Dor Guez: Pre-Israeli Orientalism. A Photographic Portrait
Resling, Tel Aviv 2015
270 Seiten, 69 NIS
Informationen zum Buch auf der Webseite des Verlags auf Hebräisch und die englischsprachige Webseite des Verlags
Die enttäuschte jüdische Liebe zum Orient
Als die ersten Juden im Nahen Osten eine neue Heimat aufbauen wollten, blickten sie voll Sehnsucht und Zärtlichkeit auf den Orient. Das belegt der israelische Künstler Dor Guez anhand früher Fotografien der zionistischen Einwanderer. Geblieben sind davon vor allem Enttäuschung – und trotziger Optimismus.
Es sind die Fotografien der jüdischen Neueinwanderer aus Osteuropa in Palästina, die Dor Guez prüft, Bilder der ersten drei Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts. Wie blickten sie auf den Orient? Voll westlicher Arroganz und Machtausübung, wie es Edward Saids berühmtem Orientalismus-Begriff entspräche? Nein – Guez entdeckt bei den ersten zionistischen Fotografen einen freundlichen, zugewandten Orientalismus:
"Ihre Begegnung mit dem Orient zeugt keineswegs nur vom westlichen Separatismus. Sie waren vielmehr offen für die Integration in Palästina und damit auch zur Akzeptanz des Orients als ihre neue Umgebung. Zudem haben sie sich im Sinne des Zionismus vom eigenen Herkunftsland distanziert. Es galt ja, die Diaspora zu negieren, und in das 'alt-neue Land' zurückzukehren - ins Eretz Israel, das nun mal im Orient liegt."
Guez thematisiert hier Fragen von Bildern, vom Abbilden und Neubilden der eigenen Identität: in Zeiten des Aufbruchs in der jüdischen Geschichte und in der Geschichte des Landes. Ein Land, das hier mal Palästina, mal Eretz Israel, mal das Heilige Land genannt wird.
Gerade in der Verwandlung des "Diasporischen Juden" zu einem "Neuen Juden" suchte der frühe Zionismus seine politisch-kulturellen Ziele zu erreichen.
Optimismus fand ein jähes Ende
"Die [jahrhundertealte] Sehnsucht [der Juden] nach dem Orient, ihr Wille sich dort zu assimilieren, wieder heimisch zu werden, die Widersprüchlichkeiten und Verflechtung von alt und neu waren Teil des frühen Zionismus."
Doch dieser Optimismus fand schon 1929 ein jähes Ende: mit dem arabischen Aufstand gegen das zionistische Projekt in Palästina. Ab dieser Zäsur zeigen immer weniger Fotografien orientalische Motive. Der Orient ist immer weniger ein Ort der Sehnsucht, und wird immer mehr zum Ort der Konfrontation zwischen Juden und Arabern.
"Die naive orientalistische Auffassung zerplatzt 1929, und mit ihr auch der Wunsch der neuen Einwanderer, sich am Orient zu orientieren und selbst 'orientalisch' zu werden. Die kulturelle Integration in den Orient blieb zwar eine romantische Sehnsucht. Aber während die ersten zionistischen Fotografen noch orientalische Elemente in ihr eigentliches Projekt eines westlich orientierten modernen Nationalstaats aufnehmen wollten, lehnten sie dies sehr bald explizit ab."
Sehnsucht nach einer neuen Akzeptanz
Zwischen den Zeilen liest man die Sehnsucht des Autors selbst nach diesem vorstaatlichen, integrativen Orientalismus. Mit seiner Biografie durchaus nachvollziehbar: Mütterlicherseits entstammt Guez einer christlich-arabischen Jerusalemer-Familie, die 1948 die israelische Staatsgründung als palästinensische Katastrophe, als Nakba miterlebt hat. Die jüdische Familie seines Vaters kam erst danach aus Tunesien, auch nach der Erfahrung der NS-Besatzung von Djerba.
Dor Guez blickt aus entsprechend unterschiedlichen Perspektiven – immer eindringlich, liebevoll und zugleich schmerzbehaftet – auf die Geschichte des frühen Zionismus in Palästina. Dort sucht er nach Akzeptanz, nach einer Alternative auch für den gegenwärtigen Orientalismus im Sinne Edward Saids im heutigen Israel.