Kampf mit allen Mitteln
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Amazons Dokureihe „Bild.Macht.Deutschland?“ nimmt das Publikum mit in den Newsroom von Deutschlands Boulevardmedium Nummer 1. Die Journalistin Ferda Ataman glaubt: Bild-Chefredakteur Julian Reichelt hat sich mit der Serie keinen Gefallen getan.
Amazon Prime startet am 18. Dezember die dokumentarische Serie "Bild.Macht.Deutschland?". Sie gewährt in sieben Episoden Einblicke in die Arbeit der berühmt-berüchtigten Boulevardzeitung.
"Bild will sich eigentlich die ganze Serie über als mächtigstes Medium Deutschlands präsentieren", urteilt die Journalistin Ferda Ataman, die die Dokureihe vorab gesehen hat. "In den sieben Folgen sehe ich ein Boulevardblatt, das offenbar gegen den Bedeutungsverlust ankämpft – und das mit allen Mitteln." Die Doku zeige nicht viel Überraschendes, findet Ataman. Sie habe schon spannendere Dokus zu weniger spannenden Themen gesehen:
"Man sieht genau das, was man sich so vorstellt, wie so ein Boulevardmedium arbeitet: Ein kettenrauchender Chefredakteur in seinem Büro, der guckt immer auf Bild-TV, macht Ansagen, empfängt ab und zu Politiker, in den Redaktionskonferenzen ist er umgeben von seinen Buddies – das sind fast nur Männer. Und ab und zu nimmt er auch mal selbst die Dinge in die Hand." Eine Satire des Browser-Ballets nimmt das aufs Korn:
Ein Chefredakteur, der mit Quellen prahlt
Man bekomme in der Dokureihe oft den Eindruck, dass es bei der Bildzeitung und Bild-TV eigentlich nicht darum gehe, über Neuigkeiten zu berichten, sondern vorrangig darum, Bild-Chefredakteur Julian Reichelt Einfluss und Reichweite zu verschaffen. Reichelt wirke nicht wie ein Beobachter oder ein Journalist, sondern wie jemand, der seine Macht genieße und Einfluss nehmen wolle, sagt Ferda Ataman:
"Ihn interessieren offenbar journalistische Grundregeln wenig. Er gibt immer wieder damit an, dass er Markus Söder oder Jens Spahn gerade eine SMS geschickt hat. Oder auch, dass der Bundesinnenminister ihn zu einer Privataudienz einlädt."
Als Journalist prahle man nicht mit seinen Quellen, findet Ataman. Dass so hochrangige Politiker offenbar eine Standleitung mit der Bild-Zeitung haben, würden diese bestimmt nicht in einer Dokumentation sehen wollen. Reichelt, glaubt sie, habe sich mit der Serie keinen Gefallen getan.
"Immer auf der Seite der Guten"
Über die Bild-Redaktion erfahre man in der Serie, wie unwichtig die Zeitung selber geworden ist. Die meiste Zeit gehe es um die neuen Digitalformate wie Bild Live und Bild-TV. "Viel kreisen die Angestellten, die immer wieder zitiert werden, auch um ihr eigenes Negativimage, rechtfertigen sich und sehen sich tatsächlich selber als Opfer."
Inhaltlich wolle sich die Bild "als mutiges Medium mit Charity-Flair präsentieren. Da ist man dann auch mal in einem Flüchtlingslager oder in Krisengebieten unterwegs. Und immer sind sie auf der Seite der Guten. Hart natürlich nur gegen Kinderschänder und andere Bösewichte."
Die Angst vor der Bild
Nur ein einziges Mal werde "die Angst vor der Bild" angesprochen, sagt Ferda Ataman: Der Ex-Fußballprofi Mehmet Scholl erzählt in einem Interview in der Dokureihe, dass die Bild-Zeitung ihn "ein Jahr lang völlig zerlegt" habe, weil er nicht mit der Boulevardzeitung gesprochen habe. Er sagt außerdem, dass die Bild-Zeitung nicht über alles schreibe, was sie im Sport wisse, weil sie im Austausch dafür andere Informationen bekomme.
"Die Politiker, die in der Doku interviewt werden, sind vermutlich alle vorsichtig, weil sie ja wissen, dass Bild am Ende die Doku auch sieht, und weil sie sich natürlich nicht mit diesem großen Medium anlegen wollen", vermutet Ataman.
Auch der Medienjournalist Daniel Bouhs hat sich die 7-teilige Serie über die Bild-Zeitung angesehen. Die "schmutzigsten Maschen" der Zeitung tauchten darin allerdings nicht auf:
(jfr)