Kein Platz in der Herberge
Ganz in die Jetztzeit legt der Rundfunkchor Berlin sein traditionelles Konzert im Berliner Dom - Menschen auf der Flucht sind das weihnachtliche Thema. Um Auszüge von Rachmaninows Chrysostomos-Liturgie und zwei zeitgenössische Werke gruppieren die Sängerinnen und Sänger alte und neue Texte über das älteste Phänomen der Menschheit - Krieg, Flucht und Suche nach einer neuen, freundlicheren Herberge.
Bereits vor anderthalb Jahren plante der Rundfunkchor Berlin sein Weihnachtskonzert – und ahnte damals nicht, welche Aktualität die politischen Ereignisse den damals angedachten Inhalten verleihen würden. Ausgangspunkt sollte die christliche Weihnachtsgeschichte im Lukas-Evangelium sein: Joseph und die hochschwangere Maria finden keinen Platz in einer Herberge und kommen schließlich im Stall bei den Tieren unter. Dazu sollte von realen Menschen erzählt werden, die heute auf der Flucht sind und bei uns Schutz suchen. Dass die vor Krieg, Terror und Not flüchtenden Menschen nicht nur unsere Hilfe benötigen, sondern umgekehrt mit ihrer Kultur, ihren Festen und Geschichten auch uns bereichern, - das war und ist die Idee hinter diesem Weihnachtskonzert.
"Dass das vermeintlich Fremde mehr Verbindungen und Bezüge zu unserer Kultur aufweist, als auf den ersten Blick erkennbar ist, offenbart sich, wenn wir mehr über die Neuen in unserer Gesellschaft erfahren. Auch deshalb stellen wir an diesem Abend neben Texten von Dichtern, die aus dem Orient kommen, ein persisches Fest vor, das bis heute gefeiert wird: Die Yalda-Nacht, in welcher die Familien in der längsten Nacht des Jahres zelebrieren, dass das Licht neu geboren wird. Ein Fest des Lichts zum Zeichen der Hoffnung in dunkler Zeit – wie das christliche Weihnachten." So ist es im Programmheft zu lesen.
Musikalische Pfeiler in diesem Konzert bilden ausgewählte Teile der Chrysostomos-Liturgie von Sergej Rachmaninow, aufgebaut auf orthodoxen Gottesdienstformen und Inhalten. Das musikalische Gegenüber zu Rachmaninow bilden vor allem zwei Chorzyklen, die Rainer Schnös für den Chor auf Texte des syrischen Gegenwartsdichters Monzer Masri geschrieben hat: "Lass mein Volk leben" für Sprecher, Sopran solo und acht- bis 24-stimmigen Chor a cappella und "Drei orientalische Gesänge" für Sopran solo und sechs- bis achtstimmigen Chor a cappella.
Dazu werden Texte des persischen Lyrikers Hafis aus dem 14. Jahrhundert vorgetragen. Die Abfolge der Werke wird dabei ineinander verschränkt – und szenisch Inszeniert von Jasmina Hadziahmetovic. "Fürchtet euch nicht" – unter diesem Titel findet dieses besondere Weihnachtskonzert in einer besonderen Situation statt.
Berliner Dom
Aufzeichnung vom 21. Dezember 2015
Sergej Rachmaninow
Liturgie des heiligen Johannes Chrysostomus für gemischten Chor a cappella op. 31 (Auszüge)
Thomas Adès
The Fayrfax Carol
Rainer Schnös
"Lass mein Volk leben"
Drei orientalische Gesänge
Barbara Kind, Sopran
Joo-hoon Shin, Tenor
Axel Scheidig, Bass
Susi Wirth, Sprecherin
Jügen Haug, Sprecher
Rundfunkchor Berlin
Leitung: Nicolas Fink