Domian - auf den Spuren einer interreligiösen Mystik

Von Thomas Becker |
Der Fernsehmoderator Domian ist vielen Menschen vor allem aus seiner spätnächtlichen TV-Sendung bekannt, während der er mit Menschen über ihre Probleme spricht. Privat ist Domian ein tief spiritueller Mensch.
Es ist ein nasskalter Nachmittag. Als sei ihm das Tageslicht noch ein wenig zu grell, hat Jürgen Domian die Kapuze seines Pullovers tief ins Gesicht gezogen. Vorhin erst ist er aufgestanden, da er gestern Nacht bis zwei Uhr seine Sendung moderiert hat. Jetzt aber macht Domian erst einmal einen Rundgang über den Melatenfriedhof. Wie so oft:

"Es ist ein guter Ort, um geerdet zu werden, finde ich. Für mich sind diese Friedhofsspaziergänge auch immer gerade in einer großen Stadt etwas Besonderes. Ich habe immer das Gefühl, dass die Zeit anders verläuft, wenn man hier draufgeht."

Domian wohnt gleich in der Nähe des Friedhofs - für ihn ein meditativer Ort. Eine Oase der Ruhe. Hier denkt der Moderator nach: über das Leben, den Tod und auch über das, was danach kommen mag. Vor einem Grab, das mit christlichen Symbolen verziert ist, hält Domian an.

"Ich glaube, das ist der Papst oben als Relief. Und der Spruch unten: "Der Herr nimmt uns die Lebenden, er gibt uns die Unsterblichen wieder." Das ist natürlich ein gutes Beispiel dafür, wenn man im christlichen Sinne denkt. Man glaubt, dass es Trost spendet. Wenn ich als Angehöriger davor stehe, habe ich das Wissen und den tiefen Glauben, dass mein Mensch, den ich geliebt habe, weiterexistiert - eben unsterblich ist."

Domian war selbst einmal gläubiger Christ. Als Jugendlicher wurde er durch den Konfirmandenunterricht tief in den christlichen Kosmos hineingezogen:

"Ich war wirklich ganz fanatisch. Ich habe dann Flugblätter als 15-jähriger Junge formuliert und habe die Kirchenbesucher beschimpft, dass sie nur aus Tradition und bürgerlichem Pflichtempfinden jeden Sonntag in die Kirche gehen. Und nicht aus tiefem Glauben, so wie ich das für mich empfand."

Die Phase als tiefgläubiger Christ währte allerdings nicht lange. Als junger Erwachsener las Domian Nietzsche, Feuerbach und die anderen Religionskritiker:

"Innerhalb von ´nem - ich glaube - halben Jahr brach mein Glaube(n) fulminant zusammen. Fulminant. Ich konnte das ganze Konstrukt nicht mehr glauben: Vater, Sohn, Heiliger Geist. Mit den Begriffen Sünde, Erbsünde, Teufel, Paradies, Gnade, Schuld konnte ich nichts mehr anfangen."

Noch lange könnte Domian darüber reden, warum er die christliche Lehre und Dogmatik als zu eng und begrenzend empfand. Doch das alles, sagt er, liege nun lange zurück, sei abgehakt. Aber gibt es Gott? Und was kommt nach dem Tod? Fragen wie diese beschäftigen Domian auch weiterhin. In seinem neuen Buch hat Domian nun einen Kunstgriff gewagt, sich mit dem Tod unterhalten und ihm all die Fragen gestellt, die ihm auf der Seele brennen:

"Ich habe den Tod natürlich auch gefragt: "Gibt es Gott?". Und dann antwortet er: So, wie die meisten Menschen sich ihn vorstellen, gibt es ihn nicht. Und ich frage weiter: "Aber es gibt ihn?" - "Ja", sagt er. Und ich frage ihn weiter: "Gibt es einen Gott?" Und dann sagt er: "Es gibt einen Gott, aber man könnte auch sagen, es gibt tausend."

Der Tod gibt vage, aber auch weise Antworten. Wie ein guter Freund und Lehrmeister. Man könnte meinen, der Tod sei Zen-Buddhist und habe zudem die Texte christlicher und muslimischer Mystiker wie Meister Eckhart oder Ibn al-Arabi tief in sich verinnerlicht:

"Alle Mystiker sprechen von tiefen Erfahrungen, Einheitserfahrungen, die sie mit Gott machen. Indem sie Gott als eins mit sich sehen und sich eins mit Gott sehen. Das sagen die Zen-Buddhisten auch, ohne das Wort Gott zu benutzen. Das sind Einheitserfahrungen mit allem, was ist. Mit Universum, Welt, Mensch, Tier, Dinge."

Wenn man Domian zuhört, wird klar, dass die Weisheiten des Todes seinen eigenen religiösen Einsichten sehr nahe kommen. Ist Domian ein Zen-Buddhist oder gar ein Mystiker?

"Da ich mich selbst als einen spirituell suchenden Menschen empfinde, sind mir diese Philosophien, diese Gedankengänge, mittlerweile sehr nah - um nicht zu sagen am allernächsten von dem, was angeboten wird. Weil es ohne Dogma ist, das gefällt mir so gut: Mystik ist ohne Dogma. Zen-Buddhismus ist ohne Dogma."

Der Tod erklärt, dass die Wirklichkeit, die andere Gott, Jahwe, El oder Allah nennen, eigentlich keinen Namen habe und ohne Eigenschaften sei. Und doch durchdringe diese Wirklichkeit alles Leben. Auch der Tod selbst sei Teil von ihr. Wie aber kann man dieser Kraft nahe kommen?

"Der Tod sagt zu mir: "Man braucht, um auf diesen Weg zu kommen weder Kirchen noch Moscheen. Man braucht nur sich und die Stille. Man braucht keine Religionen, man braucht keine Regeln. Man muss Schweigen lernen.

Meine Kontemplation findet oft statt, wenn ich im Sommer nach Lappland fahre. Das sind für mich immer wichtige Wochen. Ich fahre dann ganz weit in die Wälder und miete mir dort ein Blockhaus und bin dort für mich alleine."

Kein Telefon, kein Internet - in seiner Blockhütte in Lappland ist Domian allein mit sich und der Stille, genauso wie es der Tod ihm geraten hat. Bis zum nächsten Sommerurlaub vergehen aber noch ein paar Monate. Gut möglich, dass Domian bis dahin noch oft seine Runden auf dem Kölner Melatenfriedhof geht und die Ruhe genießt - bevor er wieder los muss, in den Sender.
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