Keine Verhandlungen mit der Ost-Ukraine!
Die Bewohner der rückständigsten Region der Ukraine diktieren dem ganzen Land ihre Bedingungen, meinen Volodymyr Kovalenko und Vyacheslav Navrotskyy. Die beiden Juristen halten das für inakzeptabel - und warnen vor einer Appeasement-Politik wie 1938.
Wissen Sie, die Hörer von Deutschlandradio Kultur, dass die meisten Bewohner der ukrainischen Region Donbass im Donezbecken nicht in der Ukraine geboren, sondern aus Russland zugezogen sind? Jahrzehntelang waren sie nicht an der ukrainischen Kultur interessiert, wollten nicht die Sprache lernen. Sie fühlen sich nicht als Bürger der Ukraine.
Und vor diesem Hintergrund, glauben Sie in Deutschland wirklich, diese Leute dürften für sich eine Sonderbehandlung verlangen, noch dazu auf Kosten des Restes der Ukraine?
Wenn Sie mit "Ja" antworten, würden Sie dann auch zustimmen, diese Antwort auf sich selbst zu übertragen, würden Sie akzeptieren, wenn Hunderttausende ethnischer Russen, die derzeit in Deutschland leben, für die russische Sprache einen besonderen Status einforderten, wenn sie ihre Kinder staatlich finanziert auf Russisch unterrichten wollten, wenn sie schließlich die Intervention russischer Truppen in Deutschland verlangten, um ihre ethnische Identität zu schützen?
Kriminalität und Drogensucht im Donbass
In keiner Region der Ukraine ist das gesellschaftliche Klima so schlecht wie im Donbass. Mehrfach lagen die Raten für Kriminalität und Drogensucht dort höher als anderswo. Die vielen Millionen Euro an Subventionen aus dem Budget der Ukraine übersteigen die regionalen Steuereinnahmen. Die Bewohner aber glauben der Lüge, dass sie es sind, die die ganze Ukraine ernähren.
Die meisten von ihnen sind niemals im Ausland gewesen oder haben je das Donezbecken verlassen. Aber das hindert sie nicht daran, aktiv gegen die europäische Integration zu opponieren und eine Annäherung an Russland zu unterstützen. Die Bewohner der rückständigsten Region diktieren dem ganzen Land ihre Bedingungen.
Die Ukraine startete ihre militärische Intervention im Donbass erst, nachdem die Separatisten begannen, die Unterstützer des Staates nicht nur zu schlagen, sondern sie zu tyrannisieren, zu berauben, aus ihren Häusern zu vertreiben, ihre Autos wegzunehmen oder gar sie zu töten.
Ein Polizist, der gegen das Einholen der Nationalfahne auf dem Gebäude der Stadtrates von Donezk einschritt, wurde ermordet und sein Leichnam in den Fluss geworfen. Was würden Sie unter solchen Umständen von den deutschen Behörden erwarten? Wäre es da nicht gerechtfertigt, hart gegen die Terroristen vorzugehen?
Würde die Bundesregierung in diesem Fall verhandeln?
Die Führer der selbsternannten Republiken waren russische Bürger, unter ihnen ehemalige und aktive Beschäftigte des russischen Geheimdienstes, die die Aktionen angeführt haben, um sich der lokalen Verwaltung, der Polizeigewalt und der militärischen Ausrüstung im Osten der Ukraine zu bemächtigen.
Stellen wir uns einmal vor, dass einige der ausländischen Gemeinden in Deutschland - beauftragt und unterstützt durch ihr Mutterland - separatistische Aktionen begonnen und dabei terroristische Methoden angewandt hätten, würde die Bundesregierung in diesem Fall Verhandlungen führen?
Wladimir Putin weist den Vorwurf von sich, auf irgendeine Art zum Konflikt im ukrainischen Donbass angestiftet zu haben. Und das, obschon die ganze Welt die Wahrheit kennt. Er gesteht nicht ein, dass Russland eine Konfliktpartei ist, obwohl er Truppen in die Ukraine sandte und unser Territorium bombardierte.
Die Welt kritisiert ihn, aber die Maßnahmen, die sie gegen Russland ergriffen hat, sind miserabel und nicht wirkungsvoll. Russland aber ruft immer lauter nach einer Ausweitung der Aggression. Polen und die baltischen Staaten sind bedroht.
Lassen die Ereignisse des Jahres 2014 in der Ukraine nicht an das denken, was 1938 passierte, als die westliche Welt duldete, dass Deutschland Böhmen und Mähren besetzte? Und erinnern Sie sich, was das Ergebnis dieses Appeasements war?
Volodymyr Kovalenko, geboren 1962 in Lviv, Rechtsanwalt und Assistenzprofessor für Kriminalwissenschaft an der Lviv State University of Internal Affairs.
Vyacheslav Navrotskyy, geboren 1956 in Lviv, Dekan der juristischen Fakultät der Lviv State University of Internal Affairs, Mitglied der Nationalen Akademie der Wissenschaften sowie der wissenschaftlichen Beiräte des Obersten Gerichts und des Hohen Gerichts für Zivil- und Strafrecht der Ukraine.
Anmerkung der Redaktion: In der ersten Fassung dieses Textes war irrtümlich von "Billionen" statt "Millionen" Euro die Rede. Wir bitten dies zu entschuldigen.