Journalisten haben das Problem ignoriert
Radsportler und Spitzenathleten in der Leichtathletik, etwa der 100-Meter-Weltrekordler Usain Bolt, geraten schnell unter Doping-Verdacht. Nach dem Motto: Das kann nicht mit rechten Dingen zugehen. Im Fußball aber ist es genau umgekehrt. Ein Kommentar dazu von Stefan Osterhaus.
Einmal, es ist noch gar nicht so lange her, da erzählte ein Kollege, dass er nicht an Doping im Fußball glaube. Diejenigen, die zuhörten, waren erstaunt. Warum denn nicht, wurde er gefragt, und er antwortete: Nun, es seien ja so viele Journalisten um den Fußball herum, bei dieser ständigen Beobachtung, da würde Doping doch zwangsläufig auffallen!
Das klingt, zugegeben, auf den ersten Blick etwas naiv. Doch es beschreibt recht gut, wie die Haltung mancher Journalisten gegenüber Doping im Fussball ist. Natürlich, keiner ist offen dafür, wahrscheinlich sind im Grunde nahezu alle dagegen. Aber wirklich näher muss man sich nicht damit beschäftigen, denn es wird schon irgendjemanden geben, der es an der eigenen Stelle tut. Diese Leute gibt es tatsächlich. Spezialisten, die so gut wie gar nichts anderes manchen - und in deren Enthüllungen ein Dopingfall manchmal, so scheint es, die Wichtigkeit einer Staatskrise zugemessen wird.
Journalisten als teilnehmende Beobachter
Die Episode von damals verdeutlicht ganz gut, wie es ist, wenn ein Journalist, womöglich ohne es zu merken, vom distanzierten Berichterstatter zum teilnehmenden Beobachter wird. Er gehört dazu. Noch problematischer ist es, wenn Journalisten zum Bestandteil der Inszenierung gehören - im Fernsehen, wo es darum geht, ein Produkt zu verkaufen. Wir müssen ja gar nicht mit den Exzessen von früher kommen, als Jan Ullrich und Erik Zabel mit voller Ladung die Bergpässe erklommen. Von Gerüchten und Enthüllungen ließen sich die TV-Leute am Bildschirm nicht wirklich irritieren. Das eigentliche Anliegen des Journalismus, informierend und aufklärend zu wirken, war hier längst in sein Gegenteil umgeschlagen.
Dabei waren die TV-Leute von damals denjenigen, die es heute vielleicht nicht ganz genau wissen wollen, in einer gewissen Weise sogar voraus. Vermutlich hatten sie akzeptiert, dass Doping zum Sport dazugehört, doch bedauerlicherweise den falschen Schluss gezogen und das Problem ignoriert. Und weil Doping wohl oder übel zum Sport und somit auch zum Fußball gehört, lohnt es sich eben doch, auch mal genauer hinschauen: Was hat es ist der Verletzungshistorie von X oder Y auf sich? Wie kommt es, dass binnen kurzer Zeit aus einem schmächtigen Bürschlein ein Athlet mit breitem Kreuz wird? Stimmt es wirklich, dass einer mit Wachstums-Hormonen während der Verletzungszeit behandelt wurde?
Dopingberichterstattung nicht als eigene Disziplin behandeln
Es geht ja nicht um die fortwährende Suche nach einem Skandal, sondern darum, ein Problem als solches überhaupt 'mal ernst zunehmen und die Dopingberichterstattung nicht als eine Sonderdisziplin für Spezialisten zu betrachten, mit denen man im Grunde dann doch nichts zu tun haben will.