Doris Dörrie über Meinungsfreiheit

"Ich verteidige, dass jeder seine Meinung sagen kann"

04:25 Minuten
Regisseurin Doris Dörrie bei der Berlinale 2020
Die Regisseurin und Autorin Doris Dörrie sagt: "Dass jeder auch etwas anderes heilig finden kann und jeder seine Meinung sagen kann, das ist mir tatsächlich heilig." © dpa-Zentralbild / picture alliance
Aufgezeichnet von Georg Gruber |
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Was mir heilig ist: Dazu haben wir wieder Kulturschaffende aus verschiedenen Bereichen befragt. Doris Dörrie gehört zu den Großen des deutschen Films und sie schreibt Bücher - etwa über das Essen. Doch heilig sind ihr weder Kino noch Kulinarisches.
Was mir heilig ist: Das Wort "heilig" ist ein schwieriges Wort, finde ich, und ich sehe es doch sehr skeptisch. Denn je mehr wir etwas für heilig erklären, umso mehr grenzen wir uns auch von einander ab, weil jedem etwas anderes heilig ist. Und das führt dann vielleicht doch auch sehr schnell zu Dogmatismus.
Es gibt so einen Satz im Zen, der heißt: "Wenn Du den Buddha triffst, töte den Buddha!" Und das bedeutet, dass man nicht zu sehr an Konzepten festhalten soll, dass man nichts für heilig erklären sollte, um damit eben nicht andere auszugrenzen und dogmatisch zu werden. Also, dieses Aufgeben von Konzepten, das ist mir sehr viel heiliger, als das "Heilige" zu verteidigen.

Verteidigen, was anderen wichtig ist

Und wenn ich das umdrehe, dann kann ich sagen: Gut, für mich ist Meinungsfreiheit heilig, also tatsächlich das zu verteidigen, dass jeder auch etwas anderes heilig finden kann und jeder seine Meinung sagen kann, das ist mir tatsächlich heilig.

Also wirklich nach diesem alten Satz: "Ich stimme mit Ihnen überhaupt nicht überein, aber ich werde bis zu meinem Tod verteidigen, dass sie es sagen dürfen". Bis zu meinem Tod – soweit würde ich vielleicht dann doch nicht gehen. Ihr Recht aber zu sagen, was Sie meinen, das zu verteidigen, ist mir wirklich wichtig.

Meinungsfreiheit und Demokratie gehören zusammen

Damit hängt natürlich auch sehr schnell zusammen, dass mir Demokratie heilig ist. Denn die beiden Dinge sind unauflöslich miteinander verbunden: Demokratie und Meinungsfreiheit. Inwieweit es dann mich verletzt, wenn jemand anderes ganz anderes heilig findet, oder auch das, was ich heilig finde, angreift, auch darüber sagt unser Grundgesetz sehr klar, dass man doch sehr, sehr viel sagen darf, außer, ich werde in meiner persönlichen Ehre beleidigt oder verleumdet oder es geht gegen die Grenzen der Sittlichkeit, Jugendschutz, Volksverhetzung. Da gibt es schon Einschränkungen. Aber was die Heiligkeit angeht, gibt es keine. Jeder darf etwas anderes heilig finden. Und das finde ich wichtig und das ist mir eben heilig, die Meinungsfreiheit.

In diesem Zusammenhang ist es für mich auch besonders absurd, dass sich bei uns in Deutschland im Moment einige darüber beschweren, sie könnten ihre Meinung nicht äußern, während sie aber gleichzeitig ihre Meinung äußern. Das ist so plemplem und so doof und so dumm, weil wir wirklich noch in einem Land leben, wo wir wirklich die Meinung äußern dürfen, die wir haben, und zwar jeder darf das.
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