Doppelte Premiere in Almaty

Von Edda Schlager · 23.12.2010
Zum Abschluss des "Deutschlandjahrs" in Kasachstan inszeniert Regisseur Ansgar Haag Richard Wagners "Tannhäuser" an der Staatsoper Almaty. Ganz einfach war die Umsetzung nicht.
"Nein, nein, der soll hinten stehen bleiben, hab ich grad gesagt ... Stopp, stopp! Nein, nicht der Hirt nach vorne kommen, hinten bleiben, bis das ganze Bühnenbild offen ist, erst dann, wenn's hell ist, geht der Hirt nach vorne!"

Bei der Probe wenige Tage vor der Premiere geht noch Einiges schief. Doch das sei auch an deutschen Theatern nicht anders, sagt Ansgar Haag. Der Intendant des Südthüringischen Staatstheaters Meiningen inszeniert den "Tannhäuser" in der kasachischen Staatsoper Almaty, Premiere ist am 24. Dezember – und das im doppelten Sinne. Denn erstmals überhaupt wird das Werk eines deutschen Opernkomponisten von einem kasachischen Ensemble selbst produziert. Haag, der den "Tannhäuser" im April in Meiningen inszenierte, war von den Bedingungen in Almaty überrascht:

"Die Streicher, die Größe des Orchesters, das ist wunderbar. Und sie haben etwas, was überhaupt nicht selbstverständlich ist, dass sie das Piano spielen. Meine Sorge war, dass die die Noten lesen und dann brettert das wagnerisch los und die Sänger finden sie nicht, aber sie sind sehr sängerfreundlich und das ist alles andere als selbstverständlich."
Dennoch war die Umsetzung des "Tannhäuser" in Almaty nicht ganz einfach. Denn Wagners Musik war in der Sowjetunion unerwünscht und wurde so gut wie nie gespielt. Haag musste den Dirigenten, Musikern und Sängern in Almaty viel erklären:

"In Deutschland hört man das, dann haben die einen Bayreuth im Kopf, und die anderen die großen CDs, und dann wird das dirigiert. Hier ist es so, dass man Seite für Seite absprechen muss, was schnell oder langsam bei Wagner heißt, das war mir nicht bewusst, also jetzt kenn ich das Werk wesentlich besser als ich es nach meiner ersten Inszenierung kannte."
Auch die Technik in der Oper Almaty nötigte Haag zu Kompromissen. Statt eines Stahlkastens wie in Meiningen ist die Sängerhalle in Almaty nur ein Gitterkäfig. Denn die Bühnenzugänge sind viel zu klein, auf große, techniklastige Aufbauten ist man in Almaty nicht eingestellt. Ausstattung und Kostüme sind stets traditionell.

"Es ist die Art der Aufführungstradition, dass die Ästhetik eigentlich nicht Ästhetik heißt, sondern Schönheit, es muss alles irgendwie passend, schön sein und gediegen. Gegen diese Grundhaltung muss man bei diesem Werk etwas angehen, aber ganz brechen kann man es nicht, weil das Publikum so ist."

Bisher gibt es in Almaty die italienischen oder russischen Klassiker zu sehen – Verdi, Puccini, Tschaikowsky. Eigene moderne Inszenierungen gibt es bisher nicht, und selbst die Sänger stehen dem abstrakten europäischen Theater skeptisch gegenüber. Kyrill Borchaminow, der den Landgrafen Hermann singt:

"Mich irritiert das, wenn es eine ursprüngliche Dramaturgie in der Musik gibt und die in die Moderne gezerrt wird. Für mich sind das Genies, Wagner, Verdi – und wenn man diese Musik in eine andere Epoche versetzt, klingt das für mich unbeholfen und unpassend."

Dem Meininger Regisseur Haag gelinge der Balance-Akt zwischen traditionellem und modernem Stil jedoch ganz gut, meint Borchaminow. Die Inszenierung könnte ein Anfang sein, um das Publikum für modernes Theater zu öffnen.

Kyrill Borchaminow: "Eine zu große Abstraktion in der Oper wird hier nicht verstanden. Wir müssen eine schöne Ausstattung zeigen, um die Zuschauer zunächst heranzuführen. Wenn sie dann ins Theater kommen, dann ist der nächste Schritt, dass sie ihren Blick vom Äußeren auf das Innere lenken."

Für Ansgar Haag ist die Zusammenarbeit mit den Kasachen nach dem "Tannhäuser" nicht beendet. 2013 will er erstmals in Deutschland eine kasachische Oper aufführen – "Abai" von Achmet Zhubanow. Ein klassischer Plot um Liebe, Verrat und Eifersucht, angelehnt an das Leben des kasachischen Nationaldichters Abai. Die Oper entstand während der Sowjetära und war entsprechend ideologisiert: Der Dichter entsagt – der Erkenntnis wegen – dem Leben als Nomade. Bei Haag dagegen soll die heutige Emanzipation der Kasachen im Vordergrund stehen.