Donald Duck wird 90
Mit einem strahlenden Lachen begrüßte Donald Duck sein Publikum vor seinen Zeichentrickfilmen. In Deutschland kennt man Donald Duck aber vor allem als Comicfigur. © imago / United Archives / kpa Publicity
Ein Wüterich zum Liebhaben
Donald Duck ist der Anti-Held des Alltags: Eigentlich will er ja nur ein angenehmes Leben, aber mit seiner großen Klappe landet er immer wieder auf dem Boden der Tatsachen. Vor 90 Jahren hatte er seinen ersten Auftritt.
Matrosenanzug und große Klappe, vom Leben gebeutelt, aber nie unterzukriegen: So kennt und liebt man Donald Duck. 90 Jahre wird der liebenswerte Wüterich nun alt, was man ihm nun wirklich nicht ansieht. Generationen von Lesern sind mit ihm aufgewachsen, haben seine Geschichten geliebt, ihn dann vergessen - und ihn mit etwas Glück später wiederentdeckt.
Denn: Die Zeiten, in denen die Lektüre von Entencomics dem Grundschulalter vorbehalten war, sind längst vorbei. Donald-Fans findet man im weiten Feld der Kriminalbiologie (wie der berühmte und beliebte Mark Benecke), aber auch in den Elfenbeintürmen der Intellektualität, wie dem Feuilleton der Frankfurter Allgemeinen. Aber natürlich auch bei uns im Haus: Unser Online-Redakteur Thomas Groh hat für Sie aufgeschrieben, was Sie wissen müssen, wenn Sie sich auf ein Wiedersehn mit Entenhausen vorbereiten wollen.
Inhalt
Wann war Donald Ducks erster Auftritt?
Donald Ducks erster öffentlicher Auftritt fällt auf den 3. Mai 1934. An diesem Tag fand in Los Angeles die Uraufführung von Walt Disneys "The Wise Little Hen" ("Die kluge, kleine Henne") statt. Offiziell kam der Film aber erst am 9. Juni 1934 in die Kinos. Der Zeichentrick-Kurzfilm entstand im Rahmen der damals immens populären Disney-Serie "Silly Symphonies", für Disney eine Art Experimentierlabor um ausgefeilte Animationstechniken zu entwickeln.
Donald ist hier noch eine Nebenfigur, ein Faulpelz, der der titelgebenden Henne aus dem Titel bei der Landwirtschaft nicht helfen, aber gerne was vom Essen abhaben möchte. Eine Moralgeschichte, wie sie damals für Disney typisch war: Die USA waren von einer großen Rezession ("The Great Depression") gezeichnet, die Bevölkerung sollte zu Vorsorge und Fleiß erzogen werden.
Mit seinem überheblichen Schlendrian war Donald Duck hier zwar das Negativbeispiel. Seine lustbetonte, anarchische Fröhlichkeit eroberte aber dennoch die Herzen des Publikums. Es ist ja auch nur zu verständlich: Gerade in Zeiten großer Not und Armut sehnt man sich ja danach, einfach auf einem Hausboot singend und tanzend in den Tag hineinleben zu können - genau wie Donald es hier vorlebt.
Binnen kurzer Zeit war der beliebte Donald als stehende Figur in den Disney-Cartoons ertabliert und erlebte zunächst an der Seite von Micky Maus diverse Alltagsturbulenzen. Ab "Don Donald" (1937) erlebte er schließlich eigenständig Abenteuer.
Eher unbekannt ist, dass Donald Duck dem Namen nach schon 1931 in der Disneywelt eingeführt wurde: In einem Bilderbuch namens "The Adventures of Mickey Mouse" wird er am Rande als Freund von Micky Maus erwähnt.
Warum ist Donald Duck so erfolgreich?
Der Erfolg des Disney-Imperiums basiert auf Micky Maus. Doch die in ihren ersten Jahren noch hochgradig anarchische, bisweilen bösartig sadistische und alles in allem ziemlich freche Maus bekam zusehends ein Imageproblem, insbesondere bei besorgten Eltern und Pädagogen. Auf die Maus als Emblem wollte Disney aber keinesfalls verzichten. Micky Maus wurde daher brav und kleinbürgerlich, beziehungsweise spießig und langweilig. Donald Duck war die Rolle des anarchischen Cholerikers vorbehalten, der sich fortlaufend überschätzt, nach den Sternen greift - und damit immer wieder auf dem Schnabel landet.
Dahinter steckte ein hemmungslos ausgelebtes Lustprinzip: Donald Duck will Spaß, Anerkennung und einfach ein gutes Leben, und das in einer Welt, in der das eigentlich nicht vorgesehen ist, und vielleicht auch nicht immer auf dem geraden Weg. Das Identifikationspotenzial ist hier natürlich erheblich: Ein bisschen Donald Duck steckt in allen von uns, er ist der Anti-Held des Alltags, der ewige Underdog. Nicht zuletzt ist Donalds Temperament ein Garant für wahnwitzigen Slapstick, wie ihn nur Zeichentrick liefern kann. Probieren Sie's aus: Die 90 Jahre alten Cartoons begeistern auch heute noch jedes Kind im Nu.
Bis heute ist Micky Maus das Symbol für die Disney-Welt. Aber Donald Duck lief der Maus in Sachen Popularität und Erfolg binnen kürzester Zeit meilenweit den Rang ab. Walt Disney selbst soll dies der Legende nach eher betrübt zur Kenntnis genommen haben. Sein Herz hing an der Maus - was kein Wunder ist: Ihr verdankt er seinen kometenhaften Aufstieg. Mit ihr hatte alles begonnen.
Was ist mit Donald Duck als Comicfigur?
In Deutschland kennt man Donald Duck aber ganz vorrangig nicht als Zeichentrick-, sondern als Comicfigur. Und hier muss man dringend unterscheiden: Der Cartoon-Donald ist ein anderer als der Comic-Donald. Die Zeichentrickfilme spielen oft in einer ländlichen Region, später lebt Donald in Hollywood. Die Stadt Entenhausen (im Original: Duckburg) ist eine reine Comic-Erfindung. Dies hatte auch damit zu tun, dass Walt Disney selbst sich sehr wenig für die Comics interessierte - für ihn waren es Nebenprodukte, die die Kasse etwas aufbesserten. Sein Herz hing am Zeichentrickfilm.
So betreten wir in den Comics mit Donald Duck im Grunde eine eigene Welt. Zuerst hier gibt es Onkel Dagobert, den reichen Onkel, mit dem Donald sowie die Neffen Tick, Trick und Track Abenteuer auf der ganzen Welt erleben. Zuerst hier gibt es die weit verzweigte Entenfamilie. Erst in den Comics wird aus Donald Duck und seinen Freunden ein quasi mythisches Ensemble mit eigener Folklore. (Die Zeichentrickserie "Duck Tales" kam erst viel später.)
Deutschland ist dabei in Europa der wichtigste Lizenzmarkt für Entencomics in Europa - hier erwies sich Entenhausen als ganz besonders populär. Mit "Micky Maus" (seit 1951), "Die tollsten Geschichten von Donald Duck" (seit 1965) und dem "Lustigen Taschenbuch" (seit 1967) gibt es drei durchgängig bis heute erscheinende Publikationen, in denen Entencomics eine zentrale Rolle spielen und die Generationen von Lesern mit Entenhausen bekannt machten. Hinzu kommen zahlreiche weitere Hefte, Magazine, Bücher und Reihen.
Zwar werden heute wahrscheinlich eher Manga aus Japan unter den Schultischen gelesen - die Auflagen sinken bei den Entencomics seit Jahren. Dafür hat sich jedoch ein Markt für erwachsene Leser etabliert, die ihre Comics aus Kinderzeiten heute in hochwertigen Gesamtausgaben nachkaufen oder sich schlicht aus nostalgischen Gründen im Supermarkt gerne noch ein Lustiges Taschenbuch mit in den Korb legen.
Erscheinen in Deutschland ausschließlich US-Comics mit Donald Duck?
Nein, ganz im Gegenteil. Das ist auch so etwas Kurioses: In den USA spielen Disney-Comics seit Jahrzehnten so gut wie keine Rolle. Zumindest in ihrer kommerziellen Breite handelt es sich bei Entencomics im Grunde um ein rein europäisches Phänomen - Disney ist hier nur der Lizenzgeber in den USA. Seit Jahrzehnten stammen annähernd alle Comics, die Sie in den obengenannten Publikationen finden, aus Italien oder Skandinavien.
Für den harten Kern der Donald-Fans sind das allerdings Nebenwerke. Für sie besteht der eigentliche Kanon an Entencomics ausschließlich aus den Comics von Carl Barks. Der frühere Animator aus den Disney-Studios war ab den Vierzigern ausschließlich für Entencomics zuständig. Er ist der eigentliche, geistige Vater Entenhausens - und ersann Figuren wie Onkel Dagobert, den verschusselten Erfinder Daniel Düsentrieb und auch die Ganoven von der Panzerknacker-Bande.
Dass wir heute Carl Barks' Namen kennen, ist im übrigen nur den Fans zu verdanken. Aus Marketinggründen wurden seinerzeit alle Entencomics per Signatur Walt Disney zugewiesen, die eigentlichen Zeichner und Autoren blieben anonym. Doch irgendwann dämmerte den Fans, dass ein einzelner Mann alleine gar nicht so viele Comics zeichnen kann - und zum anderen, dass einige Geschichten qualitativ besonders herausstachen. Diese Geschichten wiesen sie dem "good artist" zu, dem "guten Künstler". Es dauerte Jahre, bis der Disney-Konzern transparent machte, wer sich dahinter verbarg: Seitdem wird Carl Barks von Enten-Fans auf aller Welt vereehrt - und seine Geschichten in aufwändigen Sonder- und Gesamtausgaben gesammelt.
Warum ist Donald Duck gerade in Deutschland so populär?
Das hat zum einen mit der Qualität der liebevoll gezeichneten Comics von Carl Barks zu tun, aus deren umfangreichen Pool der deutsche Lizenznehmer zu Beginn mit vollen Händen schöpfte. Noch mehr aber liegt es an der deutschen Übersetzerin, der Kunsthistorikerin Dr. Erika Fuchs, die von den frühen Fünfzigern bis weit in die Achtziger den spezifischen Sound der Entencomics in Deutschland prägte: Waren die Barks-Comics im Original oft im urbanen Slang gehalten, durchsetzte die Akademikerin Erika Fuchs die Welt von Entenhausen mit zahlreichen Anspielungen aus dem deutschen Bildungskanon und ließ Donald Duck mehr als nur einmal in dramatischen Momenten Schiller oder Goethe zitieren.
Dieses Maß an künstlerischem Ermessensspielraum (philologisch strenge Kritiker würden wohl "Verfälschung" schreiben) geschah wohl nicht zuletzt auch aus ihrem eigenen Vergnügen, hatte aber auch Hintersinn: Zum einen rückte sie damit die insbesondere in den Fünfzigern für viele westdeutsche Kinder fremde Welt der USA ein gutes Stück näher an die eigene Realität heran. Zum anderen versuchte sie mit solchen Ausschmücken wohl auch, den typischen Grantelköpfen der damaligen Zeit, für die Comics im besten Fall "Schmutz und Schund", im schlimmsten Fall gar ein Verblödungsmedium waren, den Wind aus den Segeln zu nehmen.
Auch der im Scherz so genannte "Erikativ" erfuhr dank Dr. Erika Fuchs in Deutschland einen immensen Popularitätsschub: Verkürzungen wie "Kreisch", "Grübel" oder "Zitter" (die grammatikalisch korrekt eigentlich Inflektiv genannt werden) sind in Deutschland seit der Fuchs’schen Übersetzungen einfach nicht mehr wegzudenken.
Auf diese Weise lernten ab den Fünfzigern zahlreiche Kinder und Lesegenerationen Entenhausen als leicht skurril-gestelzte Welt kennen, die sie vielleicht auch ein bisschen an die eigene Lebenswelt erinnerte: In der notorisch hüftsteifen Bundesrepublik galt Bildungsgehuber auch Jahrzehnte nach dem Zweiten Weltkrieg noch als Ausweis gehobener Seriösität. Mit Erika Fuchs lernten Kinder schon in frühen Jahren, dass hinter gewählter Ausdrucksweise oft auch nur ein zeternder Kleinbürger vom Format eines Donald Duck steckt.
Was sind die besten Comics mit Donald Duck?
Das Werk von Carl Barks liegt in Deutschland erfreulich leicht verfügbar und ziemlich komplett vor. Tief in den Geldbeutel muss man dafür auch nicht zwingend greifen (außer Sie wollen ein bis zwei Regalmeter in eine Hardcover-Gesamtausgabe investieren).
Diese drei Comics jedenfalls sollte man gelesen haben:
1. "Der goldene Helm" (1952): Wenn man nur einen einzigen Entencomic lesen möchte, dann sollte es dieser gefeierte Klassiker sein: Im Nordatlantik entscheidet sich hier das ganze Schicksal Amerikas - und Donald Duck und seine Neffen haben daran entschieden Anteil. Carl Barks erzählt eine große Abenteuergeschichte - und erweist sich als der aufrichtige Humanist, der er stets war: Unter den Eindrücken des Zweiten Weltkriegs sind ihm männerhaftes Großwollen im Grunde tief zuwider. "Der goldene Helm" lässt sich auch als eine Kritik dieser Form von Maskulinität lesen.
2. "Familie Duck auf Ferienfahrt" (1950): Donald und seine Neffen fahren in die Berge auf Foto-Safari - was naturgemäß in eine Katastrophe führt. Nicht nur wegen der berühmten, in seiner abenteuerlichen Dynamik jede Kinderfantasie befeuernden ersten Seite ein ganz großer Lesespaß.
3. "Wiedersehn mit Klondike" (1953): Eigentlich eine Dagobert-Geschichte, aber Donald Duck und Tick, Trick und Track sind auch dabei. Erstmals erfahren wir von Onkel Dagoberts Goldgräberwurzeln. Und entdecken, dass auch hinter der Fassade des geldgierigen Grantlers ein sanftes Herz schlägt. Auch in dieser, von einer schönen Melancholie durchzogenen Geschichte gibt sich Carl Barks als humanistischer Menschen- (und Enten-)Freund zu erkennen.