Kommentar zu Trumps Wirtschaftskurs
Verbündete Neoliberale: US-Präsident Donald Trump und der Unternehmer Elon Musk © picture alliance / ASSOCIATED PRESS / Brandon Bell
Der Neoliberalismus schlägt zurück
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Strafzölle, Deregulierung, geringere Sozialleistungen: So will Donald Trump die US-Wirtschaft stärken. Doch die meisten Bürger werden von seiner neoliberalen Politik nicht profitieren. Die Schockwellen werden auch Europa erreichen.
Es ist noch nicht lange her, da schien die Ära des Neoliberalismus zu Ende zu gehen. Angesichts von Corona, Ukrainekrieg, wachsender Ungleichheit und der Klimakrise setzten viele reiche Demokratien auf Industriepolitik und Subventionen. Ziel war es, resiliente Lieferketten, autonome Energieversorgung und klimafreundliche Technologien zu fördern sowie Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmer und ärmere Haushalte zu unterstützen.
Auch die größte Wirtschaftsmacht des Planeten, die USA, machten bei diesem Wandel mit. Beispiele dafür sind der „Inflation Reduction Act“ – der trotz seines Namens primär diesen Zielen diente – sowie in Europa der „Green Deal Industrial Plan“ der EU. Viele Beobachterinnen und Beobachter feierten die Rückkehr des wirtschaftspolitisch aktiven Staates, der Marktkräfte zugunsten des Gemeinwohls lenkt, um grünes und gerechtes Wachstum zu erreichen. Es wurde von einem neuen wirtschaftspolitischen Paradigma gesprochen, dem sogenannten New Washington Consensus, der den alten neoliberalen Konsens ablöse.
Eine veritable Konterrevolution
So richtig überzeugend war das jedoch nie. Denn die bisherigen Maßnahmen reichen bei Weitem nicht aus, um die ökologische Krise zu bewältigen oder die Ungleichheit effektiv zu bekämpfen. Dennoch markierten sie eine wirtschaftspolitische Kehrtwende, die viele bereits nach der Finanzkrise 2009 erwartet hatten – damals jedoch vergeblich. Der Anfang vom Ende des Neoliberalismus schien endlich gekommen. Damit ist es nun vorbei. Was wir aktuell erleben, ist eine veritable Konterrevolution.
Am deutlichsten und besorgniserregendsten zeigt sich dies in den USA. Die neue Trump-Regierung hat umfangreiche wirtschaftliche Deregulierung angekündigt: Abbau von Sozial- und Umweltstandards, weniger Regeln für Finanzmärkte und die Unterstützung für riskante, staatsferne Kryptowährungen.
Vetternwirtschaft zugunsten der Finanz- und Tech-Elite
All das ist nichts anderes als Vetternwirtschaft zugunsten der Finanz- und Tech-Elite rund um Elon Musk, der das sogenannte Department of Government Efficiency gleich selbst leiten darf. Letztlich wird das den Staat nach gut bekannter neoliberaler Art schwächen. Gleichzeitig verspricht Donald Trump aber der Mittelschicht, dass sie von einem starken Staat mittels Zöllen vor Einkommensverlust durch wirtschaftliche Konkurrenz aus anderen Staaten geschützt werde.
Es ist äußerst unwahrscheinlich, dass diese widersprüchliche Politik – radikale Liberalisierung im Innern und Protektionismus nach außen – der Mittelschicht in den USA helfen wird. Viel wahrscheinlicher ist, dass die geplanten Zölle zu erheblichen Preissteigerungen führen, die die Lebenshaltungskosten weiter in die Höhe treiben. Von den Schäden an Mensch und Umwelt und den gestiegenen Risiken einer drohenden Finanzmarktkrise ganz zu schweigen.
Ablehnung demokratischer Prinzipien
Obwohl es innerhalb der neuen Regierung also Spannungen zwischen der neoliberalen Tech-Elite um Musk und den protektionistischen Nationalpopulisten um Steve Bannon gibt, wird sie durch eine gemeinsame Ablehnung demokratischer Prinzipien zusammengehalten.
Der Historiker Timothy Snyder prägte den Begriff „Mump Regime“. Er charakterisiert die Mischung aus Musk und Trump als eine mafiöse, wirtschaftlich libertäre, oligarchische und faschistoide Regierungsform.
Mafiös ist sie, weil die Akteure bereit sind, illegal zu handeln – siehe den Sturm auf das Capitol und die Verurteilungen Trumps. Wirtschaftlich libertär beziehungsweise neoliberal ist sie, da dies den Interessen von Musk dient, dessen Geld Trump den Wahlsieg verdankt, sowie Trumps eigenen Geschäftsinteressen.
Neoliberalismus in seiner extremsten Form
Oligarchisch ist sie, weil sie nur den Interessen weniger Wohlhabender dient, die sich ungehindert auf Kosten der breiten Masse bereichern. Und faschistoid ist sie, weil die Demokratie durch eine starke Führungspersönlichkeit ersetzt werden soll. In diesem Punkt stimmen die populistischen Nationalisten und libertären Tech-Investoren, die an das Recht des Stärkeren im evolutionären Überlebenskampf glauben, überein.
Damit erleben wir die Rückkehr des Neoliberalismus in seiner extremsten Form. Die Schockwellen werden auch in Europa deutlich zu spüren sein. Ziehen Sie sich warm an.