Kritischer Sportjournalist mit dem "Gerechtigkeits-Gen"
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Mit seinen investigativen Recherchen zum Doping im Spitzensport kämpft der Journalist Hajo Seppelt für mehr Transparenz und Fairness bei internationalen Wettkämpfen. Dafür erntet er viel Anerkennung, er macht sich aber nicht nur Freunde.
Dem Journalisten Hajo Seppelt ist etwas gelungen, was viele seiner Kollegen sich zu Beginn ihrer Laufbahn vornehmen: Er hat die Welt verändert, die Welt des Sports und die Welt der Sport-Berichterstattung. Hajo Seppelt trägt wesentlich dazu bei, den Mythos vom hehren sportlichen Wettkampf der Besten zu entzaubern. Sport-Funktionäre werden inzwischen in der Öffentlichkeit häufiger auch als Unternehmensmanager wahrgenommen, die Helden für die Hochglanzwelt des Sports produzieren, um damit ihren Gewinn zu maximieren. Wenn es sein muss, auch auf Kosten der Gesundheit der Sportler.
Ein Leben für die Medaille
Die Motivation der Sportler selbst, ihre Leistungen mit Doping zu steigern, um damit ihre Siegeschancen zu erhöhen, führt Seppelt auf die Eindimensionalität des Lebens vieler Spitzensportler zurück: "Stellen Sie sich vor, als 10, 12 oder 14jähriger bist Du plötzlich acht bis zehn Stunden pro Tag beim Training und machst nichts anderes mehr. Das machst Du zehn oder im schlimmsten Fall 20 Jahre mit und stellst Dir irgendwann die Frage, hat sich dieses ganze Investment in den Sport gelohnt, wenn ich doch nicht Olympia-Sieger werde? Manche nehmen die Weggabelung nach links und sagen: 'Okay, dann dope ich jetzt auch und damit komme ich an die großen Geldtöpfe möglicherweise heran.' Oder manche nehmen die Weggabelung rechts: 'Bleibe fair! Betrüge nicht! Aber [ich] weiß, dass ich am Ende eben nicht das erreichen kann, was ich möchte.'" Er habe ein Grundverständnis dafür, dass manche Sportler sich für den "Weg des Manipulierens" entscheiden, "davon ausgehend, dass es viele andere auch tun".
Sport-Journalismus muss auch mal weh tun
Zu Beginn seiner journalistischen Laufbahn eckte Hajo Seppelt bei regionalen, nationalen und internationalen sportlichen Großereignissen oft mit seinen unbequemen Fragen an. Im Sportjournalismus war er ein Außenseiter und Einzelkämpfer. "Ich bin mit dem Gerechtigkeits-Gen geboren", sagt der Journalist über sich. Wenn ihm etwas kritikwürdig erscheint, kann er nicht anders als kritisch nachzufragen. In seinem soeben erschienenen ersten Buch erzählt Hajo Seppelt unter dem Titel "Feinde des Sports" von seinen Undercover-Recherchen "in der Unterwelt des Spitzensports". Sein Selbstverständnis als investigativer Journalist beschreibt Seppelt so: "Mein Job ist es nicht, dem Publikum zu gefallen. Mein Job ist, das Publikum aufzuklären oder besser: die komplette Information zu liefern, die eine wie die andere Seite der Medaille. Und dabei schert es mich ehrlicherweise recht wenig, ob das, was ich tue, am Ende auch mal weh tut. Das muss auch mal weh tun." Außerdem so Seppelt, werde das Interesse des Publikums oft falsch eingeschätzt: "Die Einschaltquoten unserer Doping-Berichterstattung bewegt sich durchaus auf dem Level anderer Dokumentationen. Das Publikum ist oft von uns Journalisten falsch eingeschätzt worden. Es ist mündiger als wir glauben."
Parallelwelt des Sports
Mit Blick auf das unvollständige Doping-Geständnis des Ski-Langläufers Johannes Dürr sagte Seppelt: "Doping oder Sport an sich ist häufig eine Parallelwelt, die sich dem Auge des Betrachters von außen entzieht. Ich glaube, Doping ist eine System-Frage des Sports. Doping hat nichts mit dem Einzelnen zu tun. Es geht nicht um schwarze Schafe. Es geht darum, die Frage zu stellen, welcher unglaubliche Leistungsdruck auf Menschen lastet, der sie am Ende in die Doping-Falle tappen lässt. Das heißt nicht, dass sie nicht Verantwortung tragen für ihr Tun, denn sie nehmen es ja ein. Aber es ist komplexer."
Einen Ausgleich zu seinem intensiven Arbeitsleben findet Hajo Seppelt im Kino oder beim Laufen durch die Stadt: "Ich gehe manchmal stundenlang durch Berlin. Laufen und Gehen ist etwas, was mich unheimlich inspiriert, auch gedanklich. Ich liebe es zum Beispiel auch nach Bayern zu fahren und um mich herum nichts, aber auch gar nichts zu hören. Das finde ich sehr erholsam."
(ruk)