Dominique Goblet und Kai Pfeiffer: "Bei Gefallen auch mehr..."
Avant Verlag, Berlin 2019
176 Seiten, 39,95 Euro
Die Suche nach der Liebe im Internet
06:16 Minuten
Mit Online-Kontaktanzeigen wird im Comicbuch "Bei Gefallen auch mehr" nach der Liebe gesucht. Dabei taucht der Leser durch teilweise sehr abstrakte Zeichnungen in die durchaus skurrilen Tagträume der Protagonisten ein
"Bonomet" aus Lüttich sucht per Dating-App eine "Frau für Verschiedenes". Seine Selbstbeschreibung: "Mann, 48 Jahre alt, der die Freuden des Lebens liebt, wünscht schöne Begegnungen ohne Tabus. Drei Regeln: Hygiene, Diskretion und Respekt. Küsschen."
Authentische Online-Kontaktanzeigen
Dieser "Freund der Hygiene" ist einer von vielen Kontaktsuchern, denen man in diesem Buch begegnet. Ihre Online-Kontaktanzeigen sind alle authentisch, manchmal sind sie bizarr, manchmal rührend, gelegentlich auch erschütternd: "Ich zeige mich nackt, ihr werdet begeistert sein, denn ich bin wirklich gut in Schuss und gut bestückt."
Die Kontaktanzeigen sind aber nur eine Unterströmung in diesem sehr eigenen Buch. Entstanden ist es aus einem Online-Austausch zwischen der belgischen Comicautorin Dominique Goblet und ihrem deutschen Kollegen Kai Pfeiffer. Goblet gehört zur Comic-Avantgarde in Belgien, bei uns ist sie mit ihrem autobiografischen Werk "so tun als ob heißt lügen" aufgefallen.
Kai Pfeiffer hat vor allem dokumentarische Comics publiziert, seit einigen Jahren arbeitet er mit Dominique Goblet zusammen, unter anderem an diesem entschieden experimentellen Werk.
Rätselhafte Zeichnungen deuten Erzählung an
"Bei Gefallen auch mehr" entwickelt sich ganz aus den mal abstrakten, mal sehr konkreten Zeichnungen, die aber immer rätselhaft bleiben.
Da hängt einer nackten Frau ein Hummer an den Brüsten. Ein Frauenkopf versinkt im Wasser und breitet einen Teppich aus roten Haaren um sich herum aus. Eine schmale Frau schmiegt sich an einen vierschrötigen Mann mit Polizeimütze und Vogelmaske vorm Gesicht, beide werden von einem blauen BH umfangen.
Viele dieser aquarellierten oder pointillistisch gezeichneten, wortlosen Bilder ziehen anfangs an einem vorbei, bevor nach etwa 20 Seiten die zarte Andeutung einer Erzählung auftaucht.
Eine namenlose Frau, später nur "die Mutter" genannt, entwirft hier ihrerseits eine Online-Kontaktanzeige. Im Gegensatz zu den kurzen Texten der Männer gerät ihre Anzeige zu einer Selbstreflexion, die den gesetzten Rahmen entschieden sprengt. Ihr Ringen mit diesem Text führt vor, wie absurd es ist, sich beim Online-Dating tatsächlich selbst vorzustellen zu wollen.
Eintauchen in eine surreale Welt der Tagträume
Bald aber tasten sich die Autoren auch aus dieser fasslichen Fährte heraus in eine surreale Welt hinein, in der "die Mutter" dutzende Männer in ihrem Haus empfängt, sie zu allerlei Arbeiten anstellt und nach langem Aufschub zu einem Gangbang einlädt.
All das scheint sich im Unterbewussten und in den Tagträumen der Protagonistin abzuspielen, in verschwimmenden Räumen zwischen Ängsten und Sehnsüchten nach Nähe, Geborgenheit und Sex.
In schwer zu verfolgenden Assoziationsketten führen Goblet und Pfeiffer durch diese Räume. Vielleicht wollen sie damit eine ähnliche Verunsicherung stiften, wie sie ihre einsame Protagonistin erlebt. Ihr Experiment gelingt, wo die Bilder einen Bezug zur inneren Welt der Hauptfigur haben.
Öfter aber scheitert es, wenn sich das Buch aus allen erkennbaren Zusammenhängen herausassoziiert.