Andere Länder, andere Kindheiten
Die Pädagogin Donate Elschenbroich ist fasziniert davon, wie vielfältig Kinder auf dieser Welt aufwachsen. Auch sie selbst hat mal in den späten 1960ern in Berlin einen Kindergarten eröffnet - in einem Bauwagen.
Von Frühpädagogik, ihrem heutigen Fachgebiet, hatte die studierte Germanistin zu diesem Zeitpunkt allerdings keine Ahnung. Mit dem improvisierten Kindergarten wollte sie vielmehr eine pragmatische Lösung anbieten in dem neu entworfenen Märkischen Viertel, das zwar als Mustersiedlung galt, Infrastruktur wie Kinderbetreuung oder Jugendzentren aber vermissen ließ:
"Plötzlich war ich Kindergärtnerin, ohne es gelernt zu haben. Ich dachte einfach, ich kann das - eine Geringschätzung des Erzieherinnenberufs!"
Großer Respekt für die Arbeit von Erzieherinnen
Ihren Respekt für die Arbeit von Erzieherinnen weltweit rührt von dieser Erfahrung in Berlin her. Seither ist die Pädagogin durch die ganze Welt gereist. Warum können schon ungarische Kleinkinder dutzende Lieder singen? Wie bringt sich ein malaysisches Kind Mathematik bei? Wieso lesen in Israel schon Vierjährige? Und warum haben japanische Erzieherinnen den gesellschaftlichen Status von Professoren? Das sind nur einige Fragen, denen die heute Anfang 70-Jährige in den letzten Jahrzehnten nachgegangen ist. Mit ihrem Pädagogik-Klassiker "Das Weltwissen der Siebenjährigen" hat Donata Elschenbroich zudem einen vielbeachteten Kanon aufgestellt mit einer Liste von Antworten auf die Fragen: Welche Erfahrungen wollen wir unseren Kindern ermöglichen und was sollte ein siebenjähriges Kind erlebt haben?
Fragen, die sie und ihre Mitstreiter bewusst nicht nur Pädagogen gestellt haben:
"Alle Menschen machen sich Gedanken zu Erziehungsfragen. Wir haben das Netz sehr weit ausgeworfen und Gespräche geführt auf Parkbänken, in Redaktionsräumen, in Müttergruppen, mit arbeitslosen Vätern, mit einem Erzbischof, einem General der Schweizer Armee, mit dem Kioskbesitzer in Frankfurt oder einer analphabetischen türkischen Mutter. Wir haben diese einfachen Fragen gestellt und jeder hatte etwas dazu zu sagen."
Den Horizont des Möglichen erweitern
In ihren Filmen, die sie zusammen mit dem Dokumentarfilmer Otto Schweitzer produziert, will die Pädagogin vor allem den Blick auf andere Länder und deren Kindheiten schärfen – mit all ihren unterschiedlichen Ansichten und Ansätzen. In Japan etwa sei es selbstverständlich, dass jedes Kind ein Musikinstrument lerne:
"Es geht darum, den Horizont des Möglichen zu erweitern. Es gab Zeiten, da war es bei uns nicht selbstverständlich, dass jedes Kind schwimmen lernt. Heute ist es normal. Aber dass jedes Kind ein Musikinstrument lernt, klingt für viele in Deutschland noch wie eine Überforderung."
Über ihre Liebe zu Japan, warum Langeweile sie zu ihrem Herzensthema geführt hat und wie es war, als Studentin zwölf kleine Kinder mit dem VW-Bus durch Berlin zu fahren – darüber hat sich Susanne Führer mit Donata Elschenbroich unterhalten.