Dokumentation "Willkommen auf Deutsch"

Entschleunigung einer hitzigen Debatte

Szene aus "Willkommen auf Deutsch": Larisa mit ihrer Mutter und ihren fünf Brüdern aus Tschetschenien.
Szene aus "Willkommen auf Deutsch": Larisa mit ihrer Mutter und ihren fünf Brüdern aus Tschetschenien. © Torsten Reimers © Pier53
Von Torsten Körner |
Landkreis Harburg, vor den Toren Hamburgs: Wie lebt es sich dort als Flüchtling, was denken die Anwohner, was tun die Behörden? Der Dokumentarfilm "Willkommen auf Deutsch" zeigt wohltuend unaufgeregt den Alltag deutscher Asylpolitik und ihre Folgen vor Ort.
"Willkommen auf Deutsch" leistet einen wichtigen Beitrag zur gegenwärtig medial erhitzten Diskussion um Flüchtlinge, ihre Aufnahme und Integration in der Bundesrepublik. Der Film nimmt sich Zeit, das ist immens wichtig und entzerrt und entschleunigt die Bild- und Phrasenflüsse, die derzeit im Umlauf sind.
Der Verkürzung des Themas "Flüchtlinge" auf Hashtag-Gewitter (Angela Merkel streichelt Flüchtlingsmädchen) oder Facebook-Pöbeleien (Till Schweiger und sein Account), insgesamt auf mediale Eskalationsspitzen, wird hier mit einer sehr differenzierten Sicht begegnet.
Zu Wort und Bild kommen alle Parteien: Der Landkreis, der die Flüchtlinge unterbringen muss, Sprecher einer Initiative, die sich gegen das große Flüchtlingskontingent wendet, Anwohner, die sich für die Flüchtlinge engagieren und nicht zuletzt die Flüchtlinge selbst.
Nimmt sich der Zuschauer die Zeit für diesen 90-Minüter, wird er mit mancher Einsicht belohnt. Der Film wird zur Ethnographie des Inlands, weil wir - die Deutschen - das Land und die Leute mit den Augen der Flüchtlinge sehen.
Keine Belehrungen, kein Off-Kommentar
Der Film macht auch Sprechweisen und Denkstereotype deutlich und zeigt so, dass Sprache und Bilder die Wirklichkeit verzerren, wo die Wirklichkeit, nämlich die Flüchtlinge, noch gar nicht angekommen sind.
Der Zuschauer wird nicht belehrt, es gibt keinen Off-Kommentar, sondern eingeladen, über die Kollision der Interessen und Perspektiven nachzudenken, abzuwägen, welche Seite mit welchen Argumenten operiert. Der modische Begriff der "Willkommenskultur" wird auf Herz und Nieren geprüft.
Die sorgfältig komponierte Dokumentation bietet vorbildliche Aufklärung und ist eine winziges Dosis Gegengift gegen die gerade grassierende Willkommensunkultur.

Info: "Willkommen auf Deutsch" läuft am 21.7.15 um 22.45 Uhr in der ARD.

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