Donald Trump trifft Kim Jong Un

Inszenierung ohne Substanz

Kim Jong-un (l.) und Donald Trump
Nordkoreas Diktator Kim Jong-un (l.) und der amerikanische Präsident Donald Trump in Singapur. © imago/ZUMA Press/Ministry of Communications
Von Marcus Pindur |
Nordkorea soll atomar abrüsten, die USA werden im Gegenzug die Sicherheit des Landes garantieren. Von einem historischen Durchbruch könne aber keine Rede sein, kommentiert Marcus Pindur.
Der Berg kreißt, und er gebiert eine Maus. All das Selbstlob, all die Selbstbeweihräucherung, all der Pomp konnten am Ende nicht darüber hinwegtäuschen: Das dünne Kommuniqué am Ende des Gipfels von Singapur ist kein Ruhmesblatt amerikanischer Diplomatie, sondern eine diplomatische Bankrotterklärung des angeblichen großen Verhandlungskünstlers Donald Trump.
Der nordkoreanische Diktator Kim Jong Un dagegen verließ das Spielfeld als klarer Punktsieger. Sein erster Erfolg war, dass Trump ihn überhaupt zu einem Gipfel getroffen hat. Das brutale Regime war bislang ein Paria der internationalen Beziehungen. Jetzt begegnet Kim dem amerikanischen Präsidenten auf Augenhöhe und ist de facto als Atommacht anerkannt.

Trump wertet eigene Streitkräfte ab

Als sei dies nicht genug, kündigte Trump ohne Verständigung mit dem demokratischen Partnerland Südkorea ein Ende der gemeinsamen amerikanisch-südkoreanischen Militärmanöver an. Trump sprach abwertend von "provokativen Kriegsspielen" – einmalig, dass ein Staatsoberhaupt, zumal das einer Demokratie, die Rolle der eigenen Streitkräfte derart herabwürdigt. Die US-Streitkräfte spielen in der Region eine wichtige Rolle, weil sie zur Abschreckung des diktatorischen Regimes in Pjöngjang beitragen. Nicht nur das: Sie stellen eine Rückversicherung auch für andere Staaten in der Region wie Japan dar. Und man kann sogar davon ausgehen, dass selbst chinesische Außenpolitiker insgeheim ganz froh sind, dass das unberechenbare Regime in Nordkorea von Abenteuern abgehalten wird.

Nordkorea hat Weltöffentlichkeit immer wieder betrogen

Kein Wunder, dass schon der Vater des jetzigen nordkoreanischen Despoten gegen die gemeinsamen Militärmanöver gewettert hatte. Trump gab dieses Druckmittel aus der Hand, ohne auch nur ein Mindestmaß substanzieller Zugeständnisse zu bekommen. Kim erklärte lediglich, er wolle auf eine Denuklearisierung der koreanischen Halbinsel "hinarbeiten". Das ist noch sehr viel vager und unbestimmter als die Vereinbarungen, die die Vereinigten Staaten 1994 und 2005 mit Nordkorea geschlossen hatten – und die das Regime schon damals unterlaufen hatte. Nordkorea hat die Weltöffentlichkeit immer wieder betrogen. Für Kim sind die Atomwaffen die Existenzgarantie seines Regimes. Ohne massiven Druck wird er nie zu substanziellen Zugeständnissen und schon gar nicht zu einer Denuklearisierung bereit sein.
Trump hat aber genau darauf eine Wette abgeschlossen, ohne konkrete Zusagen, jeder historischen Evidenz zum Trotz.
Die konservative Kolumnistin Jennifer Rubin meinte dazu: Stellen Sie sich vor, Präsident Obama wäre nach Teheran gereist, hätte Ayatollah Chamenei umarmt, erklärt, dieser sei ein großer politischer Führer, der sein Volk liebe – allein das hätte den jetzigen Sicherheitsberater John Bolton zum Platzen gebracht.

Inhaltsleere Show

Jetzt muss Bolton versuchen, aus der inhaltsleeren Show einen erfolgreichen politischen Abrüstungsprozess zu machen. Das wird ihm nicht gelingen. Denn er hat keinerlei Verhandlungshebel. Ganz im Gegenteil, aus der chinesischen Regierung verlautete bereits, man müsse jetzt über einen Abbau der Sanktionen nachdenken. Und der russische Präsident Putin hat gestern bereits eine Einladung an Kim ausgesprochen.
Man kann davon ausgehen, dass all dies Trump völlig egal ist. In einem halben Jahr sind in den USA die Zwischenwahlen. Er will sich mit einer außenpolitischen Glanztat schmücken, und ein Großteil der republikanischen Wähler wird dankbar daran glauben. Für den Präsidenten der "America First"- Ideologie ist das genug. Der Rest der Welt wird dadurch nicht sicherer.

Marcus Pindur, langjähriger Deutschlandradio-Korrespondent in Washington, arbeitet als Redakteur für Deutschlandfunk Kultur.



Korrespondent Washington
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