Doris Dörrie über „Freibad“
Szene aus "Freibad": Maria Happel als Gabi, Samuel Schneider als Bademeister Nils und Andrea Sawatzki als Eva. © Constantin Film Verleih / Mathias Bothor
Diskurs am Beckenrand
11:43 Minuten
Das Freibad als Mikrokosmos unserer Gesellschaft: Alle aktuellen Diskurse rund um Migration, Diskriminierung oder die Darstellung des weiblichen Körpers werden hier verhandelt. Der ideale Ort für eine Komödie, wie Doris Dörrie erklärt.
Das Freibad ist ein Ort, an dem Menschen aus allen gesellschaftlichen Schichten aufeinandertreffen und sich auf engstem Raum miteinander arrangieren müssen – und deswegen ideal für eine Komödie, wie die Regisseurin Doris Dörrie erklärt. Ihr neuer Film „Freibad“ spielt in einem solchen Freibad, genauer: in einem nur für Frauen.
Hier treffen junge Mädchen zwischen Selbstbewusstsein und Selbstzweifeln auf eine türkische Großfamilie und eine Sportschwimmerin im Burkini. Man beäugt sich gegenseitig. Auch zwei ältere Damen gehören dazu, die ihren Stammplatz beanspruchen und alles kommentieren – auch sich selbst.
Ein sehr fragiles Zusammenspiel
„Das war ein großer Spaß“, berichtet Dörrie, „denn wir wissen alle, wir Frauen, dass wir durchaus ungnädig oder auch sehr bissig und sehr scharf miteinander umgehen, und dass wir uns natürlich gegenseitig ständig bewerten – und das vor allem in einem Freibad, wenn es um Körper geht.“
Konflikte sind hier also vorgezeichnet: Man prallt im Wasser aufeinander und mit den eigenen Weltanschauungen auf die der übrigen Besucherinnen – und dabei ist man auch noch halb nackt.
„Das ist ein sehrr fragiles Zusammenspiel in einem Freibad“, erklärt Dörrie. „Deshalb ist das so gut anwendbar auf unsere Gesellschaft allgemein.“
Wer bestimmt über den weiblichen Körper?
Was in der Gesellschaft im Großen verhandelt wird, wird im Freibad im Kleinen durchgespielt. Auch in diesem Film ist die Darstellung des weiblichen Körpers umkämpft, vor allem, wenn dieser verhüllt ist.
Eine Frau kommt im Burkini ins Freibad und muss von allen Seiten abschätzige Blicke und Kommentare ertragen. Dabei sollte es doch in einer freien Gesellschaft wie der unsrigen so sein, dass sie anziehen darf, was sie will, wie Dörrie erklärt. Wer bestimmt also über den weiblichen Körper?
„Da merkt man schnell, dass auch wir in dieser scheinbar doch offenen Gesellschaft versuchen, ständig zu bestimmen, wie Frauen auszusehen haben – besonders dann, wenn es eine Verhüllung betrifft, weil wir uns in unserer eigenen Ausdrucksweise angegriffen fühlen“, erklärt Dörrie. „Warum eigentlich?“, fragt sie und ergänzt: „Es greift uns keiner direkt an.“
Dörrie plädiert für mehr Selbstbewusstsein und dafür, das liberale Postulat ernst zu nehmen, wonach „jede so leben soll, wie es sie glücklich macht, solange sie mich nicht damit verletzt oder meine Freiheit begrenzt. Im Freibad ist das doch ganz klar. Ich meine: Wie begrenzt eine Frau im Burkini meine Freiheit?“
Multiperspektivisches Drehbuch
Das Drehbuch hat Doris Dörrie diesmal nicht alleine geschrieben, sondern gemeinsam mit Madeleine Fricke und Karin Kaçi. So konnten migrantische Perspektiven genauso miteinfließen wie junge, erklärt Dörrie. Dabei habe sie selbst mit Erstaunen festgestellt, dass sie durchaus rassistische Muster mit sich herumtrage, obwohl sie sich selber immer für sehr kosmopolitisch und tolerant gehalten habe.
Für Dörries Perspektive stehen die beiden älteren Badegäste Eva und Gabi, gespielt von Andrea Sawatzki und Maria Happel, die von sich auch glauben, dass sie sehr offen sind.