"Don Giovanni"

Außer Klamauk kein Konzept

Adrian Strooper als Don Ottavio und Erika Roos als Donna Anna in "Don Giovanni" in der Komischen Oper in Berlin.
Adrian Strooper als Don Ottavio und Erika Roos als Donna Anna in "Don Giovanni" in der Komischen Oper in Berlin. © picture alliance / dpa / Jens Kalaene
Von Uwe Friedrich |
Regisseur Herbert Fritsch kann die hohen Erwartungen nicht erfüllen: Seine Inszenierung des "Don Giovanni" an der Komischen Oper Berlin ignoriert das Drama in Mozarts Musik. Der berühmte Verführer ist bei Fritsch nur eine Lachnummer.
Herbert Fritsch ist zurzeit wohl der begehrteste Regisseur in Deutschland. Mit seinen virtuosen Klamaukinszenierungen von "Die spanische Fliege" und "Murmel Murmel", "Frau Luna" und der Operntravestie "Opus 1" hat er an der Berliner Volksbühne für Kultinszenierungen gesorgt. Kein Wunder, dass auch Opernintendanten sich den früheren Castorf-Schauspieler an ihre Häuser wünschen, um die Kassen zu füllen.

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"Richtige" Oper hat er zwar schon inszeniert, aber bisher noch nicht in Berlin. Kein Wunder, dass die Karten heiß begehrt waren, kein Wunder auch, dass Klaus Wowereit, noch amtierender Regierender Bürgermeister der Hauptstadt, es sich nicht nehmen ließ, bei der Premiere anwesend zu sein.
Prompt wurde er vom Intendanten Barrie Kosky für seinen Einsatz in Sachen Oper gelobt. Die stärkste Inszenierung seiner Amtszeit hat Wowereit bei dieser Premiere aber zweifellos nicht erlebt.
Der berühmte Verführer als Lachnummer
Zum Ständchen steigert sich Don Giovanni in sein virtuoses Luftgitarrensolo hinein. Schnell wird klar, dass es ihm viel mehr um seine eigene Unwiderstehlichkeit geht als um die angesungene Schöne. Aufreißen als egozentrische Spielart der Autoerotik, dieser Don Giovanni ist nicht besonders sympathisch. Ob er die vielen Frauen, die sein Diener Leporello in seiner Registerarie auflistet, wirklich im Bett hatte, ist höchst zweifelhaft.
Für den Regisseur Herbert Fritsch ist der berühmte Verführer lediglich eine Lachnummer, er macht sich ebenso zum Affen wie die ihn umgebende ehrenwerte Gesellschaft. Dazu steckt Fritsch alle Beteiligten zunächst in die fantasievoll übertriebenen Spanien-Kostüme von Victoria Behr und treibt sie dann in jene exaltierte Spielweise, die er in seinen Schauspielinszenierungen zur Perfektion gebracht hat.
Große Gesten, mindestens ebenso große Grimassen, Slapstick, Gaga und Dada. So macht er die ernsten Figuren Donna Elvira, Donna Anna und Don Ottavio komplett lächerlich, während er den vermeintlich komischen Figuren Masetto und Zerlina einige Momente überraschender Ernsthaftigkeit gönnt.
Mit dem "Heulsusentheater" seiner konzeptverliebten Regiekollegen will Herbert Fritsch erklärtermaßen nichts zu tun haben. Das macht ihn natürlich sympathisch. Außer Klamauk gar kein Konzept zu haben ist allerdings auch keine Lösung für eine Oper wie Don Giovanni. Fritsch kann oder will sich nicht entscheiden, welche Geschichte er erzählen möchte. Vielleicht will er auch gar keine Geschichte erzählen, sondern nur die Virtuosität eines hochtourig leerlaufenden Theaterbetriebs feiern, aber auch das macht er nicht konsequent.
Das Drama in der Musik vollkommen ignoriert
Anders als in seinen Berliner Volksbühnen-Kultinszenierungen "Die spanische Fliege" und "Murmel Murmel" wirkt das überkandidelte Agieren aufgesetzt und deshalb schon lange vor der Pause ermüdend, weil Mozarts Musik von etwas anderem als Klamauk erzählt. Aber Fritsch ignoriert das Drama in der Musik vollkommen.
Das kann auch dann nicht gutgehen, wenn sich alle Sänger mit so großer Hingabe und großer Virtuosität in den Dienst der Klamotte stellen wie an der Komischen Oper. Vor allem Günter Papendell ist dafür zu bewundern, wie er den psychopathischen Giovanni rückhaltlos spielt und dabei auch noch sehr charismatisch singt.
Das restliche Ensemble mit Erika Roos als divenhaft-zickige Donna Anna, Nicole Chevalier als hysterisch-agile Donna Elvira und Adrian Strooper als schlapper Don Ottavio stehen ihm in Sachen Körpereinsatz und überzeugendem Gesang in nichts nach. Und doch agieren sie alle im luftleeren Raum, liefern unter dem Dirigenten Henrik Nánási sozusagen den Soundtrack zum falschen Film, weil der Regisseur sich nicht nennenswert für den doppelten Boden des Stücks interessiert.
Fritsch bewegt seine Protagonisten ebenso ziellos hin und her wie die spitzengeklöppelten Vorhänge seines Bühnenbildes. Fast scheint es, als hätte er über der Virtuosität seines Possentheaters vergessen, warum er Mozarts Don Giovanni überhaupt inszenieren wollte.
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