Don Osman und die orientalischen Nervensägen

Von Dorothea Brummerloh |
Osman Engin kann sich über mangelnde Resonanz nicht beklagen. Seine Bücher genießen hierzulande einen gewissen Kultstatus. In seinen Satiren nimmt er die Verhaltensweisen von Deutschen und Türken im alltäglichen Leben aufs Korn. Prompt wird er von den Deutschen missbilligt, weil er die Türken kritisiert und von den Türken umgekehrt.
Ein kleines, über 100 Jahre altes Restaurant im Steintor-Viertel, einem beliebten Stadtteil Bremens. Es ist früher Nachmittag. Manche Gäste frühstücken noch, andere sind schon beim Mittagessen. Und unter ihnen - Osman Engin. Hier in seiner Lieblingskneipe trifft man den Satiriker öfter - und das nicht nur zum Tee trinken.

Osman Engin: "Viele Leute wissen ja, dass ich schreibe, deswegen wird mir viel erzählt, wenn denen etwas Witziges passiert ist und vieles passiert mir auch selber. Weil die Geschichten so abgedreht sind, denken die Leute, sie sind erfunden. Aber alles, was ich schreibe, sind wirklich Tatsachengeschichten. Ich übertreibe vielleicht ein bisschen. Aber im Kern sind sie alle so passiert."

Deshalb trägt der Held in seinen Geschichten auch seinen Namen. Don Osman ist mit Eminanem, der zweitgrößten Nervensäge des mittleren Ostens verheiratet. Diese bringt den türkischen Baba regelmäßig an den Rand der Verzweiflung. Tatkräftig wird sie dabei von den Kinder der Familie unterstützt: Hatice zum Beispiel, die mit allen Wasser gewaschen ist oder Mehmet, der ewige Student mit seiner kommunistischen Gesinnung. Im wirklichen Leben ist es etwas anders.

"Dass ich nicht verheiratet bin, sage ich nicht so gerne. Ich enttäusche dabei viele. In Köln bei einer Lesung haben zwei türkische Studenten fast geweint, als sie hörten, diese Familie existiert nicht."

Der schwarzhaarige, schlanke Mann lebt zusammen mit seiner Freundin in Bremen, seine Eltern und Verwandte sind in die Türkei zurückgekehrt. Ab und zu kommen sie in seinen Geschichten zurück. So zum Beispiel Onkel Ömer.

"Mein Onkel Ömer, der in die Hälfte meiner Geschichten drin ist, der will schon seit langem Geld für die Ideen, die er mir gibt, und heute werde ich ihm 100 Euro überweisen."

Frau Kotzmeier-Göbelsberg, die immer misslaunige Dame von der Ausländerbehörde, ist dagegen nur eine fiktive Person. Ähnlichkeiten mit lebenden Personen sind rein zufällig und vom Autor nicht gewollt.

"Mir gefallen die Doppelnamen sehr im Deutschen und deswegen suche ich sie manchmal extra in Telefonbüchern. Einige sind sehr, sehr abgedreht, die nehme ich nicht, weil man denkt, Osman hat das konstruiert. Aber ich finde schon, was ich suche."

Osman Engin findet nicht nur, was er sucht - er bekommt es auch. Zum Beispiel seinen deutschen Pass. Vor fünf Jahren hat ihn der studierte Sozialpädagoge, der schon seit über 30 Jahren in Deutschland lebt, bekommen. Seine Erfahrungen mit der Ausländerbehörde hat er in allerbester Manier in der Geschichte "Wir sind Papst" niedergeschrieben, für die er mit den CIVIS- Medienpreis 2006 ausgezeichnet wurde.

"Da war ich wegen deutschen Pass auf der Ausländerbehörde. In Bremen ist es so, dass man aus der Zeitung vorlesen muss, um zu zeigen, dass man Deutsch kann und ich habe gefragt, muss ich nicht lesen?

Ich weiß ohnehin seit langem, dass ich kein normaler Türke mehr bin so wie die Eingeborenen in der Türkei. Da sind die Leute viel orientaler als ich. Ich habe schon im Einfluss der Deutschen vieles abgelegt - diese Leichtfertigkeit, diese Termine nicht beachten - um 11 Uhr hat man einen Termin und geht man 15 Uhr und das ist ganz normal."

Dafür hat er den Umgang mit Stift und Papier im Zeitalter der modernen Kommunikation noch nicht verlernt.

"Ich schreibe immer noch mit der Hand. Aber bevor ich schreibe, muss natürlich die Idee da sein. Ich muss den Anfang schon wissen und die Pointe am Schluss und manchmal ist es ja so, dass man wegen einem Satz eine halbe Stunde warten muss, bis man die witzige Antwort darauf gefunden hat, die auch noch sitzt. Und da ist es mir dann lieber, bequem am Tisch zu sitzen mit Stift in der Hand, als den leeren Bildschirm anzugucken."

Mit unheimlich viel Selbstdisziplin schreibt der 45-Jährige täglich bis zu fünf Stunden an den Geschichten des deutsch-türkischen Paschas. Ansonsten würde der Satiriker, der schon mal mit Ephraim Kishon verglichen wurde, sein Arbeitspensum kaum schaffen.

"Eigentlich bin ich überhaupt nicht selbstdiszipliniert. Aber wenn von mir ständig Geschichten verlangt werden, der Verlag ruft an, wann sind die Sachen da und der Radioredakteur ruft an und irgendwann wird man so gut, dass man zuvorkommen will, ehe die Leute einen bedrängen."

Noch im Oktober wird sein nächstes Buch "Getürkte Weihnachten" erscheinen. Für das nächste Jahr sind ein Urlaubsbuch und ein satirischer Kriminalroman geplant.

"Ich habe mal versucht für einige Zeitschriften etwas Ernsthafteres hinzukriegen. Es wurde wieder so ein ironischer Unterton. Ich habe mich seit einem Vierteljahrhundert daran gewöhnt, aus einem satirischen Blickwinkel zu schreiben. Ich kann nicht mehr anders."