufrieden sein und anderen helfen. Das klingt natürlich erst mal leicht gesagt, aber tatsächlich, diese Beispiele, die ich gerade gebracht habe, die kann man zusammenfassen als: Das ist der Buddha in uns, der dann so handelt.
Und das ist natürlich schon in uns, wir müssen uns nicht noch erst aneignen, wie wir freundlich sind, wie wir gelassen bleiben, das können wir auch jetzt schon. Nur natürlich nicht immer, klar. Wir haben unsere Momente, wo wir genauso handeln, dass es uns wirklich gut damit geht, und wieder andere, wo wir es nachher bereuen und denken, wie ist es denn da mit mir durchgegangen, wie konnte das passieren. Aber diese Fähigkeit, jetzt schon so zu handeln, dass wir uns gut fühlen, die haben wir jetzt schon, das ist der Buddha in uns, der schon da ist.
Das finde ich einen schönen Ansatz, dass man nicht das Gefühl haben muss, um der Mensch zu werden, der generell sich als zufrieden bezeichnen kann, muss er eine jahrelange Reise absolvieren, wie es der historische Buddha gemacht hat, sondern das Potenzial ist auf jeden Fall da. Und wenn ich mich mehr damit auseinandersetze und bewusster damit umgehe, dann steht es mir auch häufiger zur Verfügung, mich mehr so zu verhalten, wie ich es möchte.
Stärkeres Bewusstsein für negative Gefühle
Jabs: Und gelingt es Ihnen nach Ihrem Film insgesamt besser, sich von Gefühlen wie Eifersucht, Wut und Hass freizumachen?
Puluj: Ja, also das ist immer noch sehr schwierig, weil ich auch in dem Film als Außenstehender so ein bisschen da durchgereist bin. Ich bin ja kein praktizierender Buddhist geworden. Und nur durch das Beobachten allein kann man noch nicht so leicht mit solchen starken Emotionen besser umgehen. Vor allem die Eifersucht ist natürlich eine unglaublich starke Emotion.
Was mir dann wichtig ist, und das habe ich auch durchaus mitgenommen, ist einfach ein stärkeres Bewusstsein zu haben, was passiert denn, wenn diese Gefühle ausgelöst werden, denn häufig sind ja auch Gedankenketten dahinter. Ein Gefühl kommt, weil ich irgendwelche Fantasien habe, was könnte passieren, dann gehen die Gedanken durch und dann kommt das Gefühl.
Und das finde ich schön, das lernt man im Buddhismus, auch in der Meditation, dass man ein Bewusstsein entwickelt, dass man in solchen Momenten sich beobachten kann und merken kann, Moment mal, was passiert hier gerade. Ich verliere mich in Fantasien, was in der Zukunft vielleicht passieren könnte, was aber noch gar nicht passiert ist. Und jetzt bin ich schon wütend darauf. Wenn einem so etwas bewusst ist, kann das sehr helfen, sich zu beruhigen in diesem Moment.
Offen bleiben für die unverhoffte Wendung
Man kennt das zum Beispiel, es wird einem ein wichtiger Termin abgesagt, auf den man sich gefreut hat, vorbereitet hat, dann ist man wütend und enttäuscht, hat aber dadurch auch Freizeit gewonnen. Dann kriegt man einen Anruf und jemand anderes fragt, hast du heute Zeit, ich habe hier eine tolle Veranstaltung. Und plötzlich hat sich das Blatt gewendet, da denke ich dann, da habe ich mich ja ganz umsonst gerade geärgert, weil jetzt stehe ich ja echt wieder gut da.
Solche Momente kennen wir aus unserem Alltag, das ist einfach schön, das bietet der Buddhismus und die Meditation, ein größeres Bewusstsein zu entwickeln. Und das habe ich doch ein bisschen geschafft, so gelingt es mir dann manchmal auch, wenn die Gedanken wieder durchgehen, mich da etwas zu zügeln.
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