Doppelschaukeln und Staunen

Von Gerd Brendel |
Aller Wissenschaft Anfang ist das Staunen, und das hat einen neuen Ort gefunden. Nach langer Renovierung hat das Technikmuseum in Berlin-Kreuzberg mit dem "Science-Centre Spectrum" wieder einen Mitmach-Bereich. Zielgruppe sind die 4- bis 14-Jährigen.
Bei den Besuchern im Grundschulalter ist die Doppelschaukel im ersten Stock des neu eröffneten Science Center Spektrum eindeutig das Lieblingsobjekt. Aylin schaukelt mit ihrer Freundin Sandra auf der einen Seite, auf der Schaukel gegenüber sitzt der dicke Haroun und bewegt sich gar nicht. Dann hören die beiden Mädchen auf zu schaukeln und wie durch Geisterhand setzt sich Harouns Schaukel in Bewegung. Wie das möglich ist?

"Weiß ich nicht."

Aylin schaut nach oben, wo die beiden Schaukeln über ein Gestänge miteinander verbunden sind , aber statt nachdenken will sie lieber schaukeln.

"Das ist eins unserer klassischen Experimente, hier können diejenigen ,die auf der Schaukel sitzen, gekoppelte Schwingungen am eigenen Leibe erfahren. Hier wird tatsächlich die Schwingungsenergie von einer Schaukel durch das Gestänge gekoppelt, da wird die Schwingung von einer Schaukel auf die andere übertragen."

Christian Neuert hat mit seinem Team die Mitmach-Abteilung des Berliner Technik-Museums neu konzipiert. Nach drei Jahren Renovierung laden jetzt wieder Dutzende von Experimenten zu Elektrizität und Magnetismus, zu Wärmeenergie und Akustik, zu Licht und Wellen zum Mitmachen ein.

"Das ist immer ganz wichtig bei uns, dass man spielerisch an die Experimente herangeht."

Und sich überraschen lässt:

"Das erste ist natürlich, dass wir die Besucher tatsächlich zum Staunen bringen..
das wir etwas haben, wo wir denken, oh, was ist das denn Schönes, was ist das für ein Phänomen?"

Spiel und Staunen, darauf setzen Mitmach-Museeen oder neudeutsch "Hand-On-Museen", in denen nicht nur Kinder und Jugendliche ins Staunen kommen, sonderrn auch Erwachsene auf die Lücken ihrer naturwissenschaftlichen Bildung zurückgerufen werden.

Als das Berliner "Science-Centre Spektrum" vor 30 Jahren eröffnet wurde, war es einer der ersten Einrichtungen dieser Art. Damals wie heute verfolgten Museumspädagogen und Kuratoren wie Christian Neuert vor allem ein Ziel:

"Berührungsängste werden abgebaut."

Eine Generation später erfüllen Mitmach-Museen wie das Spektrum in Berlin-Kreuzberg noch eine weitere Funktion: In der zunehmend digitalen Lebenswelt von Kindern und Jugendlichen, die immer mehr Zeit vor dem Computer oder mit Smart-Phones verbringen, sind sie Orte, in denen die reale Welt erfahrbar wird. Die Töne, die in einem Experiment dadurch entstehen, dass Luft mit Hilfe einer Düse durch eine Scheibe mit Löchern geblasen wird, sind echt, genauso wie die Spektralfarben, in die das Sonnenlicht von draußen mit Hilfe von Linsen aufgefächert wird, oder eben die Schaukelbewegungen, die Aylin, Sandra und Haroun erleben.

"Das sind die Dinge, die Prozesse in Gang setzen können."

Merve, eine Klassenkameradin von Aylin, Sandran und Haroun hat den drei eine Weile zugeschaut:

"Ich weiß wie das geht,"

... sagt sie mit einem Mal:

"Wenn sie schaukelt werden sie langsamer und er wird schneller, weil sie zusammen ist."

Zugegeben, druckreif ist diese Erklärung des Prinzips der gekoppelten Schwingung noch nicht, aber darauf kommt es nicht an: "Staunen das ist der Samen des Wissens", sagte Francis Bacon, einer der Gründungsväter der modernen Naturwissenschaften Anfang des 17. Jahrhundert. Das gilt auch 300 Jahre später.

Knut Nevermann, Berliner Staatssekretär für Wissenschaft und Forschung formulierte Bacons Erkenntnis heute morgen zur Eröffnungspressekonferenz pragmatisch so:

"Ich glaube, wenn man Lehrer wäre, wäre man verrückt, wenn man hier nicht mit seiner Klassen hingehen würde."


Mehr Infos im Netz:

Deutsches Technikmuseum Berlin